Gesundheitsforum - Überwältigende Resonanz beim Thema Demenz / Professor Gerald Hüther und Dr. Rüdiger Dahlke als Referenten

„Das Gehirn ist regenerierbar“

Von 
Maria Herlo
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Brühl. Das große Interesse am Vortrag „Raus aus der Demenzfalle – Das Alter als Geschenk“ hatte die Erwartungen der Veranstalter bei weitem übertroffen. Mehr als 400 Besucher begrüßte Bürgermeister Dr. Ralf Göck bei der 21. Ausgabe des Gesundheitsforums. Das ist insofern nicht erstaunlich, weil Dr. Axel Sutter zwei ganz besondere Gäste eingeladen hat, zum Thema Demenz zu referieren: den Neurobiologen Professor Gerald Hüther und den Humanmediziner Dr. Rüdiger Dahlke.

„Beide verfügen über ein enormes Fachwissen, was Alter und Demenz betrifft“, stellte sie Sutter, der den Abend moderierte, vor, „sie haben jeweils ein bahnbrechendes Buch darüber geschrieben.“ Und der Vortragsabend hatte noch einen Überraschungsgast zu bieten: Majda Nujic, Leiterin einer modernen Demenzstation in Wien. Ihre praktische Erfahrung bestätigte die Theorie der beiden Ärzte, dass Alter und Demenz keine Stagnation bedeuten, auf ihrer Station wird Patienten ermöglicht zu erleben, was sie können, statt sie mit ihren Defiziten zu konfrontieren.

Demenz ist nicht angeboren

Nach der „Aufwärm-Gesprächsrunde“, während der Sutter durch gezielte Fragen an die beiden Experten das Wesentliche ihrer Theorie umriss, stieg Hüther, einer der führenden Hirnforscher Deutschlands, in seinem frei gehaltenen Vortrag mit der Bemerkung ein: Das menschliche Gehirn verfüge über ein Potenzial, das bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Es liege an jedem Einzelnen, die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Demenz sei nicht angeboren, sie ließe sich verhindern, wenn die Menschen ihre Lebensweise ändern. Damit stellte er das bisherige Theoriegebäude zur Demenz in Frage. Hüther zufolge seien nicht Ablagerungen im Gehirn Ursache der Erkrankung, sondern der Verlust der neurologischen Selbstheilungskräfte. „Die Fähigkeit des Gehirns, sich neu zu organisieren, sogar neue Nervenzellen zu bilden, sei bis ins hohe Alter gegeben“, sagte er.

Doch funktionieren die Aufbauprozesse im Hirn nur dann, wenn es einem richtig gut geht, so die Meinung des Hirnforschers. Um dies zu belegen, griff der Referent auf die 2001 veröffentlichte Studie des Epidemiologen David A. Snowdon von der University of Minnesota zurück. Snowdon hatte einige hundert katholische Nonnen im Alter von 75 bis 106 Jahren untersucht und im Gehirn der verstorbenen Ordensschwestern dieselben degenerativen Prozesse nachgewiesen, die Menschen mit Demenz aufweisen. Zu Lebzeiten hatten sie jedoch keine Symptome der Erkrankung gezeigt. Ihr Lebensstil wirkte offenbar präventiv und hat dazu geführt, dass „die neuroplastische Umbaufähigkeit“ des Gehirns schwere Abbauerscheinungen kompensieren konnte.

Seiner Ansicht nach sei das menschliche Gehirn somit durch den richtigen Lebensstil form- und regenerierbar. Doch was ist ein „richtiger Lebensstil“? Im Leben komme es insbesondere auf ein „Kohärenzgefühl“ an, so die kühne These des Referenten. Laut Hüther leiden die Selbstheilungskräfte des Gehirns vor allem durch Widersprüche, die man nicht lösen könne. Wenn man hingegen das kohärentes Selbstgefühl stärke, indem man ein sinnhaftes, gestaltbares und verstehbares Leben führe, dann nähmen Demenzerkrankungen ab.

Dass Altern keine Krankheit ist und die Alterssymptome kein naturgegebenes Schicksal, machte der Arzt und Bestsellerautor Dr. Rüdiger Dahlke in seinem Vortrag „Alter als Geschenk“ deutlich. „Eigentlich sei das Alter die Chance unseres Lebens“, meinte er und riet, die letzte Lebensphase freudvoll zu gestalten. Er plädierte ebenfalls dafür, die eigene Gestaltungskraft zu nutzen, denn es sei bewiesen, dass der Einfluss des Bewusstseins auf dem Körper eine große Bedeutung hat.

Interessiert folgten die Zuhörer seinen teils auch humorvollen Ausführungen über die Gebrechlichkeit des Alters, gleichzeitig aber machte er Mut für ein erfülltes Leben bis zum Tod.

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