Zum Artikel „Sollten ungenehmigte Fotografien im Internet veröffentlicht werden dürfen?“ vom 3. November:
Zunächst muss man vorausschicken, dass sich der finanzielle Schaden, der den Reiss-Engelhorn-Museen („rem“) entstanden sein könnte, nur im marginalen Bereich bewegt. Dass die „rem“ als Eigenbetrieb der Stadt Mannheim dennoch mit Rückendeckung des Oberbürgermeisters gegen die gemeinnützige Einrichtung Wikipedia klagten, halte ich für ein Armutszeugnis – einen eindeutigen Fall von „Mannem hinne!“
Wikipedia ist ein durch Spenden finanziertes Projekt mit kostenlosem Online-Lexikon für jedermann. Dessen Inhalte entstehen durch Beiträge von ehrenamtlichen Text- und Bildautoren, die ihre Leistung zum Gemeinwohl in ihrer Freizeit erbringen. Gleiches gilt für das zentrale Bilderarchiv (Wikimedia Commons) aus dem sich die Inhaltsautoren und andere Interessenten kostenlos bedienen können. Seit 2015 klagt nun das „rem“ gegen Wikpedia/Wikimedia wegen 17 Scans von Repros bzw. Fotos von anderen Bildern des Museums aus der Zeit von 1660 bis 1900, deren Urheberrechte abgelaufen sind, darunter ein Porträt von Richard Wagner um 1862 als Repro.
Es geht im Prozess konkret um alte Bilder, bei denen zudem eine Aussicht auf gewinnreiche künftige Einnahmen eher nicht besteht. Dass ein US-Unternehmen evtl. ein Wagner-Repro verwendete, hätte sich international ohnehin mit deutschem Recht nicht verhindern lassen. Ein Museum hat Aufgaben bezogen auf Kultur und Bildung. Wikipedia nimmt vergleichbare Aufgaben wahr! Kultur gegen Kultur? Bildung gegen Bildung? Niemand war dazu gezwungen, Prozesse zu führen! Mannheim, vertreten durch das Museum, hat sich in dieser Angelegenheit meines Ermessens engstirnig und kleinkariert gezeigt, anstatt sich – der Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit bewusst – angemessen oder gar generös zu präsentieren, wie es viele andere Museen heutzutage tun.
Es hätte einer Stadt wie Mannheim, die sich sogar als Kulturhauptstadt beworben hat, gut angestanden, die Angelegenheit im Zweifelsfall mit nicht endgültig geklärter Rechtslage einfach auf sich beruhen zu lassen, anstatt den Klageweg zu beschreiten. Die veröffentlichten Stellungnahmen lassen ohnehin hohes Interesse des „rem“ an eigener Publicity durch bundesweites Aufsehen erahnen – eventuell der Hauptgrund, mit dem Klageweg vorzupreschen, den ja andere nicht gewählt haben?
Danke an Frau Annika Wind für ihr „Pro“ und ihre Argumente für eine zeitgemäße Auslegung der Aufgaben von Museen bzw. für die Verfügbarkeit von Bildern mit abgelaufenem Urheberrecht für die Allgemeinheit!
Info: Originalartikel unter http://bit.ly/2RXI0pB