Wer nicht bis Dezember warten möchte, wenn die Alpenhotels für die Wintersaison öffnen, kann am Hintertuxer Gletscher schon im Herbst Winterurlaub machen. In Österreichs einzigem Ganzjahresskigebiet sind die Lifte 365 Tage im Jahr in Betrieb. Das führt dazu, dass sich Gäste immer wieder in Sommerkleidern und Flip-Flops auf den verschneiten Gipfel verirren. „Die Herbsturlauber im Tal können sich oft gar nicht vorstellen, dass hier oben Winterbedingungen herrschen“, sagt Bergführer Roman Erler.
Einen Logenplatz mit Blick auf den ewigen Winter haben Hotelgäste im Whirlpool auf der Dachterrasse des Klausnerhofs. Wenn aus dem Wasserdampf die Silhouette des gewaltigen Gletschers auftaucht, ist das der Gipfel an Winterzauber – zu jeder Jahreszeit. Noch ist das Hotel mit Kürbissen und buntem Laub geschmückt. Doch nur 800 Meter weiter steht eine Zeitmaschine: die Talstation der Zillertaler Bergbahnen, die Gäste in wenigen Minuten aus dem goldenen Herbst hinauf in den eisigen Winter transportieren.
Gondel als Frühstücksraum
Oben auf 3250 Metern fällt der erste Neuschnee oft schon im September. Blauer Himmel, klare Luft, weite Sicht, einsame Stille und eine jungfräuliche Schneedecke, auf die kaum einer zu treten wagt. Das sind für Hotelchefin Frieda Klausner die idealen Bedingungen, um gemeinsam mit ihren Gästen die erste Spur zu ziehen. Morgens um acht, eine Viertelstunde vor der normalen Betriebszeit der Bergbahnen, macht sie sich mit einer kleinen Gruppe auf zum Gletscher, um Parallel-Linien und S-Kurven in den unberührten Schnee zu malen. „Leere Pisten, kein Mensch weit und breit, da fühlt man sich wie der erste Mensch im Paradies“, schwärmt sie.
Wer als erster am Berg sein und trotzdem ausschlafen möchte, kann aufs Hotelfrühstück verzichten und die Auffahrtszeit mit der Gletscherbahn zur Stärkung nutzen. Jeden Morgen wird eine Gondel der Gefrorene-Wand-Bahn auf Wunsch zum Frühstücksraum umgebaut. Auf dem schmalen Tisch zwischen den beiden Sitzbänken türmen sich frische Brötchen, Belag, Eier, Müsli, Obst, Orangensaft, Kaffee und Prosecco, während am Fenster verschneite Felstürme vorüberziehen. Eine Zeitbeschränkung für das kulinarische 360-Grad-Erlebnis gibt es nicht. Die Frühstücksgondel dreht so lange ihre Runden, bis alle satt sind. Sollte die Kanne mal leer oder der Kaffee kalt sein, wird bei der nächsten Durchfahrt an der Talstation nachgeschenkt.
Wanderung durchs ewige Eis
Dennoch bleiben die meisten Gäste nicht allzu lange sitzen, da die Füße in luftiger Höhe trotz Heißgetränk und Sitzheizung schnell kalt werden. Bei starkem Wind, wenn die Frühstücksgondel wie ein Teebeutel hin und her schwingt, sei Fahrgästen mit empfindlichem Magen empfohlen, auf Kamillentee umzusteigen. Auf der Suche nach dem ersten Schnee sind bereits zahlreiche Prominente im Zillertal gelandet, auch Helene Fischer, Florian Silbereisen, Bully Herbig und Till Schweiger. Für den größten Wirbel sorgte Ed Sheeran mit dem dreitägigen Videodreh zu seinem Hit „Perfect“ im Oktober 2017. Das Video, das neben dem Skigebiet und romantischen Hütten auch die örtliche Pizzeria und Après-Ski Bar in der Hauptstraße zeigt, wurde auf YouTube rund 2,5 Milliarden Mal geklickt.
Auf dem Hintertuxer Gletscher können Besucher aber nicht nur Schnee-Pioniere sein, sondern auch neue Wege im ewigen Eis gehen. Der Tuxer Bergführer Roman Erler stieß 2007 zufällig auf eine natürliche Eishöhle im Inneren des Gletschers. „Das hat schon was, wenn man als erster Mensch irgendwohin kommt und Dinge sieht, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat“, sagt er mit Blick an die funkelnde Eisdecke. „Ein so unerforschtes, wunderschönes Geschenk der Natur macht ehrfürchtig.“
Urlauber und Dorfbewohner schauen immer wieder voll Respekt gen Himmel, wo der eisige Berg wie ein Mahnmal über dem Tal prangt. An Klimawandel und Gletscherschmelze mag hier niemand denken, aber wenn die Temperaturen weiter steigen und Schnee im Alpenraum immer seltener fällt, wird der mächtige Eisgigant mit seinem ewigen Winterwetter immer kostbarer.
Reise-Tipps
- Unterkunft: Hotel Klausnerhof, Hintertux, Tirol, Ö hintertuxergletscher.atsterreich, Telefon +43-5287-8588, info@klausnerhof.at, www.klausnerhof.at. Der Klausnerhof hat regulär geöffnet. Zwei Saunen unter 60 Grad dürfen nicht genutzt werden, alle anderen sind in Betrieb. Im Schwimmbad sind bis zu 15 Personen erlaubt. Im Hotel gilt derzeit keine Maskenpflicht.
- Hintertuxer Gletscherbahnen: Im Inneren der Liftstationen gelten Maskenpflicht und eine Ein-Meter-Abstandsregelung. Auch in den Gondeln müssen Masken getragen werden. Mitglieder einer Familie oder Gruppe können in den Gondeln unter sich bleiben. Infos unterhttp://www.hintertuxergletscher.at
- Gondelfrühstück: Start zwischen 9 und 10 Uhr an der Talstation der Zillertaler Bergbahnen. Preis für zwei bis vier Personen: 29,50 Euro für Erwachsene, 15 Euro für Kinder bis 10 Jahre. Anmeldung unter www.hintertuxergletscher.at
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