Porträt

Zum zweiten Mal als Frau dabei: Mannheimerin beim 24-Stunden-Rennen

Die Mannheimerin Ilka Kaufmann startet zum vierten Mal beim 24-Stunden-Radrennen auf dem Nürburgring. Zum zweiten Mal tut sie das als Frau. Wie ihr der Sport in einer wichtigen Lebensphase half, erzählt sie im Gespräch.

Von 
Tanja Capuana
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Die 40-jährige Mannheimerin Ilka Kaufmann nimmt zum vierten Mal in einem Vierer-Team beim 24-Stunden-Radrennen auf dem Nürburgring teil. © Kaufmann

Nicht nur bei der Tour de France wird derzeit eifrig in die Pedale getreten: Nach einer pandemiebedingten zweijährigen Pause lockt das Event „Rad am Ring“ von heute an bis Sonntag wieder Radsportler auf den Nürburgring. Unter ihnen ist auch die Mannheimerin Ilka Kaufmann. Sie geht als Mitglied eines Vierer-Teams beim 24-Stunden-Rennen an den Start. „Ich bin schon total hibbelig und mitten in den Vorbereitungen“, sagt Kaufmann und lacht. Vor dem großen Ereignis hat sie gezielt trainiert, etwa auf dem Königstuhl, und auch Nachtfahrten unternommen. Rund 10 000 Sportler und Sportlerinnen nehmen am Rennen teil. „Es hat schon sehr viel Festivalatmosphäre.“

Möglichst viele Runden zu fahren ist der 40-Jährigen nicht nur aus sportlichem Ehrgeiz wichtig: Mit ihrer Teilnahme sammelt sie Spenden für das Charity-Team „Alfrid Fighter“. Dabei handelt es sich um das älteste Charity-Team am Nürburgring. Das sporne sie zusätzlich an. „Wenn man weiß, ich habe so und so viele Sponsoren, dann motiviert das eher noch einmal, am Sonntagmorgen doch noch eine Runde zu fahren.“ 160 000 Euro haben die Alfrid Fighter bereits an Spenden akquiriert. Das Geld geht dieses Jahr an den Verein Lavia, der sich für Familientrauerbegleitung einsetzt.

Dem anderen – oder keinem – Geschlecht zugeordnet

  • Transgender ist eine Bezeichnung für Personen, deren Geschlechtsidentität nicht oder nicht vollständig mit dem Geburtsgeschlecht übereinstimmt.
  • Es kann sich dabei auch um Menschen handeln, die eine binäre (Mädchen/Junge) Geschlechtszuordnung ablehnen.
  • Der Begriff setzt sich aus dem lateinischen trans („jenseits von, darüber hinaus“) und englisch gender („soziales Geschlecht“) zusammen.
  • Jährlich findet am 20. November der internationale „Gedenktag für die Opfer von Transphobie“ statt.
  • In Abgrenzung dazu wird auch von Transgeschlechtlichkeit, Transidentität und Trans gesprochen. gs

Eine Runde betrage 25 Kilometer, mit 550 Höhenmetern. „Das ist eine richtige Achterbahn. Man erreicht Geschwindigkeiten von 100 Stundenkilometer, wenn man ein bisschen schwerer ist, auch drüber.“ Zudem gebe es Steigungen von bis zu 16 Prozent an der hohen Acht. „Die erste Runde ist kein Problem, man ist aufgeregt und hat viel Adrenalin, aber die hohe Acht wird mit jeder Runde steiler“, sagt sie und lacht. Viel schlafen wird sie in diesen 24 Stunden wohl nicht. Im Viererteam gebe es aber dennoch Möglichkeiten, sich auf dem Feldbett in der Parzelle auszuruhen, wenn jemand anderes aus dem Team fahre. Auch die richtige Ernährung und viel Flüssigkeit seien wichtig.

Ausgleich zum Alltag ...

Radfahren spielte bereits in Kaufmanns Kindheit eine große Rolle, doch dann fuhr sie lange Zeit nicht mehr. „Ich hatte beruflich hauptsächlich sitzende Tätigkeiten“, sagt die 40-Jährige, die als EDV-Koordinatorin bei der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gastgewerbe arbeitet. „Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem ich mir gesagt habe, es muss irgendwas passieren.“ Sie suchte einen sportlichen Ausgleich - und besann sich aufs Fahrrad zurück. „Die Touren wurden immer länger“, sagt die gebürtige Neckarauerin. Am Wochenende sind Strecken von rund 100 Kilometern für sie Standard.

Das Rennradfieber packte Kaufmann vor zehn Jahren. „Eine Freundin von mir hatte in ihrer Garage ein altes Rennrad aus den 1980er Jahren“, erzählt sie und lacht. „Es hat für mich überhaupt nicht gepasst und war viel zu groß.“ Dennoch war Kaufmann begeistert. „Irgendwann habe ich mich in die Vereine getraut, und jetzt fahre ich unter anderem beim RSV Heidelberg im ambitionierten Hobbybereich“, sagt sie. Zudem ist sie im RSV Edingen-Neckarhausen aktiv. Der Radsport hat für Ilka Kaufmann jedoch eine weitaus größere Bedeutung als die damit verbundene körperliche Ertüchtigung. Kaufmann ist transgender, und beim Rennradfahren im Verein sei es so, dass zwischen den Geschlechtern kein Unterschied gemacht werde: „Es wird meistens in gemischten Gruppen gefahren. Es macht keinen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau neben einem fährt“, erzählt sie. „Da konnte ich, ohne dass es hinterfragt wurde, Beine rasieren, und es stand nicht das Geschlecht im Fokus.“

... und Ventil beim Coming-Out

Bei ihrem Coming-Out und während der Transition war das Radfahren ein wichtiges Ventil für sie. „In dem Moment, in dem ich mich aufs Rennrad setze, komme ich raus aus dem Alltag, bekomme den Kopf frei, genieße die Freiheit und kann einfach nur meinem liebsten Hobby nachgehen.“ Für sie sei das Radfahren in dieser Zeit in gewisser Hinsicht lebenswichtig gewesen, so die Beraterin für Transidentität und Intersexualität. „Das ist ein Stück weit ein safe space, ein sicherer Raum.“

Kaufmann liebt es, sich bei Radsportevents an verlängerten Wochenenden zu messen. So steht in diesem Jahr unter anderem noch der Schwarzwald Super Radmarathon an. An „Rad am Ring“ nimmt die Mannheimerin zum vierten Mal teil. „In den Jahren 2016/2017 ging ich noch als Rennradfahrer an den Start, 2018 als Fahrerin.“

Freie Autorin Kulturredaktion, Lokalredaktion, Wochenende. Schwerpunkte: Bunte Themen, Reisereportagen, Interviews, Musik (von elektronischer Tanzmusik bis Pop), Comedy und Musicals

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