Turnen

Die großen Träume des kleinen Bruders von Elisabeth Seitz

Eine komplizierte Verletzung hätte Gabriel Eichhorns Ziele als Turner fast schon früh unerreichbar werden lassen. Doch der 17-jährige Altlußheimer kämpfte sich durch und eifert nun mehr denn je seiner großen Schwester nach.

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Jörg Runde
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Fokussiert und mit großen Zielen: Nachwuchsturner Gabriel Eichhorn – hier noch im September 2021 im Trikot der TSG Backnang. © imago

Mannheim. Eine Tkatschow-Grätsche nach der anderen zaubert Gabriel Eichhorn im Olympiastützpunkt Stuttgart über die Reckstange. Auch der Kreuzhang an den Ringen sieht spielerisch leicht aus. Kaum zu glauben, dass der 17-jährige Junioren-Vizemeister und Bundesligaturner der TG Saar vor fünf Jahren gesagt bekam, dass er nie wieder Leistungssport betreiben könne.

„Für mich ist damals eine Welt zusammengebrochen“, sagt er im Gespräch in der väterlichen Wohnung in Altlußheim. Eine Welt, auf die er sich erst kurz zuvor mit Haut und Haaren eingelassen hatte. Im Alter von zwölf Jahren traf Eichhorn gemeinsam mit seinen Eltern die Entscheidung, das Zuhause zu verlassen und dorthin zu ziehen, wo seine sportlichen Fähigkeiten optimal gefördert werden: Ins Internat nach Stuttgart, wo er die Eliteschule des Sports besuchte und am Olympiastützpunkt trainierte.

Ärzte wollten lange nicht operieren

„Ich war gerade dabei, mich richtig einzuleben, als es in einem Wettkampf passierte“, erinnert sich Eichhorn. Beim Sprung setzte er bei einem Zwischenelement so unglücklich auf, dass im Radiusköpfchen des Ellenbogens ein Stück Knochen abbrach und der Gelenkknorpel massiv beschädigt wurde.

Da die Verletzung sehr selten auftritt, wurde sie lange Zeit nicht erkannt. Und als die Diagnose stand, wollte kein Arzt operieren, weil Eichhorn noch zu jung für so einen Eingriff war. „Ich war wirklich total fertig in dieser Zeit“, schildert er heute im Rückblick. Eichhorn flog aus dem Leistungskader und verließ auch das Sportinternat. Seine Karriere als Leistungsturner stand schon wieder vor dem Ende.

Schwester rät, aufzuhören

Aus lauter Verzweiflung probierte sich Eichhorn im Wasserspringen. Dass er gleich bei seinem ersten Wettkampf Dritter bei den badischen Jugendmeisterschaften wurde, war ihm aber kein Trost. „Ich wollte turnen. Das war schon immer meine große Leidenschaft.“

Eichhorns Lage schien aussichtslos. Selbst seine Schwester, Europameisterin Elisabeth Seitz, riet ihm, zu akzeptieren, dass der Traum von der Sportlerkarriere vorbei war: „Ich habe selbst einige Verletzungen durchgemacht, aber Gabriels Verletzung war wirklich schlimm“, sagt die gebürtige Heidelbergerin, die einst für die TG Mannheim turnte. „Umso größer ist mein Respekt dafür, wie er sich da rausgekämpft hat.“

Junges Alter wohl der entscheidende Vorteil

Eichhorn ließ einfach nicht locker. Und mit dem Ellenbogen-Spezialisten Boris Hollinger fand er einen Orthopäden, der seine Verletzung operierte. Obwohl auch der Mediziner aus Markgröningen seinem Patienten trotz des erfolgreichen Eingriffs wenig Hoffnung auf Leistungssport machte, blieb der stets optimistisch.

Natürlich weiß auch Eichhorn um die enormen Kräfte, die bei vielen Turnübungen auf das empfindliche Ellenbogengelenk einwirken. Er habe aber immer an seinen Körper geglaubt, sagt er. Tatsächlich gestaltete sich der Heilungsprozess so gut, dass er heute nichts mehr spürt und keinen Gedanken mehr an die Verletzung verschwendet. Vermutlich war es sein junges Alter, das beim Verwachsen des geschädigten Knorpels im Ellenbogen half.

"Ich erlebe Gabriel sehr fokussiert"

„Die Gewissheit, eine riesige Hürde bereits in jungen Jahren gemeistert zu haben, hilft mir heute auf dem Weg nach oben“, so Eichhorn.

Sein Ehrgeiz, große Ziele zu erreichen, sei durch die Verletzungserfahrung noch größer geworden, sagt Vater Maik Eichhorn: „Ich erlebe Gabriel sehr fokussiert - dabei aber immer mit einem Lächeln und viel Spaß.“ Auch Seitz, die sich als größter Fan ihres kleinen Bruders bezeichnet, bestätigt das: „Sein Optimismus ist ansteckend. Was er bisher geschafft hat, hat er alleine mit seiner Motivation und seiner Willenskraft erreicht.“

Großes Ziel: Olympiasieger

Sein Wille sei in der Tat sehr ausgeprägt, sagt Eichhorn. Der Traum von großen Wettkämpfen, wie sie seine Schwester erlebt hat, war für ihn in der zweijährigen Verletzungspause eine große Hilfe auf dem Weg zurück. „Ich habe meine Schwester so oft bei den großen Events gesehen. Das wollte und will ich unbedingt auch schaffen.“

Und mehr noch. Offen spricht Eichhorn davon, einmal Olympiasieger werden zu wollen. Angesichts der Klarheit, die er dabei ausstrahlt, scheint ihm das fast schon jetzt zuzutrauen zu sein.

Abitur in Mannheim anvisiert

Die Ausgangslage könnte aktuell kaum besser sein. „Ich bin mir meiner Chance bewusst, weiß aber auch, dass alles ganz schnell vorbei sein kann“, sagt Eichhorn, dem es umso wichtiger ist, einen guten Schulabschluss in der Tasche zu haben. Im Sommer macht der 17-Jährige sein Abitur an der Mannheimer Merkur-Akademie. „Wenn ich das Abi in der Tasche habe, konzentriere ich mich voll aufs Turnen.“

Sollte alles gut gehen und er im Nachwuchskader des Deutschen Turner-Bunds bleiben, will er das in Sportfördergruppe der Bundeswehr machen. „So wie meine Schwester“, sagt er lächelnd: „Das sind doch gute Voraussetzungen.“

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