Zum Artikel „Vermögen von Asylsuchenden: Kritik an Plänen des Landes“ (Online vom 11. Februar) wird uns geschrieben:
Will Grün-Schwarz wirklich Erbstücke zerstören und die Ärmsten enteignen oder doch lieber Einkommensmöglichkeiten schaffen?
In der Migrationspolitik wollen Konservative (in diesem Zusammenhang findet man diese übrigens in allen Parteien) immer gern „von Dänemark lernen“, wo es den Sozialdemokraten vermeintlich gelungen ist, das kleine Land mit restriktiven Migrationsgesetzen für Flüchtlinge unattraktiv zu machen. Die Idee der Konservativen: Wenn wir als Migrationsziel nur unattraktiv genug werden, dann kommen deutlich weniger Hilfesuchende und Glücksritter - unter denen ja vielleicht auch ein paar Betrüger und Gefährder sein könnten - nach Deutschland, und wenn genug europäische Staaten abschreckende Repressionspolitiken gegen Migranten und Geflüchtete einführen, dann bleiben diese Menschen vielleicht direkt auf der afrikanischen Seite des Mittelmeeres (wo sie dann zum Beispiel, wie jüngst in Libyen entdeckt, in anonymen Massengräbern verscharrt oder auf modernen Sklavenmärkten an den Höchstbietenden versteigert werden). Wenn Anja Bartel also darauf hinweist, dass sich Menschen nicht willkommen fühlen, wenn sie immer Angst haben müssen, dass man ihnen auch noch das letzte Hab und Gut nimmt, dann hat sie damit Recht - und genau das ist das Ziel. Dass man damit auch Menschen abschreckt, die in Deutschland lernen und arbeiten wollen und die sich hier einbringen wollen würden, das ist ein gesamtgesellschaftlicher Kollateralschaden, den die Wirtschaft, die sich ohnehin schon aufgrund der vielen Auflagen und des politischen Klimas schwer tut, internationale Fachkräfte zu rekrutieren, hinnehmen muss.
Ignoriert wird momentan beim Vergleich mit Dänemark ja oft, dass in Dänemark nicht die selben europäischen Richtlinien wie in den meisten EU-Staaten gelten: Das kleine Land zwischen Nord- und Ostsee hat in den 90ern auf Ausnahmeregeln bestanden. Schon rechtlich ist in vielen Punkten also eine Orientierung an dem Kleinstaat nicht möglich. Jedoch ist die Enteignung von Geflüchteten im Asylbewerberleistungsgesetz bereits vorgesehen: Um die Staatskasse zu entlasten, muss das Erbstück von der Uroma dann eben auch mal verscherbelt und eingeschmolzen werden. Das praktische dabei: Geflüchtete haben keine politische Lobby, keine kollektive Stimme und vor allem kein Wahlrecht. Grün-schwarz muss also nicht fürchten, durch diese Form der Enteignung Stimmen zu verlieren - wenn es dagegen um ethisch fragwürdig handelnde Superreiche oder etwa Wohnungskonzerne geht, dann schreckt man vor dem verfassungsmäßigen Recht der Vergesellschaftungsenteignung natürlich zurück: Denn Vonovia könnte ja, im Gegensatz zur Geflüchteten aus Afghanistan, Werbung für die Konkurrenz machen, oder einen kleinen Teil der Wuchermieten gar zum Sponsoring der politischen Konkurrenz verwenden. Die inhumane Banalität der Erkenntnis, dass es in dieser Republik erkennbar einfacher ist, die Ärmsten der Armen noch weiter zu enteignen als auch nur im Geringsten an das Vermögen der Reichsten der Reichen zu gehen, ist immer wieder faszinierend.
Mal ganz abgesehen davon, dass sich unter dem wenige Eigentum der Geflüchteten auch wichtige Kulturgüter befinden könnten, die nur durch die Flucht ihrer Eigentümer zum Beispiel vor der reaktionären Kulturrevolution der Taliban gerettet werden konnten und dass diese Kleinode eines Tages der letzte Rest greifbarer Geschichte dieses kulturell so reichen und finanziell so armen Landes sein könnten, könnte man eine Mitfinanzierung der Asylverfahren durch Geflüchtete auch viel humaner und produktiver erreichen, wenn man ihnen zügiger die Möglichkeit zu versteuertem und sozialversicherungspflichtigem Lohneinkommen böte. Statt den Ärmsten noch das Wenige zu nehmen, sollten wir uns in Europa zum Land der Möglichkeiten entwickeln - das täte der Wirtschaft und unserem gesellschaftlichen Gewissen gut. Und wenn man dann am Ende tatsächlich keine andere Möglichkeit sieht, dann sollten wir doch mit Enteignungen im Sinne des Grundgesetzes wirklich nicht bei denen anfangen, die ohnehin schon fast nichts haben, oder?
Florian Reck, Oftersheim
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