Reise

In den Südvogesen warten Natur, Kultur und Geschichte

Von der Kapelle in Ronchamp bis zum Löwen von Belfort: Wer in die Südvogesen reist, findet neben der Natur spannende Geschichte vor

Von 
Michaela Roßner
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Unesco-Welterbe: Die Chapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp ist von 1950 bis 1955 nach Plänen des Architekten Le Corbusier gebaut worden. © Michaela Roßner

Von Deutschland sind es kaum 100 Kilometer bis in die Südvogesen. Doch auch wenn die Region, die nun Burgund-Franche-Comté heißt, am östlichen Rand des Nachbarlandes liegt, darf man sich doch auf ein Stück pures Frankreich freuen. Und den Genuss liefern nicht nur Küche und Keller.

Der Löwe aus Belfort steht für Stolz und Mut. Die elf Meter hohe und 22 Meter lange Skulptur hat Frédéric-Auguste Bartholdi 1880 geschaffen, der Vater der Freiheitsstatue in New York. Neun Jahre wurde an dem Symbol für Wehrhaftigkeit gebaut. Es erinnert an die 103-tägige Belagerung Belforts im Deutsch-Französischen Krieg von 1870, als Belfort sich der Eroberung widersetzte. Mehr als 300 Blöcke aus regionalem Sandstein sind für die Skulptur zusammengesetzt worden. Finanziert wurde das Projekt durch eine Spendenaktion, an der sich Menschen auch aus Deutschland beteiligten, was den Löwen heute vor allem zu einem Symbol des Friedens macht. Bei dem Aufruf kam so viel Geld zusammen, dass der Löwe letztlich viel größer ausfiel, als in ersten Planungen vorgesehen, berichtet Fremdenführerin Cécile.

Der Löwe aus Belfort steht für Stolz. Die elf Meter hohe Skulptur hat Frédéric-Auguste Bartholdi geschaffen, der Vater der Freiheitsstatue in New York. © Michaela Roßner

Die Höhlen von Cravanche liegen versteckt und können nur mit einem Fremdenführer besichtigt werden (Infos und Buchung unter 0033/84 55 90 90). Zu Fuß kommt man in wenigen Minuten vom Tourismusbüro in dem kleinen Ort dorthin. 1876 sind die Höhlen entdeckt worden, als man Steine für eine Festung aus dem Berg sprengen wollte. Die Arbeiter entdeckten entsetzt, dass sich in dem Hohlraum im Berg unzählige menschliche Knochen auftürmten. Archäologen gehen davon aus, dass die Tropfsteinhöhlen nach dem Neolith als Begräbnisstätten genutzt wurden. Die Gebeine ruhen heute im Museum von Belfort, die Höhlen sind leer – und „lebendig“, wie Expertin Cécile berichtet. Und tatsächlich, wenn sich die Augen erst an die Dunkelheit in den Höhlen gewöhnt haben, die im Winter das Zuhause einer der größten Fledermauskolonien der Region sind, Denn an den kleinen Spitzen, die das Regenwasser durch die Erd- und Kalkschichten des Berges treibt, sind kleine Tropfen zu erkennen. Um einen Zentimeter zu wachsen, benötigen die Stalagmiten und Stalaktiten etwa ein Jahrhundert. Dem Besucher zeigen sich armlange Gebilde – aber auch meterlange.

Kirche als Welterbe

Wir haben Glück, als wir den Hügel von Ronchamp hinaufkommen, auf einem Waldweg, der teilweise auch ein Kreuzweg ist. Die Sonne scheint, der Himmel zeigt sich in schönstem Blau mit einigen „Watte-Wolken“. Die weißen Wände der Kapelle Notre-Dame-du-Haut de Ronchamp und das Grün des Grases davor komponieren wunderschöne Fotos. Von 1950 bis 1955 ist die der Mutter Gottes geweihte Kirche nach Plänen des Architekten Le Corbusier (1887-1965) gebaut worden. Seit Juli 2016 ist sie offiziell Unesco-Welterbe.

Auch Architekten aus aller Welt pilgern hier her, denn wegen ihres „nackten“ Betons (im Französischen „brut“) steht die kleine Kirche als Prototyp des Brutalismus. Ronchamp zieht jährlich 80 000 Touristen an, darunter viele asiatischen Touristen, denn Le Corbusier hat die japanische Architektur stark geprägt. 2011 kamen ein Klarissenkloster und ein Besucherzentrum hinzu Die Ergänzungen schmiegen sich als gläserne Gebäude in den Hügel. Alle drei separat aufgestellten Glocken läuten gemeinsam den Beginn eines Gottesdienstes ein. „Das kommt sehr selten vor“, erklärt eine Frau, die gerade den Bereich um das Geläut von Blättern frei gefegt hat.

Ein Teil der rückwärtigen Mauern der Kapelle, die ein wenig an ein Schiff erinnert und deren Dach nicht auf den Mauern aufliegt, sondern wie ein Segel darüber zu schweben scheint, ist eingerüstet. Im Frühjahr 2024 sind Renovierungsarbeiten vorgesehen.

Heilbäder und Schnaps

Luxeuil-les-Bains ist eine Kleinstadt, die über mehr als ein Dutzend warmer Quellen verfügt. Das wussten schon die Römer zu nutzen. Im 18. Jahrhundert wurde das an Mineralien reiche warme Wasser im großen Stil genutzt: Das Thermalzentrum zog die Reichen nicht nur aus Paris an, die an der guten Luft in der Provinz gesunden wollten. Sie ließen es sich nicht nur in den Bassins gut gehen, sondern langten auch kräftig bei Wein und Essen zu. Als die Weinernten wegen der Reblaus-Invasion in Europa ausfielen, suchten die Landwirte und Winter nach neuen Kult-Getränken – und erfanden den Absinth.

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Fougerolles mit seinen heute rund 3500 Einwohnern wurde am Ende des 19. Jahrhunderts reich damit. Doch als das Getränk in Verruf geriet, für psychische Verwirrung zu sorgen und 1915 verboten wurde, war die Blüte der damaligen Hauptstadt der Alkoholproduktion erst einmal vorbei. Waren 1914 noch fünf Millionen Liter Absinthe produziert (und eine Viertelmillion Kirschwasser), kippte es auf einen Schlag. Zahlreiche Destillerien, aber auch Fass- und Etikettenproduzenten mussten aufgeben.

Im „Ecomusée“, dem Museum um Land der Kirsche in Fougerolles, kann man viel über diese Geschichte erfahren. Es ist in einem ehemaligen landwirtschaftlichen Betrieb, in dem bis 1960 Kirschwasser hergestellt wurde, untergebracht. Alexis Fournier, kennt diese Geschichte.

40 Sorten Kirschbäume wachsen rund um das Museum. Zur Blüte im April und zur Ernte, die traditionell zwischen dem 20. Juni und dem 20. Juli stattfindet, gibt es im Dorf große Feste. Aus rund 1000 Kilo Früchten, die einen Monat lang fermentieren, wird bis zu 150 Liter Kirsch de Fougerolles gebrannt – das Produkt ist inzwischen als regionale Marke eingetragen.

Unzählige Fischteiche

Nur wenige Kilometer von der Kapelle in Ronchamp entfernt liegt die „Planche-des-Belles-Filles“, eine Etappe, die seit einigen Jahren zur offiziellen Etappe der Tour de France gehört. Radfahrer finden indes überall in den Südvogesen gute Ziele und Strecken. Wer’s nicht ganz so bergig mag, fühlt sich sicher in der „Region der 1000 Teiche“ wohl: Auf der Hochebene von Faucogney-et-la-Mer mit seinen rund 500 Einwohnern kommt man an unzähligen Gewässern vorbei. Sie liegen eingebettet in Heide- und Waldlandschaften und meist in der Nähe eines Gehöfts.

Weil die Bauern hier, die mit langen Wintern zurechtkommen mussten, sehr arm waren, legten sie Fischteiche an. Die Flossentiere waren damals eine preiswerte Proteinquelle und konnten in den Dörfern in der Ebene gegen andere Güter getauscht werden, erzählt Maxime Petroff vom Fremdenverkehrsamt, der für uns E-Bikes organisiert hat.

Frisch ist es hier oben, und irgendwie auch entrückt. Vom Friedhof der Bergkapelle St. Martin aus, die aus dem 14. Jahrhundert stammt, hat man einen weiten Blick in die Ebene und nach Faucogney. Und irgendwie wünschte man sich, dass hier, in dieser so ursprünglichen Ecke Frankreichs, am besten alles genau so bleiben sollte.

Redaktion Redakteurin Metropolregion/Heidelberg

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