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Identität, wechsle dich

Übrigens kam's bei einer Feier zum interessanten Gespräch. Auf dem Weg ins Lokal sprach ich mit einer Bekannten. Im Small Talk hatte sie jede Menge Fragen an mich. Ich antworte stets artig.

Von 
Lea Seethaler
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Übrigens kam’s bei einer Feier zum interessanten Gespräch. Auf dem Weg ins Lokal sprach ich mit einer Bekannten. Im Small Talk hatte sie jede Menge Fragen an mich. Ich antworte stets artig. Sie fragt aber komisch, dachte ich mir dann. Stellte etwa die Frage, wie es zuhause ist. Ich wunderte mich. Zuhause ist eben zuhause, dachte ich. Und sagte „Gut, läuft.“ Im weiteren Verlauf wunderte ich mich mehr und mehr. Ich verfiel in ein Ja-Nein-Vielleicht-Hier-Könnte-Jeder-x-Beliebige-Satz-Stehen-Murmeln beim Antworten. Sie fragte plötzlich, ob mir der Bärlauch geschmeckt hat. Ich erinnerte mich, dass ich mal in Genuss eines Pesto, dessen Grundlage ihr Bärlauch war, kam. „Super, war lecker.“ Endlich erreichten wir den Restauranttisch. Ich setzte mich. In der großen Runde schaute sie mich plötzlich an. Fast schockiert. Vorwurfsvoll.

Sie sagte: „Willsch ned nebbe deim Mann sitze?“ und zeigte auf den Partner meiner Schwester. Ich sah verdutzt zu meiner Schwester und ihrem Partner, die gegenüber Platz genommen hatten. Dann allgemeines Gelächter. Ich klärte auf, wer ich bin, BEZIEHUNGsweise welcher Partner zu wem gehört. Nämlich keiner zu mir. Wieder Gelächter. Sie allerdings fand, ich habe mich im Small Talk in der falschen Identität gut geschlagen. Wollte sie doch nur wissen, wie’s zuhause ist, weil sie wenige Meter entfernt von meiner Schwester wohnt und sicher gehen wollte, dass dort alles gut ist. Zusätzlich hatte sie ihr kürzlich netterweise Bärlauch aus ihrem Garten vorbeigebracht. Jetzt erklärt sich alles! Die Verwechslung aber ließ indes weiter keinen kalt. Es wurde viel drüber geredet und gelacht.

Aber Gottseidank kam es nicht wie sonst zum Vergleichen von genetischen Merkmalen mütterlicher/väterlicher Linien. Bei der in der Verwandtschaft des Vaters alle „Ähnlichkeit mit Papa“ sehen – und man bei der mütterlichen Verwandtschaft komischerweise plötzlich „ganz die Mutter“ ist. Bei der „Wer von uns sieht jünger aus“-Diskussion aber stieg ich aus dem Gespräch aus. Vertiefte mich in meinen leckeren Salat mit Speck und fantasierte schon mal von meinem Pfannkuchen-Hauptgericht. Denn das stellt ganz sicher keine unangenehmen Fragen. 

Redaktion Redakteurin und Online-Koordinatorin der Mannheimer Lokalredaktion

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