Im Schatten des Weltstars

Die Lofoten im hohen Norden Norwegens kennt so gut wie jeder – die ursprünglichere Nachbarregion Vesterålen ist fast unbekannt. Zu Unrecht. Man erlebt dort eine ebenso imposante Landschaft, kann Seeadler aus nächster Nähe beobachten und entdeckt ein doppelt wiederbelebtes Fischerdorf.

Von 
Sascha Rettig
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Karge Landschaft mit bunten Häusern – das ist Nyksundauf den Vesterålen. © Sascha Rettig

Ian Robbins greift ein Stück gefrorenen Fisch und wirft es ins kalte Wasser des Nordmeers. Daraufhin passiert erst einmal allerdings: nichts. Beim nächsten Fischbrocken, der ins Wasser fliegt, sieht das schon anders aus. Da kommt plötzlich einer angeflogen. Ein Seeadler! Kurz visiert der den Happen an und greift ihn von der Wasseroberfläche. Man muss schnell sein und im richtigen Moment auf den Auslöser drücken für ein Erinnerungsfoto.

Während Ian Robbins viel über die größte Adlerart Europas berichtet, zeigt er auf die Küste gegenüber. „Da drüben liegt der Trollfjord“, sagt er. Und der ist nicht nur sehr imposant mit um die 1000 Meter aufragenden Bergen, sondern sorgte immer wieder auch für Kabbeleien. Schon vor über 120 Jahren kamen sich dort traditionelle Fischer in ihren Ruderbooten und moderne Dampfboote bei einer berühmten Auseinandersetzung in die Quere. Selbst heute gibt es eine Rivalität um diesen Seitenarm des Raftsunds, der zwischen den Vesterålen und der Nachbarregion, den Lofoten, fließt. Jede Seite beansprucht ihn für sich. Geografisch würde man ihn zu den Lofoten zählen. Offiziell aber gehört er zum Verwaltungsgebiet Vesterålens, die auch sonst immer etwas im Schatten der weltberühmten Nachbarn stehen. Dabei erscheinen die dünn besiedelten Vesterålen ursprünglicher als die Lofoten, sind aber ebenfalls sehr imposant. Die Berge sind dabei zwar etwas weniger dramatisch, dafür weicher, sanfter, runder – wie eine Skyline, bei der jedes Haus eine andere Form hat.

Die Regionen sind nur eine kurze Fährfahrt voneinander entfernt. Knapp 30 Minuten dauert es, schon legt das Schiff im Örtchen Melbu an, wo Robin Bolsøy sein „Melbu Hotell“ betreibt. Darüber hinaus bietet der Norweger Aktivitäten auf der bergigen Insel Hadseløya an. Auf seiner Schneeschuh-Tour stapft Robin mit der kleinen Gruppe gezielt einen der Berge hinauf. „Man erkennt hier, dass die Eiszeit einst in dieser Gegend stoppte“, erklärt er. „Die Berge, die entstanden, gehören zu den ältesten der Welt.“ Das Panorama reicht bis zu den Lofoten und über Buchten, Felsen, Strände und eine Lachsfarm hinweg.

Jeden Tag schippern auch die berühmten Hurtigruten-Schiffe, die heutzutage vor allem für Kreuzfahrten im Einsatz sind, durch diese Gewässer. 1890 begannen die Schiffe die entlegensten Orte entlang der Küste anzusteuern, ab 1922 auch Vesterålen. Sie transportierten Waren, vor allem Fisch, nahmen Passagiere mit und lieferten die Post, weil es keine Straßen und keine Bahn gab. Mehr über diese Geschichte erfährt man im außergewöhnlichen „Hurtigruten Museum“ in Stokmarknes, wo einst von einer kleinen Reederei die ersten Hurtigruten-Schiffe gebaut wurden. Rund 40 Jahre hat es gedauert, bis das Museum in der jetzigen Form realisiert werden konnte. Schließlich wurde mit der „MS Finnmarken“ von 1956 ein ganzes Schiff in die eigens gebaute Halle mit der hohen Glasfassade gehoben.

Im Städtchen Myre geht es dann aber tatsächlich aufs Wasser – auf eine Rundfahrt, zu der Michel Jürgensen, Jahrgang 1962, eingeladen hat. Der Deutsche, der seit Jahrzehnten in Nordnorwegen lebt, kümmert sich dort an Bord um alles, was der Kapitän nicht macht. Das Fährboot klappert die Inseln ab und derweil schaut man auf diesen Mini-Hurtigruten in die atemberaubende Fjordwinterlandschaft.

Dazwischen aber hat Michel immer wieder kurz Zeit. Dann beginnt er zu erzählen: von Nyksund, einem abgelegenen Fischerdorf, das für ihn vor über 30 Jahren der Grund zum Auswandern war. Zweimal wurde das Dorf verlassen, zweimal wiederbelebt. „Im Zuge der Zentralisierung siedelte die Regierung in den 1970ern Fischerfamilien aus entlegenen Dörfern um, die dann leer standen“, erklärt Michel. In den 80er Jahren hörte der Sozialpädagoge Burkhard Herrmann von der Technischen Universität Berlin von dem verlassenen Nyksund und hatte eine Idee: Für ein ungewöhnliches, soziales Projekt brachte er internationale Jugendliche dorthin, die gemeinsam lebten, werkelten und Häuser instand setzten. Nach rund fünf Jahren allerdings wurde es beendet und das Dorf wieder sich selbst überlassen.

Mit dem alten Projekt hat die neue Gemeinschaft Nyksunds nichts mehr zu tun. Das gemütliche Dorf lebt heute vom Engagement seiner deutsch-norwegischen Gemeinschaft. Das hervorragende Restaurant „Ekspedisjonen“ findet man dort genauso wie einen charmanten Krimskramsladen. „Wann hat man schon die Chance, einen Ort wiederzubeleben“, sagt Ssemjon Gerlitz. Der Düsseldorfer kam in den späten 90ern nach Nyksund. Damals waren viele Häuser verfallen. „Dieses Haus hier besteht im Grunde aus sieben Häusern und deren Holz“, sagt er über sein uriges Gästehaus „Holmvik Brygge“ – voller Relikte aus der Dorf-Vergangenheit.

Auf der Insel Bø wird ebenfalls eifrig daran gewerkelt, den Tourismus anzukurbeln – etwa mit dem neuen „Ringstad Resort“. Am Tag nach der Adlerbeobachtung steht mit dem englischstämmigen Wahl-Norweger Ian Robbins die Erkundung der verschneiten Insel mit dem Mini-Van an - und der Guide erzählt: mal von Wikingergräbern, mal von einer Galerie mit Skulpturen unter freiem Himmel. Er stoppt für kurze Schneeschuhwanderungen in der arktisch rauen Landschaft und im Ort Hovden an einem der großen Holzgestelle, die man überall sieht: Skrei, ein Kabeljau, wird daran zum Trocknen aufgehängt, der später als Stockfisch in die Welt exportiert wird.

Nach dem Aufenthalt auf Bø führt der Roadtrip wieder zurück nach Melbu, wo am Abend auf dem Weg etwas passiert, was zuvor entgegen aller Hoffnungen nicht eingetreten war: Zwischen den Sternen am tintenschwarzen Himmel tänzeln die Polarlichter. Erst in Grün, dann mit Rot dazwischen. Über eine halbe Stunde dauert die spontane Show, die vom Straßenrand aus beobachtet wird. Anders als bei der Trollfjord-Attraktion sind die Polarlichter kein Anlass für Streit. Das Lichterphänomen sieht man mit etwas Glück im Winter auf den Vesterålen und den Lofoten.

Stokmarknes

Unterkunft

In Stadtbredimus: Hotel Ecluse, (4 Sterne), ÜF ab 130 Euro , www.hotel-ecluse.lu;

in der Stadt Luxembourg: Hotel Simoncini (4 Sterne), ÜF ab 190 Euro, www.simoncini.lu; Hotel Vauban (3 Sterne), ÜF ab 160 Euro, www.hotelvauban.lu;

in Mondorf-les-Bains: Parc Hôtel (4 Sterne S), ÜF ab 181 Euro, www.mondorf.lu; Casino 2000 (4 Sterne S), ÜF ab 115 Euro, www.casino2000.lu; Hotel Beau-Séjour (3 Sterne), ÜF ab 90 Euro, www.beau-sejour.lu;

in Remich: Hotel Saint Nicolas & Spa (4 Sterne S), ÜF 123 Euro , www.saint-nicolas.lu; Domaine La Forêt (4 Sterne S), ÜF ab 145 Euro www.foret.lu;

in Perl: Landhaus & Hotel Sonnenhof, (Sterne), ÜF ab 91 Euro, www.sonnenhof-perl.de; Hotel-Restaurant Hammes, (3 Sterne), ÜF ab 90 Euro, www.hotel-hammes.de

Allgemeine Informationen

Tourist Info, Europa-Museum Biodiversum www.schengen-tourist.lu;www.visitschengen.lu/musee-europeen/; www.consilium.europa.eu;www.nature.lu, www.visitluxembourg.com

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