Pro und Contra

Lithium am Brühler Rhein: Ist dieser Rohstoff Segen oder Fluch?

Es klingt attraktiv: Lithium über Geothermie-Anlagen am Oberrhein gewinnen, das in Akkus seinen Beitrag zum Klimaschutz leistet, und bei dessen Förderung nebenbei auch noch Energie erzeugen. Das zumindest verspricht die Firma Vulcan Energy Ressourcen.

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Beim Geothermie-Kraftwerk des Energieversorgers EnBW in Bruchsal wird aktuell die Gewinnung von Lithium als Nebenprodukt der Erdwärmenutzung an dieser Stelle des Leitungssystems wissenschaftlich untersucht. © Umweltministerium

Brühl. Lithium ist ein Schlüsselrohstoff für die Energie- und Mobilitätswende, denn es bildet im Moment die Basis für fast alle leistungsstarken Akkus – egal ob im Handy oder im E-Auto. Ohne große Mengen an Lithium droht deshalb auch der Kampf gegen den Klimawandel zu scheitern.

In einer Studie des Vereins Deutscher Ingenieure wurde allerdings deutlich, wie schlecht die CO2-Bilanz von Batterien ist, die beispielsweise Fahrzeughersteller vor allem in China produzieren. Deshalb wirbt Horst Kreuter, Mitgründer des Karlsruher Unternehmens Vulcan Energy Resources, für die Lithium-Gewinnung in Deutschland. Sie biete aus seiner Sicht einige Vorteile – vor allen Dingen ökologische, wie er betont.

Für dieses Vorhaben sieht er in den Tiefen des Oberrheins ein großes Potenzial. „Das Lithium-Vorkommen, über das wir hier reden, ist gigantisch und von seiner Beschaffenheit ideal für unser Ziel, hochqualitatives Lithium im industriellen Maßstab in Deutschland zu gewinnen“, unterstreicht er gegenüber der Presse.

Im Südwesten Deutschlands läge damit ein Schatz von unglaublichem Wert: Gelöst im heißen Thermalwasser befindet sich dort das vermutlich größte Lithiumvorkommen Europas. Bisher werde der Rohstoff mit zweifelhaften Methoden in anderen Ländern teilweise unter Inkaufnahme großer Umweltbelastungen gefördert.

Perfekte Kombination?

Die Firma Vulcan Energie Ressourcen verspricht, das Lithium umweltfreundlich und in großen Mengen aus dem Thermalwasser des Oberrheingrabens zu lösen und dabei gleichzeitig Strom und Wärmeenergie zu gewinnen. Eigentlich klingt das nach einer perfekten Kombination. Doch in der Region organisiert sich Widerstand gegen die Pläne. Die Verfahren der Tiefengeothermie sind nicht nur in Brühl umstritten, denn in der Vergangenheit sollen tiefengeothermische Bohrungen Erdbeben ausgelöst und mehrfach für Schäden an Gebäuden gesorgt haben. Ob der Lithiumschatz also jemals gehoben werden kann, scheint deshalb im Moment noch fraglich.

SWR Wissenschaftsjournalist Axel Wagner verfolgt in der Web-Dokumentation „Erdbeben durch Lithiumförderung?” dieses Thema. Der Film ist ab Donnerstag, 13. Oktober, in der ARD-Mediathek und auf dem SWR- Youtube-Kanal abrufbar. Er verfolgt die Spur des Oberrheinlithiums und trifft dabei Vertreter von Vulcan Energie, Tiefengeo-thermie-Experten und Menschen, die sich mit Schäden an ihren Häusern allein gelassen fühlen.

Bezug nehmend auf diesen Film lassen wir im Vorfeld der Sendung einen Befürworter und einen Gegner aus der Region in einem „Pro und Contra“ zu Wort kommen.

Pro Lithium: Dr. Andre Baumann spricht sich für die Technik aus

Dr. Andre Baumann sitzt für Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg. Der Schwetzinger ist Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes. Baumann spricht sich für die Technik aus:

Dr. Andre Baumann spricht sich für die Technik aus. © umweltministerium

„Vielleicht liegt der eigentliche Rheinschatz nicht im Rheinstrom selbst, sondern 2000 bis 3000 Meter darunter: im uralten Thermalwasser. Das Thermalwasser ist deutlich über 100 Grad Celsius heiß und um ein vielfaches salziger als das Wasser des Toten Meeres.

Eines der im Thermalwasser gelösten Salze ist Lithiumcarbonat. Die Lithiumgewinnung ist jedoch nicht der Hauptgrund, warum sich das Land für eine Nutzung der Tiefengeothermie ausspricht. Mit der Wärme aus der Tiefe können landesweit Hunderttausende Haushalte mit klimafreundlicher, preiswerter und regionaler Wärme versorgt werden. Rund um Schwetzingen kann die Erdwärme in das vorhandene Fernwärmenetz eingespeist werden, an das rund 120 000 Haushalte angeschlossen sind. Bis 2030 soll das Großkraftwerk Mannheim aus dem Leistungsbetrieb gehen. Stichwort: Kohleausstieg. Darum gilt es dringend neue Wärmequellen zu erschließen. Und die Tiefe Geothermie ist die leistungsfähigste Alternative.

Die Lithium-Nutzung bei uns ist ebenfalls ökologisch und industriepolitisch hoch sinnvoll. Bislang stammt Lithium, das für Batterien derzeit noch in großen Mengen gebraucht wird, aus zwei Regionen: Aus der Atacama-Wüste in Chile, wo Lithium nicht besondersumweltfreundlich gewonnen wird. Lithium wird auch in Australien abgebaut und in China aufbereitet.

Eine Lithium-Produktion bei uns hätte den Vorteil, dass wir uns aus der Rohstoffabhängigkeit Chinas weiter befreien könnten.

Die Batterie trägt zur Hauptwertschöpfung im Automobil der Zukunft bei. Darum muss sich das Automobilland Baden-Württemberg auch bei der Batterieentwicklung und -produktion kraftvoll aufstellen und darf bei der Rohstoffversorgung nicht von einer Region abhängig sein. Man kann sich gut vorstellen, was passieren würde, wenn China den Lithium-Hahn abdrehte. Dann rollen in Baden-Württemberg so gut wie keine E-Autos mehr vom Band.

Da bei uns eine Lithium-Nutzung unter den sehr hohen europäischen und deutschen Umweltstandards stattfinden wird, wird eine Lithium-Produktion umweltfreundlich stattfinden. Auch das ist gut.

Ich begrüße sehr, dass die Lithiumgewinnung sowohl bei der EnBW mit der Geothermie-Anlage in Bruchsal als auch durch Vulcan Energie erforscht und erprobt wird. Sollte eine Lithium-Produktion nachhaltig machbar sein, sollten wir diese im badischen Oberrheingraben mit ganzer Kraft voranbringen. Dadurch würden bei uns Jobs geschaffen, die ökologische Transformation unserer Industrie vorangetrieben, ein wesentlicher Beitrag zum Umweltschutz geleistet und die viel zu hohe Abhängigkeit von China abgebaut.

Als Abgeordneter des Wahlkreises habe ich für Bürgerinnen und Bürger Informationsbesuche im Forschungszentrum von Vulcan Energie durchgeführt. Das Unternehmen hat uns die Gewinnung von Lithium vorgestellt. Und nicht nur in der Geothermie-Anlage in Bruchsal begrüße ich die Nutzung der Lithium-Gewinnung im badischen Oberrheingraben."

Contra Lithium: Thomas Gaisbauer mahnt etliche Gefahren an

Thomas Gaisbauer ist Mitglied der CDU-Fraktion im Brühler Gemeinderat. Der Brühler ist im Vorstand der Bürgerinitiative gegen Tiefe Geothermie Brühl/Ketsch aktiv. Gaisbauer spricht sich gegen die Technik aus:

Thomas Gaisbauer von der BI-Geothermie mahnt etliche Gefahren an. © Zelt

„Wir sind einmal mehr überrascht, denn die Firma Geohardt bestätigt in einem Treffen gegenüber der Bürgerinitiative, dass sie nicht an einer Zusammenarbeit mit Vulcan Energy interessiert sei. Und plötzlich schließt die MVV als Gesellschafter der Geohardt wenig später einen Abnahmevertrag für Erdwärme für über 20 Jahren mit der Vulcan Energy.

Dies bestätigt einmal mehr die Unglaubwürdigkeit von Aussagen beziehungsweise Zusagen der beteiligten Firmen. Die Wärme für die Produktion soll aus einem Geothermie-Kraftwerk kommen, was Vulcan Energy in der Nähe von Mannheim errichten will. Unseres Wissens hat das Unternehmen allerdings keine Aufsuchungserlaubnis im Aufsuchungsfeld „Hardt“.

Dennoch hat Vulcan Energy bereits Verträge bezüglich einer enormen Lithiumfördermenge unter anderem mit der Automobilindustrie geschlossen. Verträge, die nach heutigen Stand nicht zu realisieren sind.

Vulcan Energy ist außerdem seit Januar 2022 Besitzer der Anlage in Insheim. Die Förderraten dort sind gering. Die Erdbebengefahr lässt ein Mehr in der Förderung in Insheim und Landau aber nicht zu. Durch einen flächendeckenden „Schnellschuss“ setzt Vulcan Energy rein aus eigenen wirtschaftlichen und selbst verschuldeten Zwängen die Natur des Oberrheingrabens, das Trink- und Grundwasser sowie die Gesundheit sowie den Grundbesitz der dort wohnenden Menschen wissentlich auf Spiel.

Es geht dem Unternehmen also offensichtlich rein ums Geld beziehungsweise den Profit. Es gibt heute durch Vulcan Energy keine verlässlichen Aussagen, Daten, Fakten zu Fördermengen, Förderraten, Lage oder Anzahl der Kraftwerke und so weiter.

Eine Erhöhung der Fließ- und Förderraten für die von Vulcan Energy gewünschten Lithiummengen ließe die Erdbebengefahr extrem ansteigen. Sie ist aus unserer Sicht, Stand heute, einfach nicht möglich.

Die Firma Vulcan Energie ist als Partner in Teilen auch als nicht seriös bekannt. Bei ihr ist ein riesiger Verbrauch von kostbarem Trink- und Grundwasser zu befürchten.

Über die Langzeitfolgen der Entnahme von Lithium im Tiefenwasser beziehungsweise über die Auswirkungen im Untergrund selbst weiß heute niemand Bescheid; auch nicht der Chef des Unternehmens Kreuter.

Bisher haben auch Experten bezüglich der Lithiumgewinnung nur wenig Erfahrung – Bruchsal ist nur eine kleine Pilotanlage, die nach Jahren der reinen Laborforschung mit geringen Mengen betrieben wird.

Es gibt also heute zu viele Unbekannte. Für die Lithiumgewinnung aus Tiefenwasser gibt es noch gar keine Großanlagen – auch die Experten stehen vielen offenen Fragen gegenüber, möglicherweise treten Verstopfungen der Rohre auf oder ist der Nutzungszeitraum begrenzt vorzustellen. Tiefenbohrungen sowie die Entnahme und Rückführung von Tiefenwasser bergen grundsätzlich die gleiche Gefahr der Seismizität wie bei einer Strom- oder Wärmegewinnung.

Bei Gebäudeschäden bestehen unseres Erachtens die gleichen Schwierigkeiten beim Nachweis und der Regulierung. Die Lithiumgewinnung erhöht zudem den technischen Aufwand an der Oberfläche.“

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