Mannheim. „Matchball!“, ruft Trainer Christian Hökel auf dem Volleyballfeld im Mannheimer Osten. Der Ball schießt übers Netz. Die Menschen auf dem Feld hechten ihm nach. Fünfmal wechselt der Ball die Seite. Dann ist das Aufwärmspiel entschieden.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich das Training beim Sportverein MVD in Mannheim nicht von anderen Vereinen. Doch der MVD ist besonders: Es ist ein Sportverein für queere Menschen, also Personen, die sich als schwul, lesbisch, bisexuell, trans, nichtbinär oder in einer anderen Weise als Teil der queeren Community identifizieren.
Volleyballer gründen in den Neunzigern die "Mannemer Volley Dolls"
Angefangen hat alles mit sieben schwulen Männern, die zusammen Volleyball gespielt haben. In anderen Sportvereinen fühlten sie sich nicht willkommen, waren teilweise Diskriminierung ausgesetzt. Deshalb gründeten sie 1996 die „Mannemer Volley Dolls“, kurz MVD.
„Damals war das ein ziemlicher Hühnerhaufen“, sagt Trainer Hökel. Er stößt zwei Jahre nach der Gründung dazu. Seit 40 Jahren spielt er Volleyball, zunächst „in der normalen Heteroliga“, wie er sagt. Jetzt beim MVD. Hier fühlt er sich wohl.
Der Verein MVD
- Gegründet wurde der MVD 1996 als reiner Volleyballverein.
- Mittlerweile bietet der queere Sportverein in Mannheim 25 Trainingstermine in neun Abteilungen an
- Die Abteilungen sind: Fußball, Badminton, Tischtennis, Yoga/Selbstverteidigung, Workout & Gesundheit, Tanzen,Bouldern, Schwimmen, Rudern, Volleyball
- Das Programm und weitere Informationen zum Verein gibt es im Web unter www.mvd-mannheim.de
Nach der Gründung wächst der Verein schnell. In den folgenden Jahren kommen Schwimmen, Fußball, Badminton und weitere Sportarten dazu. Seit 2023 wird auch Bouldern angeboten.
Queere Menschen leiden in Sportvereinen unter Diskriminierung
In allen Kursen will der MVD einen vorurteilsfreien Raum für alle Mitglieder der LGBTQIA-Community bieten. „Es gibt immer noch Ausgrenzung in den Vereinen“, sagt Markus Kellmann, 1. Vorsitzender des Vereins. Dumme Sprüche, Angriffe und Beleidigungen gäbe es in Sportvereinen vor allem unter Männern immer noch - gerade im Fußball. „Ich komme aus dem Fußball. Da war vor zehn Jahren noch niemand geoutet“, sagt Kellmann.
Auch deshalb gibt es historisch betrachtet mehr Männer im Verein als Frauen. Wie das Geschlechterverhältnis im Verein aussieht, kann und will er aber nicht sagen. Denn das Geschlecht wird nicht abgefragt. So sollen sich Menschen egal welcher Geschlechtsidentität im Training wohlfühlen.
Auch Personen, die sich als trans oder nichtbinär identifizieren, sind willkommen. Trainiert wird gemeinsam. Es zählt lediglich das sportliche Leistungsniveau, also ob Personen eher gerade wieder anfangen oder schon zu den Fortgeschrittenen gehören. Freude und Spaß sollen im Vordergrund stehen, sagt Kellmann.
Schutzraum für queere Menschen auch nach über 25 Jahren noch nötig
Die haben queere Menschen in anderen Räumen oft nicht. Auch wenn in Mannheim immer mehr Regenbogenflaggen wehen und Menschen offen queer leben. „Ein Schutzraum für queere Menschen ist immer noch nötig“, sagt Kellmann.
Die breite Masse werde zwar toleranter. „Aber die Minderheit, die Hass verbreitet, wird immer größer“, sagt Kellmann. Er selbst hat sich Gedanken gemacht, ob er sich so deutlich sichtbar engagieren will. Es war eine bewusste Entscheidung. „Ein anderes Leben ist nicht lebenswert“, sagt er.
Der Schutzraum, den der Verein bietet, wird gut angenommen. "Wir merken, der Bedarf ist immer noch da", sagt Kellmann. Während andere Vereine schrumpfen, hat sich die Zahl der Mitglieder bei MVD in den fünf Jahren bis 2023 verdoppelt. 430 Mitglieder hatte der Verein im Oktober 2023.
Volleyball, Schwimmen, Bouldern: MVD bietet ein breites Programm
Mittlerweile heißt der Verein auch nicht mehr „Monnemer Volley Dolls“, sondern schlicht „MVD Sportverein - vereint zu sportlicher Vielfalt“. Über 25 Trainingseinheiten pro Woche gibt es an verschiedenen Standorten. Der MVD kooperiert mit anderen Sportvereinen, um Hallen oder Felder nutzen zu können. Insgesamt gibt es rund 1000 Veranstaltungen im Jahr. Jugendliche ab 16 Jahren können zum Training kommen. Das älteste Mitglied im Verein ist fast 80.
Wir haben bekennende Heterosexuelle unter uns
Übrigens: Auch die sexuelle Identität wird nicht abgefragt. „Wir haben bekennende Heterosexuelle unter uns“, sagt Kellmann scherzhaft. Viele neue Mitglieder würden einfach einen neuen Sportverein suchen und auf der Homepage gar nicht erkennen, dass es sich um einen queeren Verein handeln. „Manche kommen wieder, andere nicht“, erzählt Kellmann davon, was geschieht, wenn Menschen merken, um was für einen Verein es sich handelt.
Der Verein ist, wie jeder andere, ein sozialer Raum. „Wenn jemand neu in der Stadt ist, kann er zu uns kommen“, sagt Kellmann. Ob queer oder nicht, ist nicht wichtig. Nur tolerant müssen Menschen sein, die zum MVD kommen.
So ging es auch Thore. Er ist im Mai 2023 von Berlin nach Mannheim gezogen. Hier suchte er Anschluss. „Ich habe einfach nach einem Beachvolleyball-Verein gesucht“, sagt er. Beim MVD ist er fündig geworden, genießt die gute Atmosphäre beim Training und den Austausch im Verein. Anders als in anderen Vereinen ist dabei nicht wichtig, wen er liebt oder attraktiv findet.
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