Mannheim. Übrigens ...
.… scheine ich Menschen anzuziehen, die Hilfe oder einen Schwatz brauchen.
Ich bin gern da, wenn mich Leute in der Drogerie fragen, welche Haarfarbe ihnen stehen könnte. Höre auch zu, wenn im weiteren Verlauf über den mir unbekannten neuen Schwiegersohn gelästert wird. Ich erkläre auch in Supermärkten Inhaltsstoffe und helfe Lesebrillen-Vergessern und Nussallergikern, Zutatenlisten zu lesen.
Salzkaramell, Nutella & Co. – die süße Versuchung hinter mir
Letztens aber kam jemand mit einer schwierigen Bitte auf mich zu: Auf einem Festival lehnte sich der Betreiber aus dem Foodtruck hinter mir, vor dem ich stand (natürlich, mein Standard-Lieblingsplatz in der Nähe des Futters). Er sagte: „Ey, kannst du mal kurz auf meinen Foodtruck aufpassen?“ Ich erstarrte innerlich. Mein innerer Pawlowscher Hund bellte. Ich bekam Gewissensbisse – denn hinter mir waren Berge an Spezialitäten mit Salzkaramell und Nutella.
In meiner Fantasie nutzte ich schonungslos die Abwesenheit aus und grub mich durch die Waren. Doch das Engelchen auf meiner linken Schulter antwortete dem Herrn: „Ja, klar!“
Und genau dieses Engelchen ließ mich Sekunden später statisch künstlich lächelnd wie eine Weinhoheit vor dem Truck stehen. Selten hatte ich mich so fehl am Platz gefühlt. Das aber wirkte befremdlich auf (hungrige) Passanten. Ich grinste und grüßte alle vorbeilaufenden Hungrigen. Immer hoffend, dass keiner etwas von mir verlangte.
Zwischen Kundenfragen und peinlicher Unsicherheit
Als meine Freunde kamen und fragten, was ich hier so lange machte, sagte ich: „Ich bewache den Foodtruck.“ Gelächter. Der Inhaber musste auf die Toilette, erklärte ich ihnen. Und dachte mir: „Wie lange braucht er denn noch?“ Dann kamen auch noch Kunden … Ich wusste nicht, ob ich mit ihnen reden sollte, oder doch reinspringen und einfach bedienen. Aber das durfte ich ja nicht.
Die Gäste suchten mit ihren Blicken die Gegend ab. Wusste der Foodtruck-Chef, dass er die Falsche gefragt hat? Denn die Jungs wurden ungeduldig, schauten sich um – und trotteten von Dannen.
Als er endlich wieder kam, sagte ich, dass ich nicht alle Kundschaft halten konnte. Leider gab’s keine standesgerechte Bezahlung in Naturalien. Ich hatte also wohl versagt. Denn der Verkäufer lachte nur mild – und ich fragte mich schon, was wohl die nächste Bitte sein wird, die mich erwartet.
URL dieses Artikels:
https://www.schwetzinger-zeitung.de/leben_artikel,-ansichtssache-foodtruck-erlebnis-wie-ich-ploetzlich-zur-festival-verkaeuferin-wurde-_arid,2323080.html
Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Glosse „Übrigens“ Foodtruck-Erlebnis: Wie ich plötzlich zur Festival-Verkäuferin wurde
Eigentlich helfe ich gern im Alltag – beim Haarfarben-Kauf in der Drogerie oder beim Zutaten-Check im Supermarkt. Beim Festival kam alles anders: Ich sollte einen Foodtruck bewachen.