Zweibeiner neigen ja gern dazu, Tieren menschliche Eigenschaften zu unterstellen und tun ihnen damit unrecht. Trotzdem: Man kommt nicht umhin zu denken, dass Keni die Aufmerksamkeit genießt, die ihm gerade zu Teil wird, ja dass er sich geradezu darin sonnt. Lässig, wie in Model auf dem Laufsteg, schreitet er aus dem Unterholz auf eine Lichtung im „Tigerwald“, dem größten Tiger-Gehege in Europa. Dann lässt er sich nur einen Steinwurf von seinen Bewunderern entfernt im Schatten eines Baums nieder. Er gähnt einmal herzhaft, so dass die Besucher des Safariparks sein furchterregendes Gebiss, seine schwarzen Lefzen und seine rosa Zunge sehen können. Dann rollt er sich auf den Rücken, wie Katzen es auf sandigem Untergrund gerne tun, und präsentiert dabei seine beeindruckenden Pranken. Keni ist ein Sibirischer Tiger, ein Prachtexemplar, und allein schon deshalb der neue Star im Knuthenborg Safaripark auf der süddänischen Insel Lolland.
Keni lernt nun die Natur kennen
Ein Star war Keni allerdings auch schon bevor er hier in Rente ging. Mehr als zehn Jahre lang tingelte er als einziger Tiger unter weiteren Raubtieren mit einem spanischen Zirkus von Stadt zu Stadt. Der Käfig zu klein, die Haltung weit entfernt von dem, was man artgerecht nennen würde. „Hier hat er es gut“, meint Anita Holm, die Leiterin der Tierabteilung im Knuthenborg Safaripark. „Er lebt jetzt ein Leben, das sich sehr von dem unterscheidet, was er vorher hatte – in der Natur, umgeben von Wald, sommers wie winters, bei Tag und bei Nacht.“ Das Gehege sei ganz bewusst so gestaltet worden, dass es dem natürlichen Lebensraum eines Sibirischen Tiger so weit wie möglich entspricht.
DÄNEMARK
Anreise: Mit dem Zug bis Puttgarden auf der Insel Fehmarn, www.bahn.de, weiter mit der Fähre nach Rødby), https://www.scandlines.de.
Unterkunft: Auf Lolland gibt es Hotels und Pensionen in allen Preisklassen. Die beliebtesten Unterkünfte sind aber Ferienhäuser, die man z. B. unter www.dancenter.de oder www.sonneundstrand.de buchen kann. Auch der Knuthenborg Safaripark bietet Unterkünfte an, so kostet eine Nacht im Luxuszelt inklusive Eintritt zum Park für bis zu sechs Personen rund 300 Euro, www.knuthenborg.dk/de
Aktivitäten: Knuthenborg Safaripark in Maribo. Öffnungszeiten: in der Hauptsaison täglich von 10 bis 18 Uhr, in der Nebensaison von 10 bis 17 Uhr. Eintritt: Erwachsene zahlen je nach Jahreszeit 24 bis 33 Euro, Kinder im Alter zwischen 3 und 11 Jahren zahlen 15 bis 22 Euro, www.knuthenborg.dk/de
Allgemeine Informationen: www.visitdenmark.com; www.visitlolland-falster.de CN
„Wilde Tiere, die lange Zeit in Gefangenschaft gelebt haben, können leider in der Regel nicht einfach wieder ausgewildert werden“, erklärt die Biologin. „Wir können ihnen ihre Freiheit nicht zurückgeben, aber wenigstens ein artgerechtes neues Zuhause“. 2020 startete der Knuthenborg Safaripark daher eine Zusammenarbeit mit der dänischen Tierschutzorganisation Dyrens Beskyttelse, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, verwaisten Zirkustieren einen „Alterswohnsitz“ zu ermöglichen. So entstand zunächst ein Elefantengehege für drei ehemaligen Zirkuselefanten. 2021 eröffnete der Tigerwald, der nach der kompletten Fertigstellung insgesamt 8 Hektar umfassen wird.
Der Knuthenborg Safaripark ist eines der bekanntesten Ausflugsziele auf Lolland. Er liegt etwas nördlich des Städtchens Maribo, wo man wunderbar in den Gassen spazieren gehen und sich in der Kleinstadtidylle verlieren kann. Doch die dänische Ostseeinsel bietet noch viel mehr: Lolland wurde früher auch „Laaland“ genannt, was mit „Wasserland“ übersetzt werden kann. Die Insel eignet sich also sehr gut für einen Badeurlaub – an einem der vielen Seen oder an der Ostseeküste. Gemeinsam haben alle Strände der Insel, dass sie weitläufig, feinsandig und flach abfallend sind, sodass sie sich besonders für Familien mit Kindern eignen. An vielen Stränden weht auch die blaue Flagge, die anzeigt, dass das Wasser hier besonders sauber ist.
Durch Baumwipfeln über den Tigerwald
Auch das Areal des Safariparks erstreckt sich bis direkt an die Ostsee. Am Ufer knabbern schottische Shetland-Ponys gemeinsam mit südamerikanischen Lamas und Alpakas am Strandhafer. Insgesamt leben im Safaripark mehr als 1000 Tiere auf rund 600 Hektar in freier Natur: Nashörner, Zebras, Giraffen, Wölfe, Affen und vieles mehr. Im „Mammutbaum-Wald“ stehen Repliken der bekanntesten Dinosaurier, die sich bewegen und Geräusche machen. Es ist fast wie im Film „Jurassic Park“. Besucher erkunden das Areal mit dem eigenen Auto oder mit dem Safaribus und – an den ungefährlichen Stellen – auch zu Fuß.
Durch den Tigerwald „streifen“ die Gäste über eine Art Baumwipfelpfad. Die mehrere hundert Meter lange Holzbrücke gewährt an verschiedenen Stellen Einblicke in das Gehege, das in vier etwa gleich große Areale geteilt wurde. „Tiger sind Einzelgänger“, erklärt Anita Holm. Uns war es auch wichtig, dass die Gehege groß genug sind, damit sich die Raubtiere sich auch vor den neugierigen Blicken der Besucher verbergen können, wenn sie das wollen.
Die Chancen, dass die Besucher zumindest Keni zu sehen bekommen, sei aber recht groß, meint Anita Horn. „Keni ist eine Diva, die ihr Publikum liebt“, fügt sie augenzwinkernd hinzu. Menschliche und tierische Stars – sie sind sich offenbar doch ähnlicher als man denkt!
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