Expertenrunde - Konsortium aus EnBW und MVV Energie stellt seine Pläne bei digitalem Bürgergespräch vor / 150 Teilnehmer verfolgen die Vorträge am Bildschirm / Erdwärmenutzung nicht vor Ende 2025

Geothermie soll den Menschen einheizen

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Volker Widdrat
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Die abgedeckten und eingezäunten Bohrlöcher des früheren Geothermie-Projekts in Brühler befindet sich zwischen den Sand-bergen und dem Steinlager neben der Baustelle für den Sportpark-Süd. © Widdrat

Region/Brühl. Die beiden regionalen Energieunternehmen EnBW Baden-Württemberg und MVV Energie haben im März vom zuständigen Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) am Regierungspräsidium Freiburg die Aufsuchungserlaubnis für das sogenannte Gebiet „Hardt“ erhalten. Die Unternehmen wollen nun Möglichkeiten zur Nutzung der Erdwärme im nördlichen Oberrheingraben untersuchen.

Das Gebiet umfasst eine Fläche von knapp 270 Quadratkilometern und reicht vom südlichen Mannheim bis nach Altlußheim. EnBW und MVV planen dazu die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das seinen Sitz in Schwetzingen haben soll.

Nun luden die Projektverantwortlichen zur ersten öffentlichen Informationsveranstaltung über das Erdwärme-Projekt „GeoHardt“ ein. Antje Grobe moderierte die zweistündige virtuelle Expertenrunde mit Steffen Heidt vom Kompetenzzentrum Energie beim Regierungspräsidium Karlsruhe, EnBW-Projektleiter Stefan Ertle und MVV-Projektleiter Matthias Wolf sowie Dr. Thomas Kölbel als Geothermie-Konzernexperte der EnBW.

Heidt: Frühzeitige Beteiligung

Heidt stellte das Projekt aus Landessicht vor. Das Kompetenzzentrum moderiert und berät zwischen den verschiedenen Akteuren im Genehmigungsverfahren, organisiert Termine zur frühzeitigen Beteiligung der Betroffenen und hat eine „Scharnierfunktion“ zwischen den Fachbereichen im Regierungspräsidium, den beteiligten Ministerien und Behörden. Er verwies auf die Klimaschutzziele des Landes: Treibhausgasminderung von mindestens 42 Prozent gegenüber 1990 bis zum Jahr 2030 als Zwischenziel. Stadtkreise und Kreisstädte werden verpflichtet, bis Ende 2023 einen kommunalen Werbeplan zu erstellen. Das Landeskabinett habe im März beschlossen, „den Ausbau der Geothermie zu unterstützen und die Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Einsatz zu verbessern“.

Erdwärme liefere einen wichtigen Beitrag für eine klimaschonende Umweltpolitik. Man sei sich durchaus bewusst, dass es Unsicherheiten in der Bevölkerung zu den Themen Erdbeben- und Trinkwassergefährdung, Lärmbelästigung und Haftungsfragen gebe, meinte Heidt: „Daher ist eine umfassende Information und Beteiligung der Bürger erforderlich.“

Über 150 Teilnehmer hatten sich zugeschaltet, als MVV-Projektleiter Wolf über die „Wärmewende als Teil der Energiewende“ sprach. Die Bundesrepublik möchte bis 2050 Klimaneutralität erreichen, gegebenenfalls durch eine Verschärfung des Klimaschutzgesetzes. Wärme hat einen Anteil von mehr als 50 Prozent am gesamten deutschen Endenergieverbrauch. Drei Fünftel davon entfallen auf Raumwärme und Warmwasser.

„Fernwärme ist die wichtigste Wärmeversorgungsart in Mannheim und der Region“, erklärte Wolf das MVV-Fernwärmenetz als eines der größten in Deutschland. Erdwärme aus der Tiefe sei „eine Chance für die regionale Wärmeversorgung“, freute er sich über die erteilte Aufsuchungserlaubnis als „Startschuss für die Untersuchung der regionalen geologischen Potenziale“.

„Wir glauben fest an die Zukunft der Fernwärme“, warb der MVV-Projektleiter. „Wir wollen aber keinen Strom machen aus tiefer Erdwärme, sondern reine Wärme gewinnen und in das Netz einspeisen.“ Der Oberrheingraben zähle schließlich zu den „geologisch attraktiven Regionen“ in Deutschland. „Diese Chance dürfen wir nicht verstreichen lassen“, so Wolf. Die Aufsuchungserlaubnis sei aber noch keine Genehmigung für Bohrungen.

Geothermie-Experte Kölbel erklärte die Besonderheit des Gebietes. Der „wirklich interessante Bereich“ beginne bei Bühl und Achern und reiche bis nach Mannheim. Es gebe in dem Gebiet einige „geologische Störungen“ als „Autobahn für heißes Tiefenwasser“. Man habe bereits mehr als zehn Jahre eigene Betriebserfahrung mit dem Erdwärme-Projekt in Bruchsal. Die Nutzung natürlicher Thermalwässer für Fernwärme gebe es auch noch bei Projekten im Raum München.

Kölbel: Sehr hohe Schutzfunktion

Kölbel erläuterte die technische Vorgehensweise. Tiefbohrungen werden mit einzementierten Schutzrohren versehen, die verhindern sollen, dass Thermalwasser in das Trinkwasser gelangt. Viele hundert Bohrungen im Oberrheingebiet belegten die „sehr hohe Schutzfunktion“, versicherte Kölbel. Funktion und Qualität der Schutzrohre müssten durch wiederholte Messungen der Behörde nachgewiesen werden. Er ging ausführlich auf die Seismizität bei Erdwärmeanlagen ein. Wesentliche Steuergrößen auf der Betreiberseite seien die geförderte und wieder eingeführte Wassermenge. Die würden von der Behörde vorgegeben, ihre Einhaltung überwacht.

EnBW-Projektleiter Ertle erläuterte die Zeitschiene der Projektphasen, die mit dem Erhalt der Aufsuchungslizenz gestartet sind. Die Auswahl eines Standorts werde etwa 18 Monate betragen. Prüfung und Erschließung der Erdwärmequelle nehmen noch einmal eineinhalb Jahre in Anspruch. Die Erdwärme dann für das Wärmenetz nutzbar zu machen, dürfte auch bis zu 18 Monate dauern, sodass mit dem Projekt im dritten Quartal 2025 begonnen werden könnte.

Die Referenten betonten mit Nachdruck, dass das in der Region in besonderem Maße vorhandene Potenzial „als erneuerbare und klimaneutrale Wärmequelle einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung der Fernwärme und damit zur Erreichung der Klimaziele leisten“ könne. Man lege besonders großen Wert auf eine „breite kontinuierliche Information der beteiligten Kommunen, Bürger und Träger öffentlicher Belange“, hieß es im Vorfeld der Antworten zu den Fragen aus dem Chat.

Die Betreiber stellen sich zwei bis drei Geothermie-Anlagen in der Region vor. Wo genau, stehe noch nicht fest. Die Frage nach der Aggressivität des Thermalwassers beantwortete Kölbel: „Das Thema Korrosion haben wir sehr gut im Griff.“ Wie MVV und EnBW den Menschen ihre Angst nehmen wolle, war zu hören. Der Besorgnis sei schwer mit sachlichen Argumenten beizukommen, meinte Wolf: „Das kann man am besten mit Transparenz. Deshalb gehen wir früh auf die Bürger zu.“

Wolf: Bleibt in Zukunft bezahlbar

Mit dem derzeitigen Stand der Technik könne man eine solche Anlage „sehr sauber und mit deutlich wenig Risiko“ betreiben. Die Wassermengen würden gesteuert, um so zu einer Reduzierung der Seismizität beizutragen. Die Unternehmen wollten sich auch nicht aus der Verantwortung stehlen, für die Haftung habe man entsprechende Versicherungen. Ertle verwies auf das Bergrecht mit der Umkehr der Beweislast: „Wir müssen beweisen, dass die Schäden nicht durch uns entstanden sind.“

Auf den künftigen Energiepreis angesprochen, betonte Wolf, dass die Fernwärme auch weiterhin mit anderer Wärmeerzeugung konkurrieren müsse: „Ich gehe aber davon aus, dass die Fernwärme in Zukunft bezahlbar bleiben wird.“

Info: Einen ergänzenden Bericht zu diesem Thema gibt es unter www.schwetzinger-zeitung.de

Hintergrund: Chronik der Tiefengeothermie in der Gemeinde

2004 wird von der Firma Geoenergy eine Drei-D-Seismik erstellt, mit der der Untergrund auf Gegebenheiten für geothermische Nutzung untersucht wird.

Als Standort für das Kraftwerk kristallisiert sich ein Areal am südlichen Ortsrand heraus. Die beiden Bohrungen sollen in der Tiefe bei Rohrhof und Ketsch ihren Endpunkt finden.

Bei der Geothermieanlage ist geplant, das heiße Wasser aus der Tiefe nach oben zu befördern, um über einen Generator Strom und Wärme zu erzeugen. Dann soll es wieder in den Untergrund gebracht werden.

So könnten über 30 Jahre bis zu acht Megawatt elektrische Energie produziert werden – genug, um 12 500 Vierpersonenhaushalte zu versorgen, erklärt Geoengergy 2006.

Ende 2008 wird der Bauvorbescheid zur Errichtung der Gebäude für das Geothermie-Kraftwerk vom Gemeinderat erteilt.

Wenige Monate später kommt es beim Geothermie-Projekt in Landau zu Erdstößen. Im Brühl bildet sich eine Bürgerinitiative gegen die Tiefengeo-thermie.

Die Firma Geoenergy erhält 2011 vom Bergamt in Freiburg die Bohrgenehmigung.

2011 verweigert der Rat der Verlängerung der Bauvoranfrage für die Gebäude der Anlage die Zustimmung. Das Landratsamt sieht aber keine geänderte Sach- und Rechtslage – es setzt den Ratsbeschluss aus.

2012 werden die Bau- und Bohrarbeiten begonnen.

Die ersten 3800 Meter tiefe Bohrung sowie Fündigkeitstests werden 2013 abgeschlossen. Die zweite Bohrung reicht 400 Meter tief.

Erste Tests sind in Bezug auf Druck und Temperatur des Wassers vielversprechend für die Erdwärmenutzung verlaufen.

Dennoch enden die Bauarbeiten im Frühjahr 2014.

2015 kommt es vor Gerichten zu juristischen Auseinandersetzungen zwischen Geoenergy und Gemeinde.

Im April 2015 meldet das Unternehmen Insolvenz an. Zwei Interessenten, die das Projekt übernehmen wollen, springen 2016 ab.

Laut damaligen Angaben von Geoenergy sind bis dahin 15 Millionen Euro investiert worden.

Im Herbst 2019 gibt das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau, das frühere Bergamt in Freiburg, die Lizenz für das Feld „Hardt“ zu dem auch Brühl gehört, zur Neuvergabe frei. Es melden sich schnell mehrere Bewerber für diese Konzession.

Ende 2020 taucht in der Diskussion auch die Gewinnung von Lithium als Nebenprodukt auf.

Im November 2020 erklärt der Gemeinderat mehrheitlich, dass öffentliche Interessen durch eine Erkundung negativ berührt seien – eine Absage an die Investoren.

Im März 2021 erteilt das Bergamt dem Konsortium aus EnBW und der MVV Energie die exklusive Erlaubnis zur Aufsuchung von Möglichkeiten zur Erdwärmenutzung in der Region.

Das Konsortium will im rechtsrheinischen Gebiet zwischen Mannheim, Heidelberg und Reilingen bis zu drei Geothermie-Heizwerke bauen.

Auch die alte Geothermie-Baustelle in Brühl bleibt dabei als Standort im Gespräch. ras

Freier Autor Volker Widdrat ist freier Mitarbeiter.

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