Fernwärme - MVV und EnBW wollen südlich von Mannheim bis zu drei Anlagen bauen / Rund 150 Teilnehmer bei Informationsveranstaltung

Geothermie in der Region: Pläne werfen viele Fragen auf

Von 
Martin Geiger
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Auch das „Brühler Loch“, die frühere Geothermie-Baustelle, am unteren Bildrand rückt bei den Plänen der MVV und der EnBW wieder in den Blick. © Archivbild Lenhardt

Rhein-Neckar. In normalen Zeiten hätten die Unternehmen MVV Energie und EnBW vermutlich eine Turnhalle oder einen anderen Veranstaltungsort gemietet, um ihre Geothermie-Pläne für die Rhein-Neckar-Region erstmals öffentlich zu präsentieren. In Corona-Zeiten lief die Informationsveranstaltung am Donnerstagabend virtuell ab. Dennoch verfolgten etwa 150 Teilnehmende – darunter auch viele Brühler – die zweistündigen Ausführungen. Eine Auswahl der wichtigsten Informationen und Fragen der Bürger.

Was planen MVV und EnBW genau?

Das Konsortium aus MVV Energie und EnBW will gemeinsam im rechtsrheinischen Gebiet zwischen Mannheim, Heidelberg und Reilingen bis zu drei Geothermie-Heizwerke bauen. Das bedeutet, sie wollen an bis zu drei Standorten 2500 bis 4000 Meter tief bohren und aus einer durchlässigen Gesteinsschicht heißes Thermalwasser fördern. Dessen Energie soll ins Fernwärmenetz eingespeist werden, das von Mannheim über Schwetzingen bis nach Speyer und Heidelberg reicht und rund 160 000 Haushalte versorgt.

Warum machen die Unternehmen das?

Zurzeit wird der Großteil der Fernwärme noch im Großkraftwerk Mannheim (GKM) erzeugt. Dieses muss aufgrund des Kohleausstiegs jedoch vermutlich spätestens bis zum Jahr 2033 den Betrieb einstellen. Darum braucht der Betreiber für die Zeit danach alternative Erzeugungsquellen. Die Geothermie soll eine davon sein.

Wo sollen die Geothermie-Anlagen entstehen?

Das steht nach Angaben der Unternehmen noch nicht fest – denn sie fangen gerade erst an, das Gebiet nach geeigneten Stellen zu untersuchen. Zu Beeinträchtigungen für die Anwohnerinnen und Anwohner soll es dadurch nicht kommen, denn es geschehe geräusch- und erschütterungslos.

Wie sieht der Zeitplan des Projekts aus?

In der zweiten Hälfte des nächsten Jahres soll ein Standort gefunden sein. „Wir werden nicht vor 2023 bohren“, betonte EnBW-Projektleiter Stefan Ertle bei der Infoveranstaltung. Im dritten Quartal 2025 soll die erste Geothermie-Anlage fertig sein.

Wie steht das Land Baden-Württemberg zu den Plänen?

Grundsätzlich befürwortet die alte und neue grün-schwarze Landesregierung Geothermie-Projekte, wie Steffen Heidt vom Kompetenzzentrum Energie beim Regierungspräsidium Karlsruhe erklärte: „Es ist zentrale wichtig, dass die Wärmeerzeugung erneuerbar wird. Und die Geothermie bietet hier große Chancen.“

Warum glauben MVV und EnBW, dass es durch die Geothermie-Anlagen nicht zu Erdbeben wie etwa in Landau kommen wird?

„In Landau wird eine andere Technologie angewandt“, sagte EnBW-Geothermie-Experte Thomas Kölbel. Statt ins tiefere Grundgebirge zu bohren, wolle man die wasserdurchlässigen Schichten darüber nutzen: „Das ist technisch und geologisch ein Riesen-Unterschied.“ Zudem werde man sehr genau darauf achten, nur so viel Wasser aus dem Boden zu fördern und wieder zurück zu pumpen, dass die Spannungen dort nicht zu groß würden und Erdbeben auslösten. „Die Wassermengen sind die wesentlichen Steuerungsmittel zur Reduzierung der Seismizität.“ Kölbel zeigte sich überzeugt: „Ich bin mir sehr sicher, dass wir keine Seismizität erzeugen werden.“ In der EnBW-Geothermie-Anlage in Bruchsal sei es in den vergangenen elf Jahren zu keinem feststellbaren Ereignis gekommen.

Falls doch etwas passieren sollte: Wie sieht es mit der Haftung aus?

„Sollte es zu solchen Geschichten kommen, hat man entsprechende Versicherungen“, sagte Ertle. Außerdem sei im Bergrecht die Beweislast umgekehrt: „Wir müssen beweisen, dass die Schäden nicht durch uns entstanden sind.“

Haben MVV und EnBW eine eigene GmbH gegründet, um im Notfall nicht haftbar zu sein?

Nein, so Ertle: „Wir müssen aus gesetzgeberischen und bergrechtlichen Gründen eine GmbH gründen.“ Die Unternehmen wollten sich nicht aus der Verantwortung stehlen, es gelte der Spruch: „Eltern haften für ihre Kinder.“ Auch MVV-Projektleiter Matthias Wolf sagte: „Sollte die sehr hohe Versicherungssumme nicht reichen, werden wir selbstverständlich in die Bresche springen.“

Warum ist keine Stromerzeugung geplant?

Weil die Wärmenutzung am effizientesten sei, erklärte Ertle. Sollte die gewonnene Energie jedoch so groß sein, dass sie den Bedarf an Fernwärme im Sommer übersteige, „dann wäre das der Zeitpunkt, um darüber nachzudenken, ob man das um einen Stromanteil ergänzt“. Aktuell sei das jedoch nicht geplant.

Besteht durch die Bohrung nicht die Gefahr, dass das Grundwasser durch das Thermalwasser aus der Tiefe verunreinigt wird?

Nein, sagt Kölbel: „Man kann die tiefe Bohrung ganz vernünftig absichern.“ Dazu würden drei bis vier Schutzrohre aus einem Zentimeter dicken Stahl ineinandergesteckt und die Zwischenräume mit Zement verfüllt. Diese Konstruktion würde selbst ein Erdbeben überstehen.

Wie wird die Öffentlichkeit künftig über das Projekt informiert?

Wenn es an die Standortwahl geht, soll es eine weitere große Informationsveranstaltung geben. Darüber hinaus sind vier „Dialogforen“ geplant, zu denen zufällig ausgewählte Bürger eingeladen werden. Außerdem ist – neben einem politischen Begleitkreis – die Gründung eines Fachbeirats vorgesehen, an dem sich auch Vertreter von Bürgerinitiativen beteiligen können sollen.

Wie werden sich die Pläne auf den Fernwärmepreis auswirken?

Konkrete Vorhersagen wollte dazu keiner der Beteiligten machen. Wolf betonte jedoch, dass die Fernwärme auch künftig mit anderen Arten der Wärmeerzeugung konkurrieren müsse und folgerte: „Ich gehe fest davon aus, dass die Fernwärme in Zukunft bezahlbar bleiben wird.“

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

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