„Ich liebe Auftragsarbeiten“, bekannte Eva Clemens in einem Gespräch mit unserer Redaktion. Gerade bei ihren Porträts ist oft ein Auftrag der Anlass. Meistens direkt, wie im Falle des bekannten Kunstsammlers Reinhold Würth, aber manchmal auch indirekt, wie zum Beispiel beim Porträt von Marcel Reich-Ranicki (1920-2013). Die Möglichkeit, den wohl bekanntesten Literaturkritiker der Republik persönlich kennenzulernen, ergab sich für sie im Rahmen eines Auftrags des Insel Verlags. Eva Clemens hatte für den von diesem Verlag herausgegebenen Gedichtband „Prometheus auf seinem Felsen“ von Ted Hughes einen Bilderzyklus geschaffen. Dadurch öffnete sich auch eine Tür zu Reich-Ranicki persönlich.
Intensive Gespräche mit Modellen
Ihre Modelle kennenzulernen, mit ihnen zu sprechen und sich in deren Inneres hineinzudenken, ist nicht nur der erste Schritt ihrer künstlerischen Recherche, sondern auch Bedingung. Dabei entstehen Zeichnungen. Skizzen sind es meist, die Gestik und Mimik erfassen. Momentaufnahmen, kombiniert mit den aus den intensiven Gesprächen gewonnenen Erkenntnissen.
Die Künstlerin
Die Malerin Eva Clemens lebt und arbeitet in Heidelberg. Geboren wurde sie in Landau. In einer Werkstatt an der südlichen Weinstraße absolvierte sie eine Ausbildung zur Keramikerin.
Sie studierte Freie Malerei und Grafik in Berlin und Leipzig und verbrachte auch einen Studienaufenthalt in Los Angeles.
Ausstellungen seit 2000: Goethe Museum, Frankfurt; Villa Streccius, Landau; Palais Hirsch, Schwetzingen; Grafik Triennale Lodz; Schloss Lunéville, Frankreich.
Bei dem jungen Mann aus Sizilien, an dessen Porträt Eva Clemens bei unserem Gespräch gerade arbeitete, verlief die Entwicklung ähnlich. „Er hat mir von seiner Kindheit in Sizilien erzählt, von seinem Elternhaus, bewachsen mit Blumen; von den Farben.“
Farben spielen in der Kunst von Eva Clemens eine tragende Rolle, nicht nur bei den Wassergärten und Stillleben, die man von ihr kennt, sondern vor allem bei den Porträts. So taucht der faltendurchzogene Gesichtsausdruck des Literaturkritikers aus dem Dunkel der tiefsten Gedankenwelt auf. Bei dem jungen Sizilianer sind es die blühenden, schimmernden Farben des Südens, die auf diese Weise den Humus bilden, aus dem eine Persönlichkeit herauswächst.
Die Verbindung von zauberhaft ästhetischen oder dramatisch wirkenden subtilen Farbkontrasten und skizzenhaft offenen Linien macht solche ungewöhnlichen Eindrücke möglich. Bisweilen sind auch unterschiedliche Techniken des Farbauftrags kombiniert, so dass eine haptische Oberfläche entsteht. Farbe und Linie ergänzen sich hier, sind einander nicht über- oder untergeordnet, sondern werden frei kombiniert.
Eines der besten Porträts von Eva Clemens wurde gerade verkauft. Es handelt sich hierbei um das des ehemaligen Heidelberger Ballettdirektors Hans Kresnik (1939-2019), das für dessen Heimatgemeinde Bleiburg in Kärnten erworben wurde. „In Berlin“, so erzählt Eva Clemens bei unserem Gespräch, „war ich von der Persönlichkeit dieses Ausnahmekünstlers sehr beeindruckt. Als ich im Jahr 1998 bei den Proben dabei sein durfte, wurde gerade am Stück Frida Kahlo gearbeitet, dessen Choreographie noch in Kresniks Heidelberger Zeit entstanden war.“
Dem Theater treu
Das Theater wurde für Eva Clemens, die damals noch bei Wolfgang Peuker (Kunsthochschule Berlin-Weißensee) Unterricht nahm, zu einem inspirierenden Forum. Auch in der Kurpfalz, wohin sie nach einem weiteren Ausbildungsaufenthalt in Leipzig (Ulrich Hachulla, Hochschule für Grafik und Buchkunst) zurückgekehrt war, blieb sie dem Theater treu. Im Jahr 2000 hatte sie in den Räumen des Mannheimer Nationaltheaters eine Ausstellung mit Arbeiten, die im Rahmen von Bruno Klimeks Inszenierung von Shakespeares Richard II. entstanden waren. Der König wurde bei diesem Stück von dem unvergesslichen Schauspieler Gerhard Piske (1954-2018) verkörpert.
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