Bulgarien

Immer der Nase nach

Bulgarien hütet einen duftenden Schatz: In einem Tal am Fuß des Balkangebirges wachsen Damaszener-Rosen. Aus ihren Blüten wird ein kostbares Öl destilliert.

Von 
Helge Bendl
Lesedauer: 
Sag’s durch die Blume: Eine junge Bulgarin in traditioneller Tracht zeigt ihre „Ernte“. © Helge Bendl, Adobe Stock/mansum008

Als unsichtbarer Baldachin spannt sich der Duft über die Felder. Jedes Mal, wenn eine sanfte Brise die sich öffnenden Knospen zum Rascheln bringt, trägt der Wind einen zarten Hauch der Aromen am Dorf vorbei hinab ins Tal. Rein und fein ist der Duft, wirkt trotzdem opulent und süß wie Honig. Er ist filigran, aber von einer fast überwältigenden Intensität. Dieser Geruch ist so außergewöhnlich, dass selbst Experten das Vokabular fehlt, um ihn zu beschreiben. Und dabei so betörend, dass einem fast die Luft wegbleibt: Wer tief einatmet und den Duft durch die Nase einzieht, kann die Rosen auch mit geschlossenen Augen sehen.

Am frühen Morgen sind es nur die Felder auf den Hügeln des Dörfchen Kalofer, die von den Aromen eingehüllt sind. Später scheint es, als lasse sich der Blumenduft in jedem Winkel des Tals erschnuppern, ganz so, als habe sich die komplette Landschaft mit dem verführerisch-süßlichen Parfum eingesprüht. Zu allem Überfluss gibt es auch noch eine Dosis Opium fürs Auge. Durch das satte Grün der in Reih und Glied stehenden Sträucher blitzt das leuchtende Pink der vielen Millionen rosafarbenen Blüten.

Ein Kilo Rosenöl kostet mehr als 10 000 Euro

Sobald die ersten Sonnenstrahlen übers Balkangebirge blitzen, schwärmen die Bienen aus und Rosenkäfer, die so grün funkeln, als seien es fliegende Smaragde. Auch viele Menschen sind schon auf den Beinen. So wie Nikolina Baneva, ihr Bruder Stoil Bachkarov sowie eine Handvoll Erntehelfer. Ab Mitte Mai verbringt das eingespielte Team fast vier Wochen lang auf ihrem kleinen Feld am Ortsrand des Dörfchens Kalofer, und das Morgen für Morgen. Kalofer ist ein vom Weltgeschehen vergessenes Nest mitten in Bulgarien, dem ärmsten Land der Europäischen Union. Und doch birgt es einen kostbaren Schatz: einen, den man einatmen kann und der so atemberaubend duftet, dass sich Parfümeure aus aller Welt darum reißen.

Bulgarien

Anreise

Bulgaria Air (www.air.bg) und Lufthansa (www.lufthansa.com) fliegen nonstop von Frankfurt nach Sofia. Nach Kasanlak im Rosental geht es per Mietwagen (ca. 200 Kilometer und drei Stunden Fahrt, Preisvergleich auf www.reise-preise.de).

Unterkunft

Eine charmante Pension mit Hausmannskost ist das Iliikova Guest House in Kalofer (Doppelzimmer mit Frühstück ab 25 Euro, www.iliikova-kashta.com). Eine zentral gelegene Unterkunft in Kasanlak ist das Roza Hotel (Doppelzimmer mit Frühstück ab 50 Euro, www.hotelrozabg.com). Pools und Spa-Behandlungen gibt’s bei den heißen Quellen von Pavel Banya im Balneo Hotel DianaMar (Doppelzimmer mit Frühstück ab 90 Euro, www.dianamar.eu).

Veranstalter

Ins Tal der Rosen führt die Studienreise „Klöster, Berge und Meer“ von Studiosus (zehn Tage inkl. Flug ab 1895 Euro pro Person, www.studiosus.com). Komplett den Blumen verschrieben hat sich Spezialistin Ekaterina El Batal (neun Tage ab/bis Sofia ab 1290 Euro pro Person, www.rosenreise.de).

Aktivitäten

Die Damaszener-Rose blüht bis Mitte Juni. In vielen Dörfern gibt es öffentliche Ernten. Am ersten Juni-Wochenende feiert Kasanlak ein Rosenfestival(www.rosefestivalkazanlak.com). Im Stadtpark befindet sich ein Duftrosen-Museum (www.muzei-kazanlak.org). Spannend ist ein Besuch der historischen Destillerie von Enio Bonchev (nur nach Voranmeldung, www.eniobonchev.com).

Allgemeine Informationen

www.bulgariatravel.org/de HB

Jeder Rosenstrauch hat unzählige Knospen, die sich im Morgengrauen entfalten. So verwandelt sich das Feld jeden Tag aufs Neue in ein Meer aus pinkfarbenen kleinen Blüten, einen ganzen Monat lang. Doch die Muße, das Naturspektakel zu genießen, haben die Pflückerinnen und Pflücker nicht. „Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit“, sagt Nikolina, die sich erst dann eine Kaffeepause gönnen wird, wenn die vielen Dutzend Säcke mit den abgeknipsten Blüten im Kleintransporter auf dem Weg sind in die Destillerie. Weil die ätherischen Öle in den Rosenblüten mit steigenden Temperaturen verdunsten, ist beim Ernten Geschwindigkeit gefragt. Wer keine festen Handschuhe trägt, holt sich blutige Finger. Wie die Ernte trotzdem schnell geht, macht Stoil vor.

Mit Daumen und Zeigefinger knipst er die Blüten ab, parallel mit beiden Händen. Drei Kilo wiegt am Ende die Schürze, die er um die Hüfte gebunden hat. Die Essenz daraus sind nur wenige Gramm ätherisches Öl. Das aber hat es in sich.

Wo sich das Balkangebirge und die Bergkette Sredna Gora auf wenige Kilometer nähern, liegt das etwa 80 Kilometer lange „Tal der Rosen“. Ein mildes, vom Wind geschütztes Klima, reichlich Niederschläge im Winter, im Frühling viel Sonne: Seit vielen Hundert Jahren gedeiht hier die Damaszener-Rose. Schon die Römer wussten, dass deren Duft sich zum Entspannen eignet.

Mehr zum Thema

TEST Listicle

Test Listicle

Veröffentlicht
Von
Test TESTER
Mehr erfahren

Der Großteil der Produktion wird von führenden Parfumherstellern aufgekauft: Das Öl der Damaszener-Rose ist die Basis für die edelsten Düfte der Welt. Andere Züchtungen mögen längere Stiele und größere Blütenblätter in knalligen Farben haben. „Die Damaszener-Rose aber duftet reiner und intensiver als die anderen Sorten. Ihre Blüten sind klein, enthalten aber mehr Duftmoleküle“, erklärt Alexander Draganov. Der Duft-Spezialist hat in der Branche einen guten Namen, weil er Lieferanten fair bezahlt und als einer der ersten auf Bio-Anbau gesetzt hat.

3000 Kilo Blüten schütten die Mitarbeiter in die Kessel, um am Ende ein einziges Kilo Rosenöl zu gewinnen. Das edle Produkt wandert sofort in den Tresor: Auf dem Weltmarkt zahlt man für ein Kilogramm mehr als 10 000 Euro. Kein Wunder, dass oft gepanscht wird, mit billigem Öl aus Geranien oder dem aus Hagebutten gepressten Wildrosenöl. Ein günstigeres Mitbringsel für Besucher ist das aus eingelegten Blütenblättern gewonnene Rosenwasser. Doch auch das kauft man nicht am Souvenirstand, sondern in der Destillerie.

„Rosenwasser in der Handtasche zu haben, kann Wunder bewirken. Wenn ich das in der U-Bahn versprühe, haben selbst verbiesterte Leute ein Lächeln im Gesicht“, schmunzelt Ekaterina El Batal. Die in Deutschland lebende Bulgarin organisiert Reisen in ihre alte Heimat, bei denen sich alles um die Rosen dreht. Die Teilnehmer helfen beim Pflücken und verarbeiten die Ernte zu Marmelade und Essenzen. Vor allem aber bleibt viel Zeit, um den Duft auf sich wirken zu lassen. „Der Versuch, die Magie der Rose mit Worten zu beschreiben, ist genau das: ein Versuch“, sinniert Ekaterina El Batal. „Ihren Zauber muss man erleben.“

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen