Schwetzingen. „Entschuldigt die Unterbrechung, aber in so einem Moment möchte wohl niemand tanzen“, sagte Johannes Oerding unter zustimmendem Applaus. Gerade eben hatte er noch ein Lied für Besucherin Marianne singen wollen, als plötzlich alles schnell gehen musste: „Sanitäter? Ungefähr 15 Meter vor der Bühne wird nach Sanitätern gerufen. Sie kommen hier von der Seite, bitte öffnet ihnen schnell eine Gasse“, dirigierte Oerding während seines Konzerts bei Musik im Park Schwetzingen. Ein kurzer Schreckmoment, der exemplarisch für den Auftritt des Künstlers im Schlossgarten steht: Johannes Oerding ist rücksichtsvoll, nahbar und möchte den Besuchern des Konzerts mehr mitgeben, als nur die Erinnerung an seine Musik.
Was an den Tagen zuvor noch bunte Regencapes waren, die viele der Besucher zunächst umgebunden, später angezogen hatten, waren am Samstag runde Hüte, die auf den Köpfen vieler Fans tronten. Wenig überraschend trug auch Johannes Oerding seinen für ihn typischen Trilby, den bekam das Publikum am frühen Abend aber noch nicht zu sehen. Erst einmal gehörte die Bühne Charly Klauser, eine bunt gekleidete Popsängerin, die gerne zugab: „Viele kennen meine Songs nicht, das ist aber auch kein Problem, meine Aufgabe ist es ja heute, für Johannes ,einzuheizen‘.“ Und dafür hat sich die 32-Jährige eine interaktive Performance überlegt. Passend zu ihrem Song „Tür auf, Tür zu“, wolle sie etwas negatives singen, worauf das Publikum „Ohhh“ schreien solle. Dann würde sie die positive Wendung hinzufügen, die Besucher sollten „Jeyyy“ antworten – ein auflockerndes Angebot, das von tausenden wartenden Zuhörern gerne angenommen wurde.
Das bunt gemischte Publikum, ein Querschnitt durch alle gesellschaftlichen Gruppen, musste sich aber auch nach Klausers Auftritt noch etwas gedulden. In der Wartezeit wurde schon deutlich: Oerding weiß, wie er seine Gäste unterhalten kann. Zunächst erschien ein Videoclip, wie der Künstler im Auto verschiedene Rockklassiker laut und schräg trällerte – die Besucher lachten ausgiebig. Dann folgte auf den Leinwänden, die das Bühnenbild umrahmten, eine Ankündigung der „Kisscam“. Natürlich mit dem Hinweis, dass sich derjenige unauffällig ein Getränk holen solle, der mit seiner Begleitung nicht gesehen werden dürfe; eine humorvolle Anspielung auf den „Kisscam“-Skandal in den USA, wo ein Unternehmer öffentlichwirksam zurücktreten musste, nachdem er bei einem Konzert mit einer Mitarbeiterin im Arm auf der Leinwand erschien.
Musik im Park: Vor Johannes Oerding kommt die „Kisscam“
Vielleicht auch wegen des zuvorkommenden Hinweises, blieben peinliche Momente auf der „Kisscam“-Leinwand aus – dafür konnte das Publikum herzerwärmende Paare bejubeln, die sich liebevoll küssten.
Den ersten Song, den Oerdings Band anklingen ließ, bevor der Künstler selbst auf der Bühne war, kannten selbst die größten Fans nicht. „Wer bin ich“ sei nämlich noch nicht erschienen, verriet der 43-Jährige nachdem er die Besucher nach dem zweiten Lied „Kreise“ begrüßte. „Ihr hier vorne wart schon einmal da, alt seid ihr geworden.“ Oerding sei es wichtig, dass sich alle kennenlernen würden, „also schüttelt bitte mal euren Nachbarn die Hand und stellt euch vor“, forderte er die Menge auf, bevor er das Gleiche in den ersten Reihen praktizierte.
„So, jetzt habt ihr euch schonmal die Hand gegeben, nun können wir einen Schritt weiter gehen. Der nächste Song heißt ,Anfassen‘“, kündigte Oerding an – das Publikum lachte ausgelassen. Er wolle alle Lieblingslieder der Besucher spielen, „also natürlich nur, wenn sie von mir sind. Mark Forster gibt es heute Abend nicht.“
Immer wieder sprach Oerding während des Konzerts mit den Fans, so integrierte beispielsweise den ganzen Abend über die achtjährige Mia und den 70-jährigen Wolfgang, die stellvertretend für die Breite seines Publikums standen. In den Mittelpunkt rückte er auch seine Anekdoten, die humorvollen, zum Beispiel zum Lied „Nie wieder Alkohol“, aber auch die emotionalen, wie beim Song „Unter einem Hut“.
Joahnnes Oerding war vor 16 Jahren im Schlossgarten Schwetzingen
Als der Sänger dann mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) einen Song für Marianne schreiben und performen möchte, der um ihren Wohnort Eppelheim, um Lasagne und um Enkelkinder gehen sollte, wurde er von Rufen nach Sanitätern unterbrochen. „Ich mache erst weiter, wenn ich einen Daumen hoch sehe“, bewies der Künstler seine fürsorgliche Fannähe. Mariannes Song, den er dann doch kurz später spielen konnte, hieß „Lasagne mit Liebe“ – und war zweifellos der musikalische Tiefpunkt und der humoristische Höhepunkt des Abends.
„Als ich das letzte Mal hier war, vor 16 Jahren als Vorband von ,Ich + Ich‘, hätte ich nie gedacht, dass ihr alle mal wegen mir hierher kommt“, erinnerte sich Johannes Oerding in melancholischer Atmosphäre, bevor er den Song „Leuchtschrift“ spielt. Emotional blieb es auch bei dem Lied „Einszueinsgespräch“, das er für seinen Vater geschrieben hatte, der mittlerweile verstorben sei. „Schwetzingen, dass ihr die Stille in einem solchen Song aushaltet, macht euch zu einem fantastischen Publikum“, lobt der Sänger.
Oerding lebe seinen Traum, was nur wegen seiner Fans funktioniere: „Danke, dass ihr euch Tickets kauft, ich weiß die sind teuer geworden. Aber für uns Künstler ist das überlebenswichtig“, sagte der sichtlich emotional gewordene Oerding.
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