Zu Demos gegen Rechts heißt es hier:
Lessing, der große Aufklärer des 18. Jahrhunderts, stellte in seinem philosophischen Hauptwerk „Die Erziehung des Menschengeschlechts“ fest, dass es Wahrheit nur in der Mehrzahl gäbe. Nathans Parabel mit den drei Ringen für religiösen Pluralismus war zumindest zu meiner Schulzeit Lehrstoff. Lessing glaubte an eine Zukunft, in der die Menschen sich zu Vernunft und Toleranz bekehren. Zwei Jahrhunderte später schrieb die jüdische Philosophin Hannah Arendt in ihrem „Brief an die Freunde“ ähnlich: „Wahrheit gibt es nur zu zweien.“ Sie konnte sogar ihrem Lehrer und Mentor, dem durch Mitläufertum im Nazireich kompromittierten Philosophen Heidegger, verzeihen.
Heutige Verhältnisse sehen nicht danach aus, als hätte sich Lessings Vision erfüllt. Die Erziehung des Menschengeschlechts wird wieder mal durch Wahrheitsabsolutismus versucht: mit Geschichtsrevision und Umwertung aller Werte. Betrieben durch eine Art Volksfront mit Brandmauer als „antifaschistischer Schutzwall“ und einem „Demokratischen Block“, der in der DDR mal „Blockflöten“ hieß.
Eifrig geschwungen wird dabei die alte Nazikeule, ziemlich abgenutzt zwar, aber aus der Mottenkiste der Altsozialisten immer wieder gerne hervorgeholt. Der Zug der Lemminge von Linken bis CDU-Merkelianern hat offenbar kein Problem damit, zusammen mit Extremisten und Antifa-Leuten auf die Straßen zu gehen. Deutschlandfahnen mit den Freiheitsfarben seit 1832 (Hambacher Fest) werden von Veranstaltern verboten, man sieht sie nirgendwo.
Parolen auf Pappschildern reichen von Hass und Hetze bis zu Mordaufrufen am politischen Gegner. Man sieht und staunt, wie eine Fixierung auf den untergegangenen Nationalsozialismus als Leichengift bis heute nachwirkt: Die braunen Untoten machen eine erstaunliche Karriere als Helfer gegen „Rechts“. Gegen Überlegungen zur Remigration von ein paar Rechten, die im Koalitionsvertrag der Ampel als „Rückführungsoffensive“ vereinbart und von Scholz und Habeck gefordert wurden, siehe „Spiegel“ Nummer 42/23 „Der eiserne Olaf“. Das verstehe nun, wer will. Der Journalist Harald Martenstein beschreibt die Szene so: „Demonstranten fordern, ,rechts’ solle verschwinden. Danach bleibt logischerweise nur links-grün übrig. Sie verlangen somit das Ende der Demokratie!“ Den meisten ist das wohl nicht klar, es ist aber der aktuelle Stand der Demonstrationskultur im Land: Gegen Linksradikalismus und Islamismus demonstriert niemand. Gegen Antisemitismus und Israelhass auch nur wenige.
Wobei die Anhänger der Willkommenskultur das „nie wieder“ durch den Import von Israelfeinden entwertet haben. Gegen die Jahrhunderte alte demokratische Praxis mit Fraktionen von rechts bis links aber demonstrieren viele eifernde Geister. Politische Gegner werden zu Feinden erklärt, beharrlich dämonisiert und sollen vors Inquisitionsgericht der Demokraten gezerrt werden. Vielfaltskult für Ethnien ja bitte, aber nicht für Parteien.
Der gängige, aber falsche Vergleich mit vorgestern zeigt, dass jemand im Geschichtsunterricht entweder nichts verstanden hat oder Märchen erzählen will. Geschichte wiederholt sich nicht, aber man tut so als ob. Wähler wenden sich ab, weil Parteien ihren Auftrag nicht erfüllen und sich noch als Volkserzieher aufführen. Die Verhältnisse sind nicht so, wie sie sein sollen, das wusste schon Brecht. Lessings Zukunftsoptimismus können wir heute angesichts solcher Kampagnen kaumnoch teilen. Jeder sage, was ihm als Wahrheit dünkt, das war das liberale Anliegen des aufgeklärten Pädagogen. Wahrscheinlich die einzige Sicherung gegen den Rückfall in eine autokratische politische Monokultur.
Winfried Wolf, Plankstadt
Schwetzinger Zeitung Plus-Artikel Kommentar Merkels Schuld