Viernheim. Während seine Mitschülerinnen und Mitschüler in den Ferien Freunde treffen, feiern gehen oder einfach nur entspannen, investiert Thilo Lützel seine Zeit in sein eigenes Unternehmen. „Es ist ja schon bisschen ein anderer Schritt“, gibt der 19-Jährige aus Viernheim zu. Vergangenen Sommer gründete er mit 18 Jahren seine Agentur Fusion Media. Das Konzept: Videos für Gastronomiebetriebe drehen, sie in den sozialen Medien hochladen und den Restaurants so neue Kundschaft bringen.
Schon früh entdeckt Lützel seine Leidenschaft für das Filmen und Fotografieren, erzählt er im Gespräch. Als Jugendlicher fängt er an, für einen Autohändler in seiner Heimatstadt Viernheim kurze Clips zu drehen. Dann ereignet sich ein glücklicher Zufall: In der Schule begegnet er einer neuen Bekanntschaft. Die erstellt anfangs Videos für Juweliere, dann hauptsächlich für Restaurants.
Lützel steigt mit 17 Jahren in das Geschäft als Freelancer ein, produziert Filmaufnahmen für verschiedene Kunden und sammelt so Erfahrung und Arbeitsproben. Geld bekam er erstmal keins, höchstens ein gratis Essen. Dann hört der Bekannte auf. „Und ich fand es eigentlich relativ cool. Dann bin ich so hineingerutscht in die Selbstständigkeit“, erzählt der Schüler, der ein Gymnasium in Viernheim besucht. Im Juli vergangenen Jahres wird er 18 Jahre, Ende des Monats meldet er direkt ein Gewerbe an.
Der nächste Schritt: Kunden suchen. Lützel fährt nach Mannheim und fragt persönlich in den Restaurants und Cafés nach, ob sie jemanden brauchen, der ihnen beim Marketing hilft. Im Gegensatz zu anderen kleinen Unternehmen sind die Chefs oft vor Ort. Das spielt dem heute 19-Jährigen in die Karten. Damals hat Lützel auch noch kein Auto, deswegen beschränkt er sich auf Städte in der Nähe.
Es ist eine zeitaufwendige Methode, die sich aber lohnt: „Das hat auch tatsächlich geklappt, so habe ich damals meine ersten Kunden gewonnen.“ Heute ruft er bei den Betrieben an oder schreibt ihnen eine Nachricht auf Instagram. Mit der Zeit baut sich Lützel auch eine Stammkundschaft auf, die ihn weiterempfiehlt.
Viernheimer Schüler Thilo Lützel: Für die Selbstständigkeit brauche man Durchhaltevermögen
Immer wieder höre er von den Restaurantbetreibern, dass die wirtschaftliche Lage nicht gut sei. Es seien sogar mit die schwierigsten Jahre. Die Nachwirkungen von Corona und die damit zusammenhängende Wiederanhebung der Mehrwertsteuer würden die Wirte noch immer treffen. Auch die Inflation sorge dafür, dass immer weniger Leute essen gehen. Mit seinem Marketing-Konzept will Lützel den Gastronomiebetrieben helfen, wieder mehr Kundschaft zu bekommen.
Das macht Lützel Spaß: „Es ist gar nicht wie richtiges Arbeiten“, sagt er und lacht. Am meisten gefällt dem Viernheimer, dass er so viele Menschen kennenlernt und von ihnen lernen kann. Am Anfang sei er introvertiert gewesen, dann immer mehr aus sich herausgekommen. Ein eigenes Unternehmen aufzubauen, ist aber nicht immer einfach, gibt er zu. Seine Mitschülerinnen und Mitschüler hätten am Anfang belächelt, was er macht. Inzwischen seien sie eher interessiert: „Dann fragen sie: Was genau machst du da? Für wen machst du das?“ Seine Familie hat ihn hingegen von Anfang an unterstützt.
Auch Aufgaben, die mit der Selbstständigkeit einhergehen, musste Lützel lernen: „Ich habe mir zum Beispiel die steuerlichen Sachen beigebracht.“ Und auch die eigene Zeit frei einzuteilen, sei manchmal herausfordernd. Deshalb schreibt sich der 19-Jährige konsequent To-do-Listen.
Doch welche Aufgaben stehen auf den Listen? Wird Lützel von einem Kunden kontaktiert, sprechen die beiden Parteien mehrmals über die Strategie und die Wünsche. Dann überlegt sich Lützel Ideen: Entweder selbst oder er orientiert sich an aktuellen Trends in den sozialen Medien. Einmal im Monat besucht er den Kunden und es geht an das Drehen: Mit Kamera und Drohne produziert der Schüler durchschnittlich zehn Videos in etwa zwei Stunden.
Das Ziel vom jungen Unternehmer Thilo Lützel: Von der eigenen Marketing-Agentur leben können
Inzwischen betreut er Restaurants in Mannheim, Heidelberg, Frankfurt – und war vor kurzem beruflich auch in Hamburg. Über 20 Partnerschaften kann er bereits vorweisen. Um deutschlandweit arbeiten zu können, beauftragt er freie Videografen, die nach Lützels Skript arbeiten. Auch beim Schneiden der Videos hat er Hilfe von Freiberuflern. „Sonst wäre das zu viel“, sagt er. Seine Agentur produziere zurzeit etwa 100 Clips im Monat. Abends postet Lützel diese Videos dann auf den Instagram-, TikTok- und Facebook-Kanälen der Kunden. Auf den Aufnahmen sind dann die Gerichte zu sehen, oder Mitarbeitende, die etwas darüber erzählen.
Auch Fotos veröffentlicht der junge Unternehmer. Doch für Personen, die ein Restaurant noch nicht kennen, seien Videos in den sozialen Medien wichtiger, weshalb darauf sein Fokus liegt. Diese Aufgaben erledigt der 19-Jährige in Freistunden, nach der Schule, am Wochenende und in den Ferien. Neben Schule und Arbeit geht Lützel gerne ins Fitnessstudio – auch, um seine Disziplin zu steigern, sagt er. Die sei nämlich in der Selbstständigkeit besonders wichtig.
Nächstes Jahr schreibt Lützel Abitur. Das große Ziel ist es, seine Agentur danach hauptberuflich führen zu können. Dabei hilft ihm vor allem sein Durchhaltevermögen: „Ich bin stolz darauf, dass ich den Weg eingeschlagen habe, obwohl andere mich belächelt haben.“
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