Altlußheim. Ein grünes Damenrad der Marke „Rixe“, mit zwei Körben, Bremse und Licht kaputt, ist im Angebot. Ein schwarzes 7-Gang-Fahrrad der „Bike Manufaktur“ steht zum Verkauf. Ein hellblaues Herrenrad der Marke „Turmberg“, Bremsen und Gangschaltung in Ordnung, Reifen platt, ist zu haben. Im Bauhof in der Robert-Bosch-Straße läuft die Versteigerung von Fundfahrrädern. Einige Interessenten sind schon vorher gekommen, um sich von den knapp zwei Dutzend Drahteseln, die an diesem Spätnachmittag an die Höchstbietenden gegen Barzahlung veräußert werden, ein Bild zu machen. Unter den Hammer kommen Fahrräder, deren gesetzliche Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist, sagt Rathausmitarbeiterin Sandra Garmann. Ein halbes Jahr müssen die Fundsachen im Bauhof gelagert werden.
Oft rufen Bürger an, um ein besitzerloses Fahrrad, das irgendwo herumsteht, zu melden. „Das behalten wir ein paar Tage im Auge, dann holen wir es rein“, erklärt Bauhofleiter Jürgen Ballweg. Seine Mitarbeiter haben schon an den unterschiedlichsten Stellen Räder gefunden. In Feld und Flur, in Gebüschen und Gräben. Beim Oktoberfest in der Rheinfranken-Halle oder nach dem Rosenmontagsumzug wüssten manche Zeitgenossen nicht mehr, wo sie ihre fahrbaren Untersätze abgestellt hätten, berichtet Ballweg. Dann werde das mehr oder minder gute Stück einfach zurückgelassen. Oder ein Besucher des Brezelfestes in Speyer schnappt sich einfach ein Rad und fährt damit nach Altlußheim. Dort liegt es dann in der Gegend herum, bis die Mitarbeiter des Bauhofs es aufladen. Nach der letzten Kerwe in Altlosse blieb am Messplatz auch ein Kinderrad zurück. Und am Bahnhof werden Räder ohne Besitzer entdeckt.
Zweite Veranstaltung
Es ist die zweite Versteigerung dieser Art beim Bauhof. Das Gebot für ein rotsilbernes Damenrad der Marke „Conway“, mit Dynamolicht und 7-Gang-Schaltung liegt bei 25 Euro. Ein Damenrad „Conrad“, mit Kindersitz, 21-Gang-Schaltung, Bremse in Ordnung, Licht kaputt, geht für 15 Euro weg. Ein Herrenrad von „Campus“, beide Reifen platt, bringt nicht mehr als 5 Euro.
Man habe auch schon ein Rad gefunden, bei dem noch ein Wurstpaket aus der Metzgerei auf dem Gepäckträger festgeschnallt war, erzählt Jürgen Ballweg. Die zur Versteigerung stehenden Räder sind aufgepumpt. Nicht alle halten die Luft. „Die Räder müssen bei uns ein halbes Jahr reifen“, lacht Bauhofelektriker Sergei Terentjew und schiebt den nächsten Drahtesel zur Begutachtung nach vorne.
Wolfgang Reinhardt nimmt eins genau unter die Lupe. Er will das Rad für eine ältere Frau ersteigern, die damit zum Einkaufen radeln möchte. Der Naturschützer und Jagdpächter, der oft auf Exkursionen und bei Radtouren in die Natur unterwegs ist, kennt sich gut aus. Reinhardt dreht am Vorderrad, wenn an der Gabel Vibrationen zu spüren sind, deute das auf einen Lagerschaden hin, so seine Erfahrung. Wenn der Öldruckstoßdämpfer undicht ist oder der Mantel Risse aufweist, sei das ebenfalls schlecht.
An einem Fahrrad steckt sogar noch der Schlüssel im Schloss. Die Auktion läuft. In Ein-Euro-Schritten geht ein schwarzes Bike nach oben. Bei 60 Euro steigt Bernhard Misch aus. Blerand Halilaj bekommt den Zuschlag. Der junge Mann ersteigert insgesamt vier Räder. Einmal zahlt er nur 5 Euro.
Sandra Garmann kündigt das nächste Gefährt an. Einige Interessenten überlegen noch. Ein Damenfahrrad für einen Fünfer geht nicht weg. Sergei Terentjew bringt es in der Halle nach hinten. Es wird wie die anderen Ladenhüter zum Verein für berufliche Integration und Qualifizierung nach Heidelberg gebracht. In der Hinterhofwerkstatt werden die Räder repariert, Ersatzteile ausgebaut oder für ein Fahrräderprojekt in Afrika aufbereitet.
Barbara Schwarz ersteigert sich ein Damenrad für 15 Euro. „Das ist ein Schätzchen, zum Radeln bei uns im Dorf ist es super“, sagt Klaus Strauß, der jetzt ein Fahrrad für 17 Euro sein Eigen nennt. Klaus Strauß hat auch schon ein anderes Objekt ins Visier genommen. Ein weißes „Peugeot“-Rennrad hat es ihm angetan. Chrom-Molybdän-Rahmen seien wieder im Kommen, sagt er. Das Rennrad muss aber wegen der Halbjahresfrist noch im Fundus bleiben. Über 20 Drahtesel warten schon auf die nächste Versteigerung, die wahrscheinlich im Februar stattfinden wird, so Garmann.
Bescheinigung für Ersteigerer
Alle neuen Besitzer bekommen eine „Bescheinigung über den Verkauf eines Fundrades“ mit. „Nachdem sich der rechtmäßige Eigentümer bislang nicht gemeldet hat und nicht ermittelt werden konnte, war die Gemeinde berechtigt, den Fundgegenstand zu veräußern“, steht auf dem Schreiben: „Das Fahrrad wurde gekauft wie gesehen.“
Ganz zum Schluss ergattert auch Bernhard Misch noch ein Rad. Das rote „Bianchi“-Markenbike für 21 Euro muss etwas aufgearbeitet werden. „Wenn man es richtig putzt, sieht es aus wie neu. Man muss sich halt die Hände dreckig machen, aber für so einen guten Preis lohnt sich das“, sagt der glückliche Besitzer.
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