Keine Panik!

Udo Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ fuhr nie nach Pankow. Kult ist er trotzdem: als Lied und als Lok. Der Musiker hat sie höchstpersönlich künstlerisch gestaltet. Eine Geschichte, die 1983 in Ost-Berlin beginnt und im unterfränkischen Amorbach endet.

Von 
Jochen Müssig
Lesedauer: 
In Amorbach steht Udo Lindenbergs eigenhändig bemalter und beklebter „Sonderzug nach Pankow“. © Georg Hess

„Entschuldigen Sie, ist das der

Sonderzug nach Pankow?

Amorbach

Anreise

Mit dem Zug nach Amorbach, www.bahn.de

Unterkunft

Emich’s Hotel: moderne 4-Sterne-Zimmer im Zentrum. Einst Urlaubsdomizil des Philosophen Adorno, Doppelzimmer ab 130 Euro, https://emichs.com.

Der Schafhof: ehemaliges Klostergut,gehoben, rustikal, zehn Autominuten außerhalb, fernab von jeglicher Hektik. Hervorragende Restaurants, bestens bestückter Weinkeller. DZ ab 150 Euro, https://schafhof-amorbach.de

Essen und Trinken

Derzeit wird für das Lokal Gleis 1 ein neuer Pächter gesucht. Ab Ostern soll der Betrieb wieder aufgenommen werden, www.gleis1-amorbach.de.

Brauereigasthof Burkarth: Odenwald-Küche mit Kochkäseschnitzel oder Hirschgulasch. Eigenes Bier, große Terrasse, www.brauereigasthof-burkarth.de

Aktivitäten

Das Eisenbahnmuseum ist Mo.-Fr., 8-12 Uhr, geöffnet, Do. zusätzlich 14-18 Uhr, Eintritt frei, https://eisenbahnfreunde-westfrankenbahn.de

Zum Wandern, Radeln etc. bietet sich der Geo-Naturpark Bergstraße-Odenwald an, www.geo-naturpark.net

In der Nähe von Amorbach gibt es sechs Golfplätze, z. B. www.golf-sansenhof.de

Allgemeine Informationen

Stadt Amorbach, www.amorbach.de MÜG

Ich muss mal eben dahin

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Mal eben nach Ost-Berlin

Ich muss da was klärn mit eurem

Oberindianer

Ich bin ein Jodeltalent und will

da spieln mit ’ner Band . . .“

Dieses Lied kennt in Deutschland wohl jeder. Es war der 2. Februar 1983, als Udo Lindenbergs Schlager „Sonderzug nach Pankow“ veröffentlicht wurde, in dem er ziemlich lässig bei „Oberindianer“ Erich Honecker um eine Tournee in der DDR bat. Pankow wurde damals im Volksmund zum Synonym für den Regierungssitz der Sowjetischen Besatzungszone.

Ein gutes halbes Jahr später, am 25. Oktober 1983, fuhr Lindenberg tatsächlich nach Ostberlin zu seinem einzigen Konzert in der DDR - mit Hut und Brille, doch ohne Sonderzug: Er überquerte in Berlin den Übergang Invalidenstraße und wurde auf DDR-Seite von FDJ-Vertretern abgeholt, die ihn offiziell zu einem Friedenskonzert eingeladen hatten. Den „Sonderzug nach Pankow“ durfte er allerdings vor dem handverlesenen DDR-Jugend-Publikum nicht spielen, und eine Tournee blieb ihm auch verwehrt.

„Ich hab ’n Fläschen Cognac mit

und das schmeckt sehr lecker

Das schlürf ich dann ganz locker

mit dem Erich Honecker . . .“

Im Juni 1987 schickte Lindenberg Honecker als Geschenk keinen Cognac, aber eine Lederjacke. Der sendete seinerseits zum Dank eine Schalmei (ein Holzblasinstrument) an Udo. Drei Monate später trafen sich die beiden sogar bei einem Besuch Honeckers in Wuppertal, umringt von zahlreichen Schaulustigen, aber es blieb dabei: kein Sonderzug nach Pankow, keine DDR-Tournee.

„Und ich sag: Ey Honey ich sing

für wenig Money

Im Republik-Palast wenn ihr

mich lasst . . .“

Sie ließen ihn nur dieses einzige Mal. Doch irgendwann gab es dann doch einen echten „Sonderzug nach Pankow“. 2003 bemalte und beklebte Lindenberg eigenhändig eine Diesellok der Baureihe 218, die einen Zug zur zentralen Feier zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober von Berlin nach Magdeburg zog. Mit an Bord: gut 400 Gäste, darunter Nena, Ben Becker, Otto Sander, natürlich sein Panikorchester und viele Udo-Doubles.

„Honey ich glaub du bist doch

eigentlich auch ganz locker

Ich weiß tief in dir drin bist du

doch eigentlich auch ’n Rocker

Du ziehst dir doch heimlich auch

gerne mal die Lederjacke an

Und schließt dich ein auf’m Klo

und hörst West-Radio . . .“,

Das gab Udo auch 2003 in Magdeburg zum Besten. Honecker war da schon knapp zehn Jahre tot. Danach verschwand die Udo-Lindenberg-Lok mit der Nummer 218 212 aus dem Rampenlicht. Dabei tat die bemalte Diesellok mit ihren 2650 PS, 1973 von Krupp gebaut, noch ein paar Jahre ihren regulären Schienendienst für die Südostbayernbahn, ehe sie auf dem Abstellgleis in Mühldorf am Inn landete, um als kunterbunter Ersatzteilspender zu dienen.

Doch so armselig sollte das Ende der Udo-Lok nicht kommen. Für einen Euro retteten Eisenbahnfreunde Udos fahrendes Kunstwerk und brachten es nach Amorbach in Unterfranken. Dort steht die Lok auf Gleis 1 im Erlebnisbahnhof und ist das Highlight im Eisenbahnmuseum mit insgesamt 10 000 Exponaten. Angehängt sind ein TEE-Schlafwagen mit 27 Betten in verschiedenen Abteilen, in denen man übernachten kann, und ein ehemaliger Reichsbahn-Speisewagen aus der DDR, der zu Ehren der First Lady von Amorbach „Eilika – Fürstin zu Leiningen“ getauft wurde, in dem man speisen kann. So endet die Geschichte vom „Sonderzug nach Pankow“ und der Udo-Lindenberg-Kunstwerk-Lokomotive in der Barockstadt Amorbach.

„Honey kannst mich hören

jodelodeldido

Hallo Erich kannst mich hören

jodelodeldido.“

Gehört hat Honecker „den kleinen Udo“ zu Lebzeiten schon, aber verstanden hat der vergreiste Staatsratsvorsitzende, linientreue Kommunist und Diktator den lockeren Panik-Rocker nie.

Freier Autor

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