Modelleisenbahn - Zu Besuch bei Andreas und Maurice / Vater und Sohn lassen Züge durch drei Räume fahren / Wendel mit sieben Ebenen wird zu einem Bergtunnel

Das Weingut hat er seiner Frau gewidmet

Von 
Katja Bauroth
Lesedauer: 

Brühl. Er macht ordentlich Krawall, der kleine „Super Chief“ (toller Chef). Eben fast so, wie das Original des Expresszugs, der Nordamerika durchkreuzt. Bei Andreas und seinem Sohn Maurice gibt es den „Super Chief“ als Miniausgabe, Maßstab 1:87. Und obwohl diese Norm auch auf andere Modellbahnloks nach Vorbildern aus Deutschland, Schweden und der Schweiz zutrifft, wirkt dieses Schienenfahrzeug im Vergleich zu den anderen bulliger.

Vater und Sohn aus Brühl haben auf unseren Aufruf hin in ihr Modellbahnanlagenreich eingeladen – und es ist wirklich ein Reich, das Staunen lässt! Es erstreckt sich über drei Zimmer. Die Schienen sind auf vier Etagen verlegt – Ausnahme: der Wendel. Hier schlängeln sich 14 Meter Gleise auf sieben Ebenen kreisförmig in die Höhe. „Der verschwindet noch hinter einem Bergmassiv, das sich hier an den Viadukten runterzieht“, deutet Andreas die Fläche an. Er verantwortet die gestalterischen Raffinessen der Anlage in Absprache mit dem Sohn und kümmert sich vor allem um die szenischen Details mit Häusern, Figuren und Landschaften, die in liebevoller Kleinarbeit gefertigt werden. Der Junior, der eine Ausbildung zum Fenster- und Glasfassadenbauer absolviert hat, konstruiert größere Bauten und tüftelt an der Technik. Der 20-Jährige hat auch die runden Holzleisten für den Wendel in seiner Hobbywerkstatt gesägt.

Man muss wissen: Die Anlage wurde erst in die größeren Räume umgezogen, ist also noch im Auf- und Ausbau. „Für eine Modelleisenbahn hat man nie genug Platz“, meint Andreas mit Blick auf etliche Kartons, die noch ungeöffnet auf dem sogenannten Installationstisch liegen. Darauf befindet sich auch eine Gleisanlage. Auf dieser werden die Züge eingestellt, damit sie dann auf der großen Anlage per computergesteuerter Schaltzentrale („Central Station 3“ von Märklin) fahren können. Allerdings überlassen die beiden Männer nicht alles der Technik: Sie agieren auch noch analog, also stellen Weichen per Hand.

Ein Geschenk zum Schulanfang

Die Leidenschaft für Modelleisenbahnen hat Andreas schon mit seinem Vater geteilt. „Als ich in die Schule gekommen bin, hatten wir den Deal: Ich sollte kein Theater machen, dafür bekam ich eine Eisenbahn. Das war ein großer Fehler“, erinnert sich der 46-Jährige mit einem Schmunzeln. Seither war es um ihn geschehen: Gemeinsam mit dem Vater wuchs der Lokbestand über die Jahre an, es wurde eine echte Sammelleidenschaft daraus. Dieses Herzbluthobby hat sich auch auf seinen älteren Sohn Maurice übertragen. Und der ähnelt wie sein Papa einem wandelnden Modelleisenbahnlexikon. Zu jeder Eisenbahn, die auf den Gleisen steht oder in den schönen holzgerahmten Glasvitrinen auf einen Einsatz warten, weiß er etwas zu berichten. Da ist die Sonderausgabe zur Fußball-Weltmeisterschaft 1954, der Zug, mit dem damals die deutsche Elf um Trainer Sepp Herberger aus der Schweiz nach Hause fuhr. Oder ein ICE Sinus, von dem Märklin 500 Stück verloste. Die Auserkorenen sollten das Modell dann testen und einen Bericht an den bekannten Modellbahnhersteller schicken – bezahlen mussten sie die limitierte Edition allerdings trotzdem. Der Orient-Express rauscht am „Köfferli“ vorbei, der Elektrolok, die einst über den Gotthard-Pass in der Schweiz zuggelte und als Vorgänger des legendären (und längeren) „Krokodils“ gilt.

Dann gibt es da zwei „Goliath“-Kranwaggons. „Davon existieren in Süddeutschland zwei Stück“, weiß Maurice, dass diese Riesen für Bauarbeiten auf Zugstrecken von der Deutschen Bahn eingesetzt werden. Wie die echten Vorbilder lässt sich auch der Greifarm des Minikrans bewegen. Auffällig sind die US-amerikanischen Nachbauten der Baureihe Klasse 4000 der Union Pacific Railroad (UP). „Big Boy“ (großer Kerl) werden diese größten und leistungsfähigsten Dampflokomotiven der Welt genannt. 25 Stück gab es davon in Nordamerika, acht sind bis heute erhalten.

Kleine Hommage an die Schweiz

Die Anlage besticht nicht nur durch eine Zeitreise durch die Zuggeschichte und historische Besonderheiten (Stuttgart 21 findet sich mit Erdaushubcontainer wieder), sondern auch durch internationalen Touch, sowohl was die Landschaften als auch die Züge angeht. Andreas hat hier eine kleine Hommage an die Schweiz geschaffen. Bei den Eidgenossen lebte und arbeitete er vier Jahre. Daher dürfen der Fernschnellzug Rheingold, einst der Luxuszug der alten Reichsbahn, der von der Nordsee in die Schweiz fuhr, und der Fernschnellzug Helvetia, der zwischen Hamburg und Zürich verkehrte, nicht fehlen. Dazu gibt es verträumte alpenländische Idylle mit Bergen aus Gips, die in Naturtönen besprüht wurden, urige Almhütten, grasende Kühe und schmusende Wanderer. Glasklare Seen mit Booten liegen eingebettet zwischen den Gipfeln. In einer Stadtszene stehen die Fachwerkhäuser des Frankfurter Römers neben Freiburger Bauten. Daneben liegt ein Weingut samt Weinberg mit gemütlichem Gastgarten. „Das habe ich meiner Frau gewidmet“, erzählt Andreas. Dann zeigt er – eingepackt – einen Spargelstand. „Ein Stück Schwetzingen, das wird hier auch noch verbaut“, stellt er Überlegungen zu einem Marktplatz an. Die Mannheimer Feuerwache (Modell von 1987) wartet ebenfalls in einem Karton darauf, installiert zu werden.

„Während des Lockdown habe ich das Jagdhaus gebaut, dazu den Gemüsegarten“, deutet er auf die entsprechende Szene. Damit könne er Stunden verbringen, erzählt er, das sei Erholung, ja fast eine Art Meditation.

Ganz allein kann er die komplette Anlage allerdings nicht betreiben, aufgrund der Größe braucht es dafür vier Hände. So verbringen Vater und Sohn hier ihre knapp bemessene Freizeit meist gemeinsam – basteln, erweitern oder spielen einfach. „Die Eisenbahnen muss man regelmäßig fahren lassen“, weiß Andreas, dass sonst die filigranen Triebwerke einstauben. Und auch die Gleise gehören regelmäßig geputzt. Dafür gibt es einen Staubsaugerwaggon mit Besen, der zwischen zwei Polierwagen gespannt ist.

Carsystem soll integriert werden

Dann zeigt Andreas noch ein „Baby“: ein Carsystem von Faller. Fahrzeuge fahren dank feiner Sensorik und Magneten auf einer mit einem versteckten Leitsystem versehenen Oberfläche allein, stoppen bei roten Ampeln und starten bei Grün – alles ganz automatisch. Das soll in die Modelleisenbahnanlage mit integriert werden, um noch mehr „Leben in die Bude“ zu bringen.

„Ich lade Sie wieder ein – in einem Jahr sollte das hier schon ganz anders aussehen. Und wenn ich 50 werde, soll alles mal fertig sein“, setzt sich Andreas einfach selbst ein bisschen unter Druck. Dann macht der kleine „Super Chief“ noch einmal ordentlich Krawall.

Autor Katja Bauroth liebt Begegnungen und Storys - im Lokalen und auf Reisen.

Copyright © 2025 Schwetzinger Zeitung