Auszeichnung - Reilinger Dr. Christian Schaaf erhält bedeutenden Genetiker-Preis "Bowes Award" der Harvard-Universität in Boston

"Das ähnelt einem Detektivspiel"

Von 
Vanessa Schäfer
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Beim Festbankett anlässlich der Verleihung des "Bowes Award" der Harvard-Universität hielt Preisträger Dr. Christian Schaaf (r.) vor den 130 geladenen Gästen einen Vortrag zum Thema "Genetische Ursachen neuropsychiatrischer Krankheiten".

© Privat

Reilingen/Houston. "Es war ein tolles Gefühl, so eine bedeutsame Auszeichnung zu erhalten. Zugleich war es aber auch mit der Frage verbunden, ob man das denn wirklich verdient." In den Worten von Dr. Christian Schaaf liegt eine bodenständige Bescheidenheit. Dabei hat der aus Reilingen stammende Arzt und Wissenschaftler gerade erst von der Harvard-Universität in Boston den "Bowes Award" überreicht bekommen, ein Preis, der als die höchste Auszeichnung für junge Genetiker in den USA gilt.

Der heute mit seiner Frau Kathrin und seinen beiden Söhnen in Houston lebende 35-Jährige war gerade zu Besuch bei seinen Eltern in Reilingen, als ihn der Anruf der Auswahlkommission aus Boston erreichte. Seine wissenschaftlichen Errungenschaften auf dem Gebiet der Erforschung neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen, insbesondere im Bereich Autismus, haben die Kommission überzeugt. "Wir haben einige genetische Veränderungen erforscht, die Risikofaktoren für geistige Behinderung und Autismus darstellen", erzählt Schaaf. Dabei nutze er die neuesten Technologien, die es möglich machen, den gesamten genetischen Code der betroffenen Patienten zu lesen und mit dem Referenzgenom zu vergleichen. "Das ist wie Korrekturlesen auf Rechtschreibfehler", veranschaulicht der Humangenetiker.

Autismus sei zwar weitestgehend genetisch verursacht, was allerdings nicht mit "vererbt" gleichzusetzen sei, hebt Schaaf hervor, denn meist sei das betroffene Kind das einzige Familienmitglied mit Autismus: "Die Veränderung ist also entstanden, als der genetische Code für das Spermium im Vater oder für die Eizelle in der Mutter abgeschrieben wurde - ein ,Rechtschreibfehler' mit gravierenden Folgen." In anderen Fällen, vor allem bei hochbegabten autistischen Kindern, konnte Schaaf mit seinem Team nachweisen, dass kleine genetische Veränderungen, die an sich nicht ausreichen, um Autismus auszulösen, sich ansammeln und irgendwann die Waagschale so sehr belasten, dass sie in Richtung Autismus ausschlagen.

Festbankett im Kreis der Familie

Diese Forschungsergebnisse können in der Wissenschaft eine wichtige Bedeutung einnehmen. "Die große Hoffnung ist, dieses Wissen in neue Therapieansätze umzuwandeln", erläutert der Professor, der das Festbankett an der Harvard-Universität im Kreise seiner Familie - auch seiner Eltern aus Reilingen - verbrachte: "Denn ich sehe den Preis nicht nur als eine Auszeichnung an mich, sondern an alle, die mich über die Jahre unterstützt haben."

Die Ursache dafür, dass Schaaf heute als Arzt und Wissenschaftler arbeitet, liegt in seiner Jugend. Bereits in der zehnten Klasse am Gauß-Gymnasium war er vom Biologieunterricht so angetan, dass seine Berufswahl schnell klar war. "Lange Zeit wollte ich Kinderarzt werden", gesteht er gegenüber unserer Zeitung. Doch die komplizierten, ungelösten Fälle in der Kinderheilkunde haben ihn mehr gereizt als Husten, Schnupfen und Heiserkeit. Das Suchen nach den Ursachen für humangenetische Krankheiten vergleicht der Familienvater mit einem Detektivspiel. Dass Schaaf letztendlich nach seinem Medizinstudium in Heidelberg in den USA sesshaft geworden ist, geht auf Schaafs viermonatigen Aufenthalt in Houston im letzten Studienjahr zurück, bei dem man ihm eine Stelle angeboten hat.

Trotzdem kommt der Genetiker einmal im Jahr in seine Heimat zurück. "Wenn wir vom Frankfurter Flughafen nach Hause fahren, in Walldorf von der Autobahn kommen und dann die Spargelfelder, die beiden Kirchtürme und den Burgweg sehen, überkommt mich immer ein wohliges Gefühl", schwärmt der Preisträger, der seine Wurzeln trotz seines Erfolges nicht vergessen hat.

Zur Person

Dr. Christian Schaaf ist 35 Jahre alt, stammt aus Reilingen und lebt heute mit seiner Familie in Houston (USA). 1997 absolvierte er sein Abitur am Gauß-Gymnasium in Hockenheim.

Nach dem Zivildienst als Rettungshelfer beim Roten Kreuz studierte er von 1998 bis 2005 Medizin an der Universität Heidelberg mit Auslandsaufenthalten in Wien, Toronto, New York, Hobart und Houston.

2005 promovierte Schaaf an der Uni Heidelberg im Bereich Humangenetik.

Von 2006 bis 2010 arbeitete er als Assistenzarzt in den Bereichen Innere Medizin, Kinderheilkunde und Humangenetik am Baylor College of Medicine in Houston.

Seit 2010 arbeitet er dort als Juniorprofessor für Humangenetik. vs

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