Erdwärme - Gegner betonen, dass seismische Probleme durch Bürgerbeteiligung bei Anlagenplanung nicht verschwinden würden / Sie werfen Franz Untersteller und Andre Baumann eine Doppelmoral vor

BI sieht Gefahr bei der Nutzung von Geothermie

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zg/ras
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So stellt sich die vom früheren Investor „Geoenergy“ aufgegebene Baustelle des von diesem Unternehmen geplanten Geothermie-Kraftwerks im Brühler Süden heute dar. Im Hintergrund ist das benachbarte Klärwerk Gelände zu sehen, im Vordergrund laufen Bauarbeiten für die Bohrung eines Brunnens für den Sportpark-Süd. © Bild Lenhardt

Brühl. „Es vergeht kaum eine Woche, in der die Medien nicht über Geothermie berichtet, die bislang überwiegend durch Negativschlagzeilen aufgefallen ist“, stellt die Bürgerinitiative Tiefe Geothermie in einer Pressemitteilung fest. Insbesondere nachdem bekannt geworden ist, dass ein Konsortium aus MVV und EnBW den Zuschlag für die Aufsuchungserlaubnis für das Gebiet Hardt, südlich von Mannheim bis Reilingen erhalten hat, werde versucht, die vermeintliche Notwendigkeit von Geothermie aufgrund des Kohleausstiegs zu suggerieren.

Das sei Irreführung, denn Tiefengeothermie spiele bei der Energiewende nach wie vor nur eine untergeordnete und zu vernachlässigende Rolle. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) habe in seinem Positionspapier Erfahrungen mit Tiefengeothermie im Zeitraum 2000 bis 2017 bei Strom- und Wärmegewinnung berücksichtigt. „Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Nutzung von Energie aus Tiefengeo-thermie in Bezug auf die aus dem Erdinneren nachströmende Wärme nur ein sehr geringes Potenzial zur Deckung des Energiebedarfs in Deutschland aufweist“, fassen BI-Sprecher Thomas Gaisbauer, Rainer Hüngerle und Uwe Rötgens zusammen. Berücksichtigt worden sei dabei unter anderem die geringe Effizienz, die hohen Eigenkosten und zeitlich begrenzte Nutzungspotenziale der Wärmereservoire.

„Trotz der bisherigen negativen Vorkommnisse an den bestehenden Geothermiestandorten versuchen Energieversorger und Politiker mit aller Macht, den hier lebenden Bürgern die Geothermie als Allheilmittel anzupreisen, das für den Energiemix unerlässlich sei“, kritisiert die BI. Mitunter werde sogar auf Erfahrungen mit Erdwärme im Großraum München verwiesen. „Dass dort völlig andere geologische Verhältnisse gelten, wird dabei gerne verschwiegen“, so die BI-Sprecher, „wir befinden uns nämlich nicht im Molassebecken, sondern im Oberrheingraben und dieser gehört aufgrund seiner Brüche zu den tektonisch aktivsten Gebieten Deutschlands“. Für MVV und EnBW würden die porösen und stark geklüfteten Erdschichten zur Förderung von Tiefenwasser interessant sein, doch für die Bürger bedeute dieser Umstand aufgrund der Spannungsveränderungen, die durch den Betrieb von Geothermiekraftwerken unwiderruflich hervorgerufen würden, zusätzliche Seismizität, also Erdbeben, sowie weitere Gefahren.

„Beben lässt sich nicht stoppen“

„Anstatt alles zu tun, um Seismizität zu verhindern, wird sie bei der Gewinnung von Erdwärme zusätzlich noch forciert. Das lässt sich weder durch 3D-Seismik noch durch eine Ampelregelung verhindern. Ein Erdbeben, das erst mal losläuft, kann nicht mehr gestoppt werden. Selbst wenn die Anlage komplett heruntergefahren wird, kann vier Wochen später ein noch größeres Beben kommen“, erklärt die Bürgerinitiative.

Während für den grünen Landtagskandidaten Andre Baumann der Oberrheingraben aufgrund seiner Tektonik als Atommüll-Endlager ausscheide, bagatellisiere er die Gefahren der Tiefengeothermie, die nachweislich für die Bürger etwa durch Radon für das Grundwasser und für die Immobilien bestünden. „Erdbeben sind demnach wohl nur ein Problem in Verbindung mit Atommüll – für die betroffenen Gebäude und das Klärwerk müssen sie in Kauf genommen werden“, leitet die BI daraus ab.

Baumann sei sogar der Meinung, die Geothermie sei – richtig gemacht – frei von erheblichen Risiken, zitiert ihn die BI. „Warum konnte bisher im Oberrheingraben kein Geothermiekraftwerk richtig betrieben werden?“ Sowohl Baumann als auch MVV und EnBW setzten medienwirksam auf eine frühzeitige Kommunikation, Information und den Bürgerdialog. Doch Fakten bezüglich Risiken und Gefahren ließen sich weder wegdiskutieren noch schönreden, so die BI-Sprecher, „dass sich Tiefengeothermie nicht durch Offenheit und Bürgerbeteiligung auszeichnet, haben wir zur Genüge erfahren“.

Kritik an grüner Landespolitik

Ein Treffen mit dem baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) 2011 sei ernüchternd gewesen. Er habe damals schon bekräftigt, man habe aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt – „scheinbar nicht genug, denn wie sonst konnte 2013 in Landau giftiges Tiefenwasser aufgrund von Leckagen austreten?“ Nun wolle der Minister möglichen Vorbehalten fachlich fundiert begegnen, sagt die BI und zeigt sich kritisch, wie auch bei Bürgermeister Dr. Ralf Göck hinsichtlich Information, Kommunikation oder Bürgerbeteiligung. „Uns würde interessieren, ob sich Politiker wie Untersteller und Baumann seinerzeit bei ihrem Kampf gegen die Kernkraft mit Kommunikation, Information und Bürgerdialog zufriedengegeben hätten. Warum sollten wir das tun, uns dem Willen und der Rücksichtslosigkeit der grünen Politiker beugen und uns den Gefahren der Tiefengeothermie aussetzen?“, heißt es in der Pressemitteilung der BI.

Auch wenn das Wärmepotenzial im Oberrheingraben vorhanden sein sollte, könne der Rhein-Neckar-Raum nicht mit Geothermiekraftwerken zugepflastert werden. Um nach dem Kohleausstieg die Wärmeversorgung zu kompensieren, müssten im Kreis zur Erhaltung des Fernwärmenetzes vier bis fünf Geothermiekraftwerke entstehen. „Aufgrund der dichten Besiedelung wären dann nahezu alle Gemeinden südlich von Mannheim bis Reilingen davon betroffen“, stellt die BI fest. Zur Anzahl der geplanten Kraftwerke wären laut Bürgerinitiative klare Aussagen seitens MVV/EnBw dringend erforderlich, auch wenn die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien.

„Keine Referenzprojekte“

„Wir haben in den vergangenen zehn Jahren unzählige Gespräche mit Politikern, Experten, Verantwortlichen sowie Kraftwerksbetreibern geführt und auch Informationsveranstaltungen zu diesem Thema besucht, bei denen unliebsame Fragen nicht beantwortet, sondern abgewürgt werden“, bilanzieren die BI-Sprecher. Die EnBW wirbt mit Geothermieerfahrung. Genannt würden dabei die beiden Forschungs- und Entwicklungsprojekte Bruchsal und Soultz-sous-Forêts. Bruchsal (hydrothermales Verfahren) liefere gerade einmal 0,55 Megawatt elektrische Leistung und habe bis Januar 2012 bereits drei Pumpenausfälle. Dieses Kraftwerk werde mit einer so geringen Fließrate betrieben, dass es mit einem echten Produktionsbetrieb überhaupt nicht vergleichbar sei. Soultz-sous-Forêts wird petrothermal betrieben und ist somit ebenfalls nicht vergleichbar. Bei diesem Verfahren wird zwischenzeitlich ganz offen von Fracking gesprochen. „Dort musste auch der Wasserdruck begrenzt werden, um die Erdbebenaktivität bis Magnitude 3,0 zu senken.“

„Aufgrund der Gefahren gehört Tiefengeothermie nicht in die Nähe von Wohngebieten – weder in Brühl, Ketsch, Mannheim oder sonstwo. Die Geologie im dicht besiedelten Oberrheingraben verbietet einfach das Anbohren der hoch sensiblen Gesteinsschichten“, schließt die Stellungnahme. zg/ras

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