Leserbriefe Haben wir den Bogen überspannt?

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Gibt es nichts Wichtigeres? Da berichten Medien vom Regenbogen-Fahnenstreit im Reichstagszirkuszelt. Ein Spielplatz soll künftig Aktionsfläche heißen, was den Austausch Hunderter Schilder bedeutet. Man hört von Bestrebungen für eine Genderausgabe des Grundgesetzes und vieles mehr. Wie gut muss es eigentlich einem Land gehen, was sich mit solchen „Herausforderungen“ herumschlägt?

Für viele ist der (Regen-)Bogen schon lange überspannt. Dazu der ständige Panikmodus vom Weltuntergang, wie ihn nicht nur Grüne mit glühender Leidenschaft menetekeln. Ja, was zurzeit abgeht, wirkt manchmal schon mächtig bizarr. Richtig ist aber auch, dass wir im Umgang mit der Natur den Bogen schon lange überspannt haben. Schon vor 250 Jahren erkannte Alexander von Humboldt, dass alles mit allem zusammenhängt. Er prägte als erster den Begriff Klimawandel. Vor 50 Jahren warnte Hoimar von Ditfurth eindringlich vor den Folgen unseres exzessiven Ressourcenverbrauchs, speziell bei Kohle und Erdöl. Die Politik reagierte auf Warnungen meist mit Schnapsideen oder Luftnummern. Wie das „Umherschippern“ von „Miss Merkel mit dem Gespür für Schau“ vor dem Schnee von Grönland auf dem Schiff Smilla. Und wenn ich mir unsere entfesselte Zivilisation so betrachte, frage ich mich, ob wir eigentlich noch zu retten sind.

Die weltweit über 340 Übersee-Kreuzfahrtschiffe erfreuen sich großer Beliebtheit. Wer macht sich da Gedanken über das Schweröl, was im Maschinenraum verbrennt und die Luft verpestet? Durch eine Maschine, die vom Stapellauf bis zur Stilllegung, von Ausnahmen abgesehen, nicht mehr abgeschaltet wird. Ähnliches gilt für fast 5.000 Kriegsschiffe. Rund 55.000 Containerschiffe steuern die 60 größten Seehäfen dieser Welt an. Darunter Shanghai mit einer Umschlagskapazität von über 50 Millionen Containern im Jahr. In den Regalen der Discounter findet man Wein aus Australien, Knoblauch aus China oder Rindersteaks aus Südamerika von Weiden, wo einst Urwald die Landschaft prägte. Auch Avocados, deren Anbau dort zu ähnlich massiven Grundwasserproblemen führt, wie die Förderung von Lithium für Batterien von Smartphones und E-Autos. Schnittblumen werden täglich aus Afrika per Luftfracht in die Niederlande transportiert und von da verteilt. Bevor also Produkte in unseren Einkaufswagen landen, können diese über 50.000 Kilometer auf dem Buckel haben. Plantagen für Palmöl zerstören Urwälder, damit Schnäppchenjäger – mit Biokraftstoff betankten Autos – in Einkaufszentren fahren, um sich mit Ramsch einzudecken, den moderne Sklaven in baufälligen Hallen in Pakistan, Indien und sogar in der EU für Hungerlöhne zusammenschustern. Unsere „Geiz ist geil“-Mentalität erreicht auch den letzten Winkel auf unserem Planeten, bis hinauf zum Mount Everest, wo Öko-Expeditionen Tonnen von Unrat herunterschleppen, den im Sinnesrausch und Kletterstau steckende Abenteurer dort hinterlassen haben. Unsere „Technosphäre“ (Gebäude, Straßen, Maschinen und so weiter) wiegt mehr, als alle Pflanzen und Tiere zusammen. Allein die chinesische Stadt Chongqing ist mit über 82.000 Quadratkilometern die flächenmäßig größte Stadt der Welt und somit so groß wie ganz Österreich. Durch Raubbau dringen wir immer tiefer in Naturbereiche vor und wundern uns dann, wenn wir wie aus dem Nichts von Epidemien oder anderen Katastrophen heimgesucht werden.

Ob der „Homo Capitalensis“ seine Gier zügelt? Ich hab meine Zweifel. Aber unser Planet ist nicht unser Eigentum, an dem wir uns nach Belieben bedienen können, denn er gehört allen Geschöpfen, die auf ihm leben und die auch in Zukunft noch auf ihm leben wollen.

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Herbert Semsch,
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Brühl
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