Mannheim. Dass auch Club-Konzerte heutzutage restlos ausverkauft sein können, ist eine gute Nachricht. Leider eine seltene. Aber für das Gastspiel der deutsch-nigerianischen Sängerin Tokunbo im Mannheimer Ella & Louis am Freitagabend gab es sogar eine Warteliste. Erstaunlich ist diese Resonanz eigentlich nicht: Schließlich stand Tokunbo Akinro 15 Jahre (und CDs) lang für Tok Tok Tok, das mit fünf German Jazz Awards ausgezeichnete Pop-Jazz-Sextett mit Soul- und Folk-Songwriterinnen-Einschlag. Außerdem mussten ihre Mannheimer Fans seit 2014 auf dieses Konzert warten: Damals war Tokunbo mit ihrer ersten Soloplatte mit dem heute noch zeitgemäßeren Titel „Queendom Come“ in der Alten Feuerwache aufgetreten.
In Thomas Sifflings schickem Mannheimer Jazzclub präsentiert sie ihre inzwischen dritte Platte „Golden Days“ – und einen leicht erneuerten Sound. Um Tokunbos großartige, extrem angenehm temperierte Stimme flirren neuerdings schon mal Country-Elemente („Ray“) und hochharmonischen Westcoast-Pop-Hamonien („Home Again“, vor allem das zwingende „Forgive“).
Klassische Americana-Einflüsse
Derlei klassischen Americana-Sounds liegen dem in Nigeria aufgewachsenen Nordlicht näher, als man erwarten würde. „Ein Country-Album zu machen, war immer ein Traum von mir“, erzählt sie lachend beim kurzen Nachgespräch. Bei einem Austauschjahr in den USA habe sie einen guten Freund gehabt, der der größte Fan von Country-Millionenseller Garth Brooks gewesen sei. Trotzdem dominiert auf „Golden Days“ wie auch im Kern des Konzerts Tokunbos typischer Stil, den sie selbst als „Folk Noir“ charakterisiert.
Souveränes Understatement statt Stimmakrobatik
Gekennzeichnet ist er dadurch, dass der Song absolut im Mittelpunkt steht. Keine Instrumental- oder Stimmakrobatik. Letzteres könnte Tokunbo zweifellos rauf- und runterexerzieren. Aber statt wer weiß was für Soul-Girlanden einzubauen oder Kapriolen über ihr erstaunlich breites Oktavenregister zu schlagen, singt sie mit souveränem Understatement und eindrucksvoller Leichtigkeit. Die enormen Potenziale ihrer Stimme deutet sie immer wieder zart an, bleibt aber stets im Dienst der Songs. Tatsächlich wie eine Folk-Sängerin.
Das klingt genau so grandios und vor allem geschmackssicher wie ihr Begleit-Trio. Kein Wunder, besteht es doch aus echter deutscher Musikerprominenz. Der allein wie eine komplette Rhythmusgruppe groovende Bassist Christian Flohr kennt man schon aus Tok-Tok-Tok-Zeiten. Multiinstrumentalistin Anne de Wolff und Gitarrist Ulrich Rode haben erst vor knapp vier Wochen einen Stock über dem Ella & Louis ein gut zwanzig mal so großes Publikum gerockt – als melodisches Rückgrat von Niedeckens BAP. Rode glänzt mit Druck und Sensitivität. Vor allem aber mit seinem enormen Sound-Repertoire, dass der Stil-Vielfalt der jüngsten, von ihm mitproduzierten Tokunbo-Alben „The Swan“ und „Golden Days“ zugutekommt. Seine Ehefrau Anne De Wolff verblüfft wie immer mit ungeheurer Vielseitigkeit und Virtuosität – egal ob am Harmonium, mit Geige, Villa, Gitarre, Percussion-Einsätzen oder als zweite Stimme. Wie sie mit wenigen Violinen-Strichen „New June“ Beatles-hafte Tiefe verleiht oder im älteren Song „Homecoming (Hummingbird“ den thematisierten Kolibri sirren lässt, hat ganz große Qualität. Den nicht mitgebuchten Schlagzeuger „Maze“ Meusel vermisst man nur kurz, und zwar in dem Moment als zu „See You Fly“ ein plötzlich aus dem Off zugespielter Beat viel zu stumpf durch das hübsche „See You Fly“ stampft.
Eine Petitesse angesichts der großen Qualität dieser Popmusik im besten Sinne: leichtfüßig, eingängig, aber nicht platt. Und auch nicht ohne Aussage, auch wenn sich viele Songs um private Erinnerungen und vor allem Heimkommen drehen. Denn beim Schreiben in der deprimierenden Zeit „des großen C“ habe sie sich gefragt: „Was könnte der Soundtrack sein, der mir jetzt guttun würde?“, erzählt Tokunbo auf der Bühne. Ihr Ziel sei dann „ein Album voller Zuversicht“ gewesen, das mit Freude und Hoffnung nach vorne schaue. Das ist absolut gelungen. Auch live.
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