Altlußheim. Um 3 Uhr nachts schreibt Cornelia Martins Sohn ihr noch eine Nachricht aufs Handy. „Ich freue mich auf unser Treffen am Freitag“. Wenige Stunden später ist er tot. Im Polizeibericht steht, Marco Meinhardt habe einen Linienbus überholen wollen und sei in einen entgegenkommenden Lkw gerast. Der 36-Jährige stirbt noch an der Unfallstelle. Meinhardt, verheiratet und Vater eines Sohnes, arbeitete bei der BASF. Er kam an jenem frühen Morgen des 20. Mai 2015 von der Nachtschicht nach Hause.
„Es heißt ja immer, es würde besser mit der Zeit, aber es wird nicht besser“, sagt Martin. Seit sieben Jahren trauert die Mutter um ihren Sohn, und zwar an der Stelle, wo er ums Leben kam: auf der B39 zwischen Altlußheim und Speyer.
Sie hat am Straßenrand ein Holzkreuz aufgestellt, und um dieses Kreuz gibt es nun Streit. In der vergangenen Woche hat das Straßenbauamt des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis das Kreuz entfernt und einen Meter weiter ins angrenzende Feld, das etwas tiefer als die Straße liegt, postiert. Der Name „Marco“, der mit schwarzen Buchstaben auf dem weißen Kreuz steht, zeigt Richtung Feld, nicht mehr Richtung Straße.
„Das ist Willkür, ein Unding“, sagen Carola Martin und Wolfgang Meinhardt, der Vater von Marco. Die Eltern sind seit Längerem geschieden. „Überall stehen Unfallkreuze am Wegesrand“, sagt Martin und holt aus einer Mappe Fotos von Kreuzen und Zeitungsartikeln darüber hervor.
Anwalt bringt Sache ins Rollen
Dass es auch im erweiterten Familienkreis unterschiedliche Auffassungen zum Kreuz gibt, will Martin dabei nicht verhehlen. So war auch das Landratsamt überhaupt erst auf die Gedenkstätte aufmerksam geworden, weil ein Anwalt sich Anfang dieses Jahres gemeldet hatte und forderte, die Gedenkstätte zu entfernen.
Es fanden in der Folge verschiedene Telefonate und Schriftwechsel zwischen Cornelia Martin und der Behörde statt. Im Mai erreichte sie erneut ein Brief. Darin heißt es, das Regierungspräsidium als zuständiger Straßenbaulastträger habe vorgeschlagen, das Gedenkkreuz noch bis zum 30. Juni übergangsweise zu dulden. Danach solle es abgebaut werden. Gedenkkreuze, so führt das Amt aus, seien Hochbauten, ihre Errichtung in einer Entfernung bis zu 20 Meter zum Fahrbahnrand an Bundesstraßen verboten. Gleichwohl würden solche Gedenkstätten aus Pietätsgründen „üblicherweise stillschweigend für einige Zeit geduldet, sofern dies mit der Sicherheit des Verkehrs vereinbar ist“.
So sei man auch bisher in dem Fall verfahren. Mittlerweile gebe es auf dem Friedhof in Hockenheim ein Urnengrab für den Verstorbenen. Dort könne sie des Sohnes gedenken. Bei der Pflege der Gedenkstätte an der viel befahrenen Straße könnten außerdem Verkehrsteilnehmer irritiert werden, es könne zu Auffahrunfällen kommen, oder sie selbst könne gefährdet werden, wenn ein Auto von der Straße abkomme.
Für Cornelia Martin ist das Urnengrab auf dem Friedhof kein Ersatz. „Dort kann ich nicht einmal Blumen aufstellen“, sagt sie. Sie will, dass das Kreuz bleibt.
Am 23. Juni bot das Landratsamt ihr erneut ein Gespräch an. „Uns ist natürlich bewusst, wie bedeutend Gedenkkreuze für Hinterbliebene als ein Ort der Trauer und der Erinnerung an geliebte Menschen sind“, betont die Sprecherin der Behörde, Silke Hartmann. So werden zwei alternative Standorte vorgeschlagen - 600 Meter weit entfernt von der B 39, ein Ort, der einfacher und gefahrenfrei zu erreichen wäre, oder an derselben Stelle, aber eben mehr ins Feld versetzt und nicht mehr so offensichtlich für vorbeifahrende Autofahrer sichtbar. Und so geschah es dann auch.
Martin hat sich eine gelbe Warnweste übergezogen, sie ist mit dem Fahrrad da. Mit einem kleinen Besen fegt sie die Erde um das Kreuz, gießt die Blumen. „Wenn es so heiß ist wie jetzt, komme ich zwei bis drei Mal in der Woche.“ Dass man das Kreuz von der Straße aus nicht mehr sieht, betrübt sie. Dass niemand den Namen ihres Sohnes mehr lesen darf, auch. Wolfgang Meinhardt, dem Vater des Verstorbenen, ergeht es ähnlich. Sie wollen weiter für ein sichtbares Gedenkkreuz kämpfen.
Im vergangenen Jahr hat es nach Auskunft des Landratsamts einen ähnlichen Fall gegeben. Auf der K 4105 war ein junger Motorradfahrer ums Leben gekommen. Da das Kreuz im Kurvenbereich ungünstig stand, wurde es an einen in der Nähe gelegenen Parkplatz versetzt. Die Eltern waren damit einverstanden.
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