Brühl. Der Leimener Künstler Bernhard Apfel ist in der Hufeisengemeinde kein Unbekannter. 2008 stellte er in der Villa Meixner aus, seitdem stehen dort im Garten die Skulpturen der Salome und der drei Bischöfe. Seit Karfreitag steht in der St.-Michael-Kirche in Rohrhof ein ganz besonderes Werk von ihm: der Passionsaltar "Schuld und Sühne", der in Zusammenarbeit mit Häftlingen der Justizvollzugsanstalt (JVA) Heidelberg ("Fauler Pelz") entstand. Heute um 18 Uhr wird Apfel sein Werk vorstellen. Unsere Zeitung hat sich zuvor mit ihm unterhalten.
Herr Apfel, wie würden Sie ihre Kunst beschreiben?
Bernhard Apfel: Die alten spätgotischen Meister wie Dürer und Bosch haben es mir angetan, aber auch Surrealisten wie Hausner und Dalí. Allerdings kann man meine Kunst keinem bestimmten "-ismus" zuordnen. Ich laufe nicht gerne in der großen Masse mit. Lieber vermische ich die Stilrichtungen, verwende verschiedenste Materialien, um Kollagen zu erzeugen. Außerdem verbinde ich Kunst und Handwerk, das Zeichnen und die Arbeit mit Holz - das ist in der Kunstwelt eigentlich verpönt.
Wie stehen Sie persönlich zu Kirche und Religion?
Apfel: Ich bin im tiefsten Oberbayern aufgewachsen, also in einer streng katholischen Umgebung, aber eigentlich bin ich Atheist. Ich glaube, dass es eine Art Macht gibt, etwas, das uns leitet, aber mit den Religionen kann ich nicht viel anfangen. Besonders den weltlichen Formen der Kirche und ihren Inszenierungen stehe ich kritisch gegenüber. Nicht der erhobene Zeigefinger, sondern das Karikaturenhafte in meiner Kunst überwiegt.
Wie kam es dann dazu, dass Sie ausgerechnet so etwas Sakrales wie einen Passionsaltar gestaltet haben?
Apfel: Gegensätze ziehen sich an (lacht). 2010 habe ich für die Ausstellung "Gott-weiblich" in der Heidelberger Jesuitenkirche fünf Skulpturen gemacht. Dabei habe ich Pastoralreferent Hermann Bunse kennengelernt, der in der Citypastoral Heidelberg und der Gefängnisseelsorge tätig ist. Wir sind ins Gespräch gekommen und da fragte er mich, ob ich einen Passionsaltar machen könnte. Grundsätzlich komme ich mit der Kirche gut aus, also dachte ich warum nicht? Gestalterisch hat er mir alle Freiheiten gelassen, nur eine Auflage gab es: Ich sollte den Altar zusammen mit Häftlingen der JVA Heidelberg gestalten.
Wie haben Sie auf die Idee reagiert, mit Häftlingen zusammenzuarbeiten?
Apfel: Ich hatte den totalen Horror. Zum einen vor dem Gefängnis und vor diesen Menschen, die anderen Gewalt angetan haben - da musste ich erst einige Vorurteile abbauen. Zum anderen hatte ich auch noch nie mit jemand anderem zusammengearbeitet, und dann auch noch mit Laien. Bis der Altar schon zu zwei Dritteln fertig war, konnte ich mich drücken, aber dann kam Hermann Bunse auf das Thema zurück. Also habe ich die Tafeln ins Auto gepackt und bin damit in die JVA gefahren.
Wie hat sich die Zusammenarbeit dann schlussendlich gestaltet?
Apfel: Ich habe an zwei Nachmittagen mit den männlichen Häftlingen und an einem Nachmittag mit den Frauen gearbeitet. Wir haben die Bildtafeln betrachtet und Hermann Bunse hat die Passionsgeschichte erklärt. Es war etwas schwierig, da ein Großteil der Gefangenen Muslime waren. Die Häftlinge haben dann die einzelnen Szenen mit ihrer eigenen Situation in Zusammenhang gebracht, ihre Gedanken und Assoziationen aufgeschrieben und auch Bilder gemalt. Auf der Rückseite des Bildes zur Verurteilung durch Pilatus stehen zum Beispiel die verschiedenen Gesetzesbücher wie Bundesgesetzbuch und Strafgesetzbuch. Mit den männlichen Häftlingen war es teilweise sehr lustig, wir sind sehr ungezwungen miteinander umgegangen. Die Frauen und die Besuchsräume für Kinder zu sehen, war hart, nach diesem Besuch musste ich wieder aufgebaut werden.
Warum ein Wanderaltar, der den Ort wechselt?
Apfel: Eigentlich wollte ich, dass der Altar fester Bestandteil der Jesuitenkirche wird - aber das ging nicht. Inzwischen finde ich die Idee eines wandernden Altars eigentlich sehr gut. Ich kann so mehr Menschen erreichen und wenn wir mal ehrlich sind: Als Künstler möchte man vor allem, dass die eigenen Werke gesehen werden. Man steckt ja auch viel Arbeit und viel von sich selbst in ein solches Kunstwerk.
Wie sollen die Menschen Ihren Altar betrachten?
Apfel: Grundsätzlich ist dieser Altar ein Bildwerk so wie jedes andere in der Kirche, ein Schmuckstück, wenn man so will. Jeder kann darin sehen, was er möchte. Manche finden ihn abstoßend oder auch anstößig. Bislang waren die Menschen vor allem interessiert, alte wie junge. Mein Altar soll aber nicht aus der Entfernung betrachtet werden. In der Kirche wird oft aus großer Entfernung gesprochen, sowohl räumlich als auch inhaltlich. Ich möchte gerne, dass die Menschen zu meinem Altar hingehen. Ich habe viele Details eingearbeitet, die man erst bei genauem Hinschauen entdeckt. Man darf und soll ihn auch anfassen. Die Tafel "Die Wunde" ist eine tibetanische Gebetsmühle, die gedreht werden soll.
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