Populär werden kann man in Deutschland mit Rentenkürzungsvorschlägen. Carsten Linnemann, zum Beispiel, hat bei Caren Miosga auf die Frage, wer in Deutschland zu wenig arbeitet, geantwortet: die Rentner. Mit diesem einen Wort hat er seine Popularität um einiges gesteigert. Sein Anliegen ist, wie er im Interview mit der Schwetzinger Zeitung betont, von der AfD Wähler zurückzugewinnen. Das wird er mit solch einer Rentnerschelte nicht schaffen. Der Ökonom Marcel Fratzscher fällt ebenfalls mit Rentenkürzungsvorschlägen auf. Die reichen Rentner sollen einen Boomer-Soli zahlen. Ihm ist wohl entgangen, dass inzwischen die besser gestellten Rentner Einkommensteuer zahlen. Für 2024 sind es 50 Milliarden Steuereinnahmen von Rentnern. Dann noch einen Soli? Umverteilen zu Gunsten armer Rentner kann man auch über den Steuertopf. Von Fratzscher kommt auch der Vorschlag, Rentner sollen ein soziales Jahr leisten. Das finden wir witzig. In unserem Rentnerbekanntenkreis sind fast alle sozial aktiv. Enkel und Pflegebedürftige betreuen, Ehrenamt und so weiter, und das nicht nur für ein Jahr. Was will Fratzscher? Populär werden, seinen eigenen Bekanntheitsgrad erhöhen? Das steigert das Honorar bei Einladungen zu Vorträgen.
Die Wirtschaftsweisen Veronika Grimm und Monika Schnitzer glänzen ebenfalls mit Kürzungsvorschlägen. Die Mütterrente, also der Ausgleich für Kindererziehungszeiten, sollen Renten versicherungsfremde Leistungen sein. Die Streichung würde dem Staat rund 20 Milliarden Euro bringen. Sollen Mütter mit Kindern, gegenüber unterbrechungsfrei gut verdienenden kinderlosen Frauen und Männern, keinen gerechten Rentenausgleich mehr bekommen? Monika Schnitzer steht zudem für Rente mit 70 und bei Rentenanpassungen will sie nur noch einen Inflationsausgleich gewähren. Insider wissen, das würde das Rentenniveau ganz schnell unter die 40-Prozent-Marke absenken. Ein Ziel, das an Raubtierkapitalismus erinnert und mit Sozialstaat nichts mehr zu tun hat. Die junge Generation wäre eine betrogene Generation. Michael Bröcker, Politikjournalist, sieht den Bundeshaushalt durch den steigenden Zuschuss an die Rentenkasse gefährdet. Alle wissen, der Zuschuss ist seit Jahren relativ stabil und steigt nur in Höhe der Rentenanpassungen. Real betrachtet, ohne Anpassungen gerechnet, geht er sogar leicht zurück, was mit den Transferzahlungen nach Ostdeutschland zu tun hat. Bei jeder Gelegenheit wiederholen die genannten Personen ihre Forderungen in den Medien. Sie erwarten den Niedergang der deutschen Wirtschaft durch die heutige Rentengesetzgebung. Wir sehen das nicht, die Beitragssätze sind stabil, der Bundesanteil seit Jahren stabil, die Beschäftigungszahlen stabil, die Bevölkerungszahl ist sogar um drei Millionen gestiegen. Wir denken, die Probleme Deutschlands liegen bei Gesundheit und Pflege und nicht bei der Rente. Anstelle eines Boomer-Solis sollte ein Gesundheits- und Pflege-Soli eingeführt werden, für alle Einkommen über der Beitragsbemessungsgrenze. Seine Popularität steigern mit markigen Kürzungsvorschlägen zum Rentensystem ist ein positiver Effekt für einzelne Akteure, der andere Effekt ist, dass immer mehr Bürger aus Protest AfD wählen.
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