Tagesbesucher nehmen für ein schnelles Foto auf Miet-Dromedaren Platz. Gruppen posieren für Selfies. Halbwüchsige werben für Postkartenbüchlein und billige Halsketten. Wer den Blick auf das Schatzhaus der Felsenstadt Petra halbwegs ungestört genießen möchte, der muss einen steilen Hang hinaufklettern. Für einen Obolus kann man dann bei einem Softdrink von einer natürlichen Felsterrasse das wilde Treiben betrachten. Millionen Gäste kommen im Jahr - und alle wollen dieses Foto.
„Dabei gibt es in Petra viel mehr zu sehen“, sagt Mohammed Al Nadi. Immer wieder einmal führt er Wandergruppen durch das ausgedehnte Ruinenfeld im Bergland von Edom auf halbem Weg zwischen dem Golf von Akaba und dem Toten Meer. 800 Baudenkmale harren ihrer Besichtigung. Über einen Treppenweg und durch ein Felsengrab hindurch läuft der Guide zur sogenannten Königswand. Hier thronen 13 monumentale Anlagen aus der Zeit des Hellenismus, sämtlich in den tiefroten Sandstein gehauen. Das Palastgrab, fast 50 Meter breit, ist mit seinen vier Toren und 18 Säulen das größte. Womöglich wurde es dem Palast von Kaiser Nero in Rom nachempfunden. Drinnen changieren die Farben des Petra-Sandsteins von Tiefrot und Violett bis zu Weiß und Rot. Auch das Theater und der riesige Tempel zeigen, wie reich die Nabatäer von Petra als Karawanenhändler auf der Weihrauchstraße waren.
Über 800 Stufen geht es in der Mittagshitze weiter hinauf zum Hohen Opferplatz auf dem Jebel Attuf. Von hier oben sieht man erst, wie versteckt Petra gebaut wurde. Über Jahrhunderte blieb es in der Neuzeit praktisch vergessen. Eine zweite Wanderung führt am nächsten Tag durch das Wadi Kharaneeb zum abgelegenen Felsentempel Ad Deir, der für Tagestouristen von Kreuzfahrtschiffen bis heute unerreichbar ist. Wer indessen dem Geist der Karawanen nachspüren möchte, der muss raus in die Wüste. Im Wadi Rum südlich von Petra stapft Mohammed Al Nadi ohne Hut in sengender Sonne durch den ständig bewegten Sand zwischen den bizarr verwitterten Sandsteinwänden. Die Karawanen seien stets nahe der Berge gezogen, erklärt er. Ritzzeichen wiesen den Weg: Drei Dromedare bedeuten drei Tage bis Petra. Ein Wasserzeichen weist in die Gegenrichtung zum Roten Meer. Einzelne Beduinenstämme sorgten früher für die Sicherheit der Reisenden oder mussten die Blutrache fürchten. Noch heute teilen die Großfamilien der Zawaidis und der Zalabiahs das Hochtal unter sich auf, kutschieren Touristen herum, führen Reitkamele durch die Gegend oder verpflegen zahlende Gäste mit Tee und Picknicks unter schattigen Felsüberhängen. Nomadisch lebt hier niemand mehr. In Zelten schlafen nur noch Touristen. Neuerdings sind es bevorzugt halbrunde Kuppeln wie futuristische Weltraumstationen, seitdem Ridley Scott mit Matt Damon im Tal Außenaufnahmen für seinen Film „Der Marsianer“ von 2015 drehte. Anschließend entstanden Aufnahmen für „Star Wars“ und „Dune“.
Eine noch kuriosere Unterkunft hat Mohammad „Abu Ali“ Al-Malaheem auf dem Weg nach Norden im weitgehend verlassenen Dorf Al-Jayeh aufgestellt. Unterhalb der 900 Jahre alten Kreuzritterfeste Shobak wartet das laut Guinness-Buch der Rekorde kleinste Hotel der Welt auf Gäste. 613 Übernachtungen zählte der Hoteldirektor seit 2013.
Damals hatte der pensionierte Tourguide eine Matratze in seinem schrottreifen VW-Käfer ausgelegt. Seine Tochter steuerte bestickte Kissen bei. „Plötzlich wollten Besucher darin übernachten“, erzählt Abu Ali. So kam er auf die Idee, etwas Extrageld für das Studium seines Sohnes zu machen. Neben seiner Wohnhöhle baute er mit einem kleinen Kredit ein Bad, eine Küche und einen Souvenirshop. Inzwischen bietet der 68-Jährige sogar Halbpension an, für maximal zwei Gäste. Während das Tote Meer außerhalb seiner Luxus-Resorts kaum Aufenthaltsqualität bietet, überraschen die tief eingeschnittenen Täler an seinem Ostufer mit Schatten und spektakulären Formen. Mit seinen steilen, engen Felswänden in Rot- und Brauntönen macht das Wadi Numera den Slot-Canyons in Arizona mächtig Konkurrenz.
An einem kühlen Bachlauf entlang führt der Pfad immer weiter hinein, unter einem mächtigen, verkeilten Felsblock hindurch und über Eisentritte über einen bushohen Brocken hinweg. Man muss schon etwas klettern, wird dafür aber mit immer neuen Einblicken belohnt. Besonders faszinierend ist, wie das wenige Wasser das Tal ergrünen lässt, sobald sich die Felswände etwas weiten.
Jordanien
Anreise Royal Jordanian (www.rj.com) und Lufthansa (www.lh.com) fliegen ab Frankfurt nach Amman.
Unterkunft Aladdin Camp im Wadi Rum, Zeltzimmer mit Dusche/WC, Halbpension und Jeep-Transfer, DZ ab 130 Euro, www.aladdincamp.com
Dana Tower Hotel, einfaches Haus, teilweise Etagendusche, schöne Terrassen, DZ ab 45 Euro, www.dana-tower-hotel.com
Beetle-Hotel von Abu Ali, eine Nacht im VW-Käfer mit Halbpension für zwei kostet 67 Euro, Kontakt über Whatsapp: 0 09 62 / 7 77 85 36 17.
Veranstalter Die beschriebenen Orte sind Teil der Rundreise „Wandern durch Wüste und Wadis“. Gebeco bietet die elftägige Tour mit Unterkunft, Flug, Transfers und Halbpension ab 1995 Euro an, www.gebeco.de. Eine ähnliche Reise bietet auch Wikinger an: www.wikinger-reisen.de
Allgemeine Informationen https://de.visitjordan.com/ MW
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