Norwegen zu bereisen ist für viele Menschen ein langgehegter Traum. Eine der atemberaubendsten Routen ist wohl mit den Postschiffen der Hurtigruten. Die Fahrt geht von Bergen entlang der Küste bis hinauf zum Polarkreis. Hier bietet sich gerade in den Wintermonaten ein unvergleichliches Erlebnis, das mystische Schauspiel der Nordlichter, auch „Aurora Borealis“ genannt – von den Wikingern als der Zorn der Götter gefürchtet, für die Norweger Alltag, und von den Touristen sehnsüchtig erhofft. Zu sehen, wie sich das wunderschöne Leuchten ausbreitet und der Himmel mit grün flackernden Lichtern zum Leben erweckt wird, ist ein Erlebnis, das keinen unberührt lässt.
Voller Ungeduld wird auf die erste Borddurchsage gewartet, dass Polarlichter gesichtet wurden. Sofort stürzen alle aufs Deck. Doch erstmal kommt ein wenig Enttäuschung auf, denn es sind nur leichte milchige Schleier am Himmel zu entdecken. Erst wenn man die Kamera des Handys gen Himmel richtet, sieht man die kräftige Grünfärbung der Nordlichter. Und tatsächlich sind sie besser durch die Kameralinse als mit den Augen zu erkennen. Da müssen die Nordlichter schon sehr intensiv und kräftig sein, damit sie auch so mit dem bloßen Auge zu erkennen sind.
Garantieversprechen
Auf dieses Erlebnis gibt es auch auf alle Reisen vom 1. Oktober bis 31. März ein Garantieversprechen von Hurtigruten. Sieht man keine Nordlichter, wird man zu einer zweiten Reise gratis eingeladen.
Aber eigentlich muss man diese Reise sowieso mehrmals machen, am besten mindestens viermal, da jede Jahreszeit das Land ganz anders erscheinen und erleben lässt, aber immer für sich einzigartig.
Täglich verlässt ein Hurtigruten- Schiff den Hafen der Hansestadt Bergen und nimmt nördlichen Kurs auf das dicht an der russischen Grenze gelegene Kirkenes. Bereits seit 1893 bedient die Schiffsflotte die Strecke. Ursprünglich als Postschiff zur Versorgung und als Verkehrsmittel für die Bevölkerung auf den kleinen Inseln der Lofoten und in den entlegenen Gebieten jenseits des Polarkreises gedacht, wird heute kaum noch Briefpost, Pakete und Fracht transportiert. Hurtigruten ist sicherlich keine Kreuzfahrtlinie mit Showprogramm, Captain’s Dinner und anderen Unterhaltungsangeboten, die man von den großen Kreuzfahrtschiffen kennt. Aber genau das macht den besonderen Reiz aus, eine faszinierende Mischung aus erholsamer Seereise für Touristen und alltäglichem Transportmittel für Küstenbewohner und Fracht. Hier unterhält die Natur und das sich ständig wechselnde Panorama, das durch die Panorama-Fenster oder von Deck zu beobachten ist. Die Kamera ist der ständige Begleiter an Bord, denn immer gibt es gerade ein traumhaftes Motiv, was es einzufangen gilt. Doch sollte man auch die Kamera mal beiseitelegen und einfach mit allen Sinnen genießen und entspannen, erst dann setzt wirklich Erholung ein.
Teil des öffentlichen Lebens
Für die Einheimischen sind die Hurtigruten auch ein Stück Tradition und Kultur, sowie ein wichtiger Teil des öffentlichen Lebens, für den Urlauber aber eine einzigartige Möglichkeit, Norwegen mit all seinen landestypischen Facetten kennen zu lernen.
Auf der Fahrt wechseln sich schroffe Felswände mit sanften Hügeln ab, massive Bergketten folgen Tälern, malerischen Inseln oder lieblichen Schären. Typisch für die norwegische Küste sind die beeindruckenden Fjorde und die tosenden Wasserfälle. Die Reise geht durch die von eiszeitlichen Gletschern geformte Küstenlandschaft mit ihren tief eingeschnittenen Fjorden, von denen der wohl der bekannteste der Geirangerfjord ist.
Noch beeindruckender und spektakulärer ist allerdings der Trollfjord. Diesen winzigen Fjord am Raftesund können auch nur wirklich erfahrene Kapitäne bei gutem Wetter befahren, er gehört nicht zum Standardprogramm.
Die Kapitäne der Hurtigruten entscheiden immer erst kurz vorher, ob es möglich ist. Der Trollfjord ist so eng, dass man vom Schiff schon fast die vorbeigleitenden Felswände berühren kann.
Nach einer atemberaubenden Fahrt durch eine lange schmale Einfahrt, wo jeder den Atem vor Spannung und Staunen anhält, wird der Blick auf eine kleine Bucht, umgeben von mächtigen Bergen, freigegeben – gerade groß genug, dass das Schiff sich fast auf der Stelle drehen kann.
Ganz selten wagt es ein Kapitän, in einer hellen Mond- und Sternennacht den Trollfjord zu befahren. Spätestens dann meint man im mystischen Licht überall Trolle in den Felswänden erkennen zu können. Aber weil der Fjord mit seinen Wänden so schmal ist, kann man in der Regel während der Wintermonate nur einen Blick von der Einfahrt hineinwerfen, denn die Gefahr von Lawinen und Steinschlag ist zu groß.
Auf Stippvisite
Die Vielfalt der Fischerorte und charmanten Städtchen lässt keine Langeweile aufkommen. In den Häfen mit längerer Verweildauer können die Passagiere auf eigene Faust oder mit gebuchten Landausflugspaketen die Ortschaften erkunden. Stippvisiten in die farbenfrohe Jugendstilstadt Alesund, das lebendige Tromsø mit seiner beeindruckenden Eismeer-Kathedrale bis zur malerischen Pilgerstadt Trondheim, oder eine Fahrt durch die wildromantische Landschaft der Lofoten oder Vesteralen.
Ein Muss ist ein Besuch des Nordkaps, wo auf der Fahrt mit etwas Glück auch jede Menge Rentiere zu sehen sind. Ein besonderes Erlebnis ist die Fahrt mit dem von bellenden Huskys gezogenen Schlitten durch die arktische verschneite Landschaft.
Ein Höhepunkt jeder Reise mit der Hurtigruten ist die Überquerung des Polarkreises. Während einige Passagiere im Bordpostamt Polarkreisbriefmarken kaufen, sie auf Postkarten kleben und mit Sonderstempeln für die Daheimgebliebenen versehen lassen, steppt draußen der Bär bei der Polarkreistaufe mit Meeresgott Neptun. Jeder der Taufwilligen muss erst für seine Sünden büßen, indem er mit einer Schöpfkelle Eiswürfel und eisiges Wasser in den Nacken oder ins Dekolleté geschüttet bekommt – und das nicht zu knapp.
Mit aufgerissenen Mündern und Augen quittiert jeder diese kalte Dusche, bevor man mit einem guten Moltebeerenschnaps entschädigt wird. Fast jeder meldet sich freiwillig zur Taufe, obwohl die Urkunde zur Polarüberquerung jeder Gast sowieso zum Ende der Reise erhält.
Auch sonst ist für Abwechslung und Stimmung an Bord gesorgt. Eine Bibliothek bietet Lesestoff, Vorträge informieren über die unterschiedlichsten Themen, eine kleine Sauna, streng getrennt nach Geschlechtern, und ein kleines Fitnesscenter laden zum Relaxen ein.
Auch kulinarisch wird man auf den Hurtigruten-Schiffen verwöhnt. Hauptsächlich gibt es entsprechend der jeweiligen Saison authentische norwegische Gerichte vom Lammeintopf über Rentiersteak bis zum frisch gefangenen Fisch.
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