Trie ho da re-i hul jo!

Je schmutziger, desto schöner: Wenn beim Alm-Jodl-Walk freudige Jauchzer ins Tal klingen, dann hat in Gastein der Yogafrühling begonnen.

Von 
Stefanie Bisping
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Auf der Yogaplattform Schlossalm lässt sich unter tiefblauem Himmel und bei klarster Fernsicht vieles vergessen. © Stefanie Bisping

Bänder und Becken müssen unverkrampft sein. Sind die Stimmbänder nicht locker, steigt der Jodler nicht klar und frei zum Himmel hinauf. Also: Einen tiefen Ton summen, mit den Händen leicht auf die Brust klopfen, den Ton schwingen lassen und dann - das ist jetzt nicht schwierig – laut lachen. Denn auch die Körpermitte muss schwingen.

„Wir brauchen ein lockeres Becken“, mahnt Jodlinstruktorin und Yogalehrerin Johma aus Linz, die mit vollem Namen Johanna Magdalena Haslinger heißt. Folgsam wippen alle in den Hüften; zum Glück ist das Tal menschenleer. Und: Ein Jodler dürfe nicht geschrien werden - das schade den Stimmbändern -, sondern müsse rufend aus dem Bauch kommen: „Je schmutziger, desto schöner.“

Salzburger Land

Anreise

Mit dem Zug über München und Salzburg nach Bad Gastein, www.bahn.de.

Unterkunft

In sehr großen Zimmern schläft man im gut ausgestatteten (großer Thermalwasser-Pool, Spa, Tennisplätze) Hotel Cesta Grand. Das Doppelzimmer mit Halbpension kostet hier ab 210 Euro, www.cesta-grand-hotel.com.

Im Hotel Rauscher und Paracelsus in Bad Hofgastein gibt es eine große Wellness-Landschaft. Das Doppelzimmer mit Halbpension kostet hier ab 120 Euro, www.hotel-rauscher.com.

Aktivitäten

Der Yogafrühling findet jedes Jahr statt und läuft noch bis zum 6. Juni. Zu allen Veranstaltungen (Preis ab 15 Euro, in einigen Fällen benötigt man außerdem eine Liftkarte) sollte man sich anmelden. Näheres: www.gastein.com/events/fruehling/yogafruehling.

Ohne Bad in Thermalwasser ist kein Besuch im Gasteiner Tal komplett. Die Alpentherme in Bad Hofgastein und die Felsentherme in Bad Gastein bieten diverse Becken, Thermalseen, Saunen und Rutschen.

Essen und Trinken

Jausen und köstlichen Kaiserschmarrn zu traumhafter Aussicht bis zum Großglockner bietet das Fulseck Gipflstadl. Die Hütte liegt auf 2033 Metern an der Bergstation der Gipfelbahn Fulseck in Dorfgastein.

Als kulinarische Souvenirs bieten sich Kräuteröl und -essig, Marmeladen, Räuchermischungen sowie Kräutertees und -salben an, die Kräuter- und Seminarbäuerin Heidi Huber vom Mühlhof in Bad Hofgastein herstellt. Bei ihr kann man auch Kochkurse mit Kräutern buchen (über Gastein Tourismus).

Allgemeine Auskünfte

Gasteinertal Tourismus GmbH, www.gastein.com. BIS

A und o bilden tiefe Töne, u und i schickt man in die Höhe. Text braucht es nicht, Konsonanten und Vokale dienen einzig dem Transport der Töne. Schon geht es los, locker aus Hüfte, Bauch und Kehle. „Trie ho do re-i du jo“, jodeln die sechs Deutschen und zwei Österreicherinnen, die an diesem Morgen zum Alm-Jodl-Walk die Gasteiner Alpenstraße nach Sportgastein am Rand des Nationalparks Hohe Tauern genommen haben.

Jodeln setze Glückshormone frei und verleihe Energie, hatte Johma versprochen. Sie muss es wissen, denn zu ihrer Vita gehören neben Yogaexpertise auch Gesangsunterricht, Studien samischer Gesänge und natürlich Jodelerfahrung. Umgekehrt lässt sich Glück durch Jodeln gut ventilieren. Sie selbst begann spontan mit dem Jodeln, als sie an einem perfekten Tag über Dorfgastein ins Tal blickte: „Die Emotion musste raus.“ Auch heute ist ein solcher Tag. Und so jubeln ihre Elevinnen bald freudig: „Trie ho da re-i hul jo!“ Neben ihnen plätschert munter ein Gebirgsbach, zartblau wölbt sich der Himmel - die Szenerie verlangt geradezu nach Kommentierung: „Jo-vi, Jo-vi - i diri i - jo-vi, jo-vi, i!“

Bald kann sich keine der Neujodlerinnen mehr vorstellen, einen Sonnentag stimmlos zu begrüßen – zumal einen in den Bergen.

Seit acht Jahren finden mit dem Yogaherbst im Oktober und dem Yogafrühling im Mai im Gasteiner Tal die womöglich größten offenen Yogaveranstaltungen Europas statt. Im Herbst ist das Programm meditationslastiger, um die Teilnehmer mental gestärkt in den Winter zu entlassen; im Frühling, der in den Bergen erst Ende Mai wirklich beginnt, ist es dynamischer. 400 Einheiten von Waldbaden über Hatha Yoga bis zu Meditation stehen zur Wahl, dazu Vorträge und Workshops. Die Schauplätze liegen auf Gipfeln, im Wald, im Kurpark und in Hotels. Zumeist aber stehen „Kraftplätze“ im Mittelpunkt.

Auf der Yogaplattform Schlossalm lässt sich unter tiefblauem Himmel und bei klarster Fernsicht vieles vergessen: die Erschöpfungen bei Dreieck und Sonnengruß ebenso wie der eisige Bergwind, der beim hinabschauenden Hund jäh unter die Oberbekleidung und den Rücken hinauffährt.

Lange vor dem Yoga lockten Gold- und Silberminen Fremde ins Gasteiner Tal - und Wasser. Die fünf Millionen Liter Wasser, die Tag für Tag aus 18 heißen Thermalquellen sprudeln, machten Bad Gastein früh zum gefragten Urlaubsziel. Die Mutter Mozarts verbrachte in Gastein 95 Stunden im Bad, um nach zwei Fehlgeburten Kinder bekommen zu können; später kurten hier so unterschiedliche Gäste wie Kaiserin Sisi, Kaiser Wilhelm I., Sir Arthur Conan Doyle sowie Thomas und Heinrich Mann.

Durch die Untätigkeit eines Investors, der früh im Jahrtausend fünf historische Bauten in Bad Gastein erwarb und verfallen ließ, hatte das Dorf zuletzt morbides Flair entwickelt. Endlich fand sich ein Investor, dessen Plänen auch Baukräne folgten. Sie sollen die Ruinen in gehobene Hotels verwandeln.

Yogafans ließen sich indes auch von maroder Bausubstanz nicht schrecken. Der Wasserfall, der neben dem verlassenen Hotel Badeschloss - einst die bevorzugte Adresse von Kaiser Wilhelm I. – durchs Dorf donnert und an dem Sisi oft nächtens stand, zählt zu den beliebten Yogaorten.

Bald schon begegnet man einander wieder; wer morgens jodelte, findet später auch den Weg zum Waldbad im Angertal. Dabei sollen die Teilnehmer auf 1200 Meter Höhe das Naturerlebnis intensivieren. Auch Johma ist dabei.

Zusammen mit Stefan Wildling, der im Tourismusbüro tätig ist und sich seit Längerem mit Waldbaden beschäftigt, leitet sie den Spaziergang. Um Höhenmeter oder Entfernung gehe es hier nicht, erklärt Stefan. „Entschleunigung, Ruhe, Langsamkeit – das alles haben wir verlernt“, sagt er. „Waldbaden ist ein Gegengift zum digitalisierten, stressigen Alltag.“

Mit allen Sinnen in den Wald einzutauchen, steigere sofort das Wohlbefinden. Neben einem Gebirgsbach führt er sein Grüppchen in den Wald. Sonnenstrahlen fallen durchs Blätterdach. Die Waldbadenden schließen die Augen und lauschen den Geräuschen der Natur. Sie schnuppern an Fichtenzweiglein und fassen Äste und Steine an. Johma flicht ein paar Atemübungen ein. Auf einer Lichtung heißt es Tuchfühlung aufnehmen mit dem Wald: Jeder sucht sich einen Baum, berührt ihn oder lehnt sich an den Stamm. Fast ist es einen Jodler wert.

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