Exkursion

Radtour mit Staatssekretär Baumann: Im Umweltschutz schadet alles Radikale

Grüner Landtagsabgeordnete Andre Baumann zeigt in den Schwetzinger Wiesen bei Brühl auf, wie wichtig die Zusammenarbeit von Umweltschutz und Landwirtschaft ist.

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Stefan Kern
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Fahrradexkursion mit Dr. Andre Baumann (li.) durch das Natur- und Landschaftsschutzgebiet "Schwetzinger Wiesen - Edinger Ried". © Dorothea Lenhardt

Brühl. Die Schwetzinger Wiesen sind ein rund 350 Hektar großer Teil des 650 Hektar umfassenden Natur- und Landschaftsschutzgebietes zwischen der Brühler Ortsbebauung und dem Rhein. Doch zumindest für Dr. Andre Baumann, heute Staatssekretär im baden-württembergischen Umweltministerium, sind das nur nüchterne Daten. Für ihn persönlich sind diese Wiesen eine Art biografischer Kristallisationspunkt.

Mehr als sein halbes Leben lang beschäftigt er sich mit diesem Gelände und sucht nach Wegen für einen Interessensausgleich zwischen den Belangen des Menschen, genauer den Landwirten, und den Bedingungen für eine intakte Umwelt. Eine Suche, die durchaus Früchte trägt, aber auch immer wieder für Spannungen sorgt. Auf diesen paar Hundert Hektar zeige sich die ganze Komplexität des Mensch-Natur-Verhältnisses und vielleicht ist es Baumann deshalb ein Anliegen immer wieder Fahrradexkursionen in dieses Gebiet anzubieten.

Fahrradexkursion mit Dr. Andre Baumann (6. v. l.) durch das Natur- und Landschaftsschutzgebiet "Schwetzinger Wiesen - Edinger Ried". © Dorothea Lenhardt

Das Verhältnis zwischen Landwirtschaft und Umweltschutz ist nicht unbelastet. Vor allem seit den 1960er Jahren gerieten die Landwirtschaft und die Umwelt aufgrund der Grünen Revolution zunehmend auf Kollisionskurs.

Ausgleich zwischen Natur und Mensch gefordert

Sowohl bei Tieren als auch den Pflanzen wurde auf Hochertragssorten inklusive industrieller Bearbeitung umgestellt. Dabei konnte die landwirtschaftliche Produktion enorm ausgeweitet werden, was der Natur jedoch nicht gut bekam. Böden degenerierten und die Artenvielfalt leide seitdem. Aber, und das betonte Baumann bei seiner Exkursion mit rund zwölf Teilnehmern, das müsse nicht sein. Baumann erklärte immer wieder, dass ein Ausgleich zwischen Natur und Mensch möglich sei. Im Ländle wurde dieser Gedanke sogar unter dem Namen „Baden-Württembergischer Weg“ institutionalisiert. Er besagt, dass die Landwirtschaft und der Naturschutz nur gemeinsam gestärkt werden können. Ein Ansatz, der sich auf Geschichte berufen kann.

Denn die Schwetzinger Wiesen seien im Grunde durch menschliches Tun entstanden. Ab dem 16. Jahrhundert begannen die Menschen dort, ihr Vieh einzustallen. Das hatte zur Folge, dass sie Heu brauchten und das wiederum war der Beginn der Wiesenwirtschaft. Sie waren wichtig, wurden gepflegt und regelmäßig gemäht.

Artenvielfalt wächst bei selteneren Mahden

Eine Verbuschung beziehungsweise Verwaldung wurde verhindert, was die Artenvielfalt geradezu befeuerte. Dieses Biotop verdanke sich also der Landwirtschaft und genau zu diesem Verhältnis will Baumann zurück. „Für die Zukunft müssen wir sicherstellen, dass die Natur geschützt und gepflegt wird, der Landwirt aber trotzdem sein Auskommen findet.“ Das heiße für ihn, dass der Landwirt entschädigt werden muss, wenn er beispielsweise darauf verzichtet die Wiese stark zu düngen, um vier oder gar fünf Mal im Jahr mähen zu können, sondern dafür nur zweimal im Jahr mäht. Für die Artenvielfalt sei das ein enormer Unterschied. Bei vier oder fünf Mahden fände man weniger als ein Dutzend Arten auf einem Quadratmeter, wenn nur zwei Mal gemäht würde, seien es 40 bis 50 verschiedene Arten auf dem Quadratmeter.

Und da sind die Moore. Für den Klimaschutz sind sie wahre Giganten. Vereinfacht gesprochen sind Moore Gebiete, in denen die Vegetation lange unter Wasser steht. Unter Luftabschluss zersetzen sich abgestorbene Pflanzen nicht, das CO2 bleibt gespeichert und es entsteht Torf. Obwohl Moore nur drei Prozent der weltweiten Landfläche bedecken, binden sie doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder zusammen, die weltweit auf eine Gesamtfläche von mehr als 30 Prozent kommen.

Erhaltung der Moore ist effektiver CO2-Schutz

Leider gebe es in Deutschland kaum noch intakte Moore. Früher, so der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, bedeckten Moorlandschaften im Land rund 1,5 Millionen Hektar, das sind knapp über vier Prozent der Landesfläche. Davon seien mittlerweile 95 Prozent zerstört. Und „zerstört“ bedeutet, dass die Moore von effektiven CO2-Senken zu großen CO2-Emittenten werden. Angesichts ihres Klimaeffekts ist für Baumann damit jeder Hektar Moor ein Gewinn.

In den Schwetzinger Wiesen müsse man angesichts des Klimawandels mit weniger Regen, mehr Dürre und sinkender Grundwasserspiegel über eine Bewässerung nachdenken. Es sei eine Anpassungsstrategie, die aber Sinn mache. All das aber stets gemeinsam mit den Landwirten. Für den Erfolg des Umweltschutzes sei es entscheidend die Landwirte mit ins Boot zu holen. „Alles radikale schadet am Ende.“ Nicht nur dem Menschen, sondern auch der Natur.

Freier Autor Stefan Kern ist ein freier Mitarbeiter der Schwetzinger Zeitung.

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