Brühl. Die Bücher stehen in den Regalen, die Gänge sind menschenleer – ein ungewohnter und trauriger Anblick für eine Gemeindebücherei. Doch während der Corona-Krise ist dieses Bild in vielen Bereichen alltäglich geworden. Im Interview spricht Büchereileiter Christian Sauer mit uns über die Schließung, das Angebot der Onleihe und gibt Lesetipps, die den Alltag versüßen können.
Wie läuft derzeit Ihr Tag als Büchereileiter ab?
Christian Sauer: Im Moment bin ich in mehreren Bereichen tätig. Ich bereite zum Beispiel meinen zukünftigen Arbeitsplatz vor – im laufenden Betrieb kann ich das nicht machen. Ich sortiere Bücher aus, wobei wir das sonst erst im Sommer machen. Gleichzeitig bestelle ich auch neue Medien, die ich schon vor der Schließung angekündigt habe, wie zum Beispiel die Tonies. Außerdem verlängere ich die Leihfristen – da verwalten wir die Anfragen per Mail und Telefon. Man ist über den Tag in einem ganz anderen Rhythmus als sonst. Die Bibliothek ist einfach viel zu ruhig.
Wie wird das Angebot der Onleihe genutzt?
Sauer: Es wird sehr rege genutzt. Die Leihfristen mussten sogar von 21 auf 14 Tage zurückgesetzt werden. Sie wird regelrecht überrannt. Wir kommen gar nicht hinterher – so viele Sachen sind ausgeliehen. Dadurch, dass die Onleihe zugenommen hat, wurden die Bibliotheken angehalten, aus solidarischen Gründen den Metropol-Card-Verbund zu unterstützen. Wenn man die Zahlen von März 2019 sowie zu Januar und Februar 2020 mit den jetzigen Zahlen vergleicht, sind die Ausleihen viel höher.
Welche Probleme treten momentan auf?
Sauer: Wir bekommen hin und wieder technische und rechtliche Fragen gestellt. Wir arbeiten seit etwa Mitte März im Schichtsystem. Da habe ich beide Extreme erlebt. Einerseits kann man diese Bibliothek geschlossen so verstehen, dass die Menschen einfach daheimbleiben. Andererseits gab es beim Schichtsystem auch schon Probleme, obwohl ich es am Anfang kommuniziert habe. Einmal war, als ich dann in die Bücherei kam, eine meiner Mitarbeiterinnen vor Ort. Das sind Anfangsschwierigkeiten, die auftreten. Vielen Menschen müssen wir am Telefon erklären, warum wir geschlossen haben. Sie möchten gerne brav ihre Bücher abgegeben, aber derzeit ist das nicht möglich. Daher biete ich Online-Angebote im Web-Opac der Gemeindebücherei an, damit die Menschen erfahren, was es so gibt – und vor allem nicht langweilig wird.
Wie läuft es mit den Abgaben von Büchern?
Sauer: Abgaben gibt es im Moment keine. Ich habe mich in der Bibliotheksbranche umgehört und mit anderen Menschen und Kollegen gesprochen. Da war die einhellige Meinung, wenn die Medien zurückgegeben werden, dass diese in eine 14-tätige Quarantäne kommen sollten. Außerdem muss die Abgabe, wenn sie wieder anläuft – konzentriert ablaufen. Im Vorfeld wird es Informationen geben, dass nicht alle Menschen auf einmal kommen.
Welche Angebote für Schüler gibt es?
Sauer: Es gibt zum Beispiel das Brockhaus Schülertraining in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch, Latein und Mathematik. Außerdem gibt es Angebote von Duden, Kindlers Literatur-Lexikon. Auch das Munzinger Archiv ist in den Bereichen Sport, Pop und Chronik zugänglich. Die Corona-School, die in den Medien war, ist eine Option für Schüler zu lernen.
Welche Bücher sind aktuell besonders beliebt?
Sauer: Wenn ich in die Onleihe schaue, dann ist das Buch „Die Perlenschwester“ von Lucinda Riley nach wie vor ein Ausleihrenner. Auch die Bücher, die kurz vor der Corona-Krise rausgekommen sind, sind beliebt. Und ansonsten werden auch die Autoren Karin Slaughter, Jussi Adler-Olsen und Nele Neuhaus gerne gelesen. Gerne ausgeliehen werden auch die Werke aus der Buchreihe „Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe“.
Lektüretipps von Christian Sauer – einmal sachlich und dann nah am Leben
„Es gibt keinen Planet B – Das Handbuch für die Herausforderungen unserer Zeit“ von Mike Berners-Lee: Klimawandel, Welternährung, Biodiversität, Plastikmüll, – die Liste der akuten Weltprobleme scheint endlos. Der Autor schreibt über die drängendsten Probleme der Menschheit, die er seit Jahren wissenschaftlich erforscht und substanziell analysiert hat. Christan Sauer: „Das Buch ist empfehlenswert, weil es den Klimawandel aus soziologischer Perspektive erklärt und einfach geschrieben ist, so dass es jeder versteht. Es werden viele Themen abgehandelt, gleichzeitig zeigt das Buch konkrete Lösungswege für die Probleme unserer Welt auf.“
„Das Gewicht der Worte“ von Pascal Mercier: Seit seiner Kindheit ist Simon Leyland von Sprachen fasziniert. Er wird Übersetzer, will alle Sprachen, die um das Mittelmeer gesprochen werden, lernen. Er folgt seiner Frau nach Triest, glaubt, den idealen Ort für seine Arbeit gefunden zu haben – bis ihn ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Christian Sauer: „Ich empfehle das Buch, weil den Hauptprotagonisten ein ärztlicher Irrtum aus der Bahn wirft. Doch diese vermeintliche Katastrophe erweist sich letztlich auch als Wendepunkt in seinem Leben, das er nun neu einrichten kann. Gerade in Zeiten von Corona ein schönes Buch, weil wir uns jetzt alle neu fokussieren können.“ vas
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