Brühl. Bewegung tut gut. Und sie lindert Not, denn, wenn sich genügend Menschen auf einen Weg machen, kann das bares Geld bedeuten. So funktioniert zumindest das Konzept des Hungermarschs, der gestern von Menschen organisiert und unterstützt wurde, die in den Kirchengemeinden Brühl, Oftersheim, Plankstadt, Schwetzingen und Ketsch verwurzelt sind.
35 Jahre nachdem sie sich erstmals auf den Weg machten, um Spendengelder auf diese Weise zu akquirieren, gingen gestern erneut knapp 100 Menschen los, um ein Zeichen zu setzen. Helmut Mehrer, der beim ersten Marsch 1983 mit dabei war, steht am Morgen erwartungsfroh vor der Marion-Dönhoff-Schule, um alle zu begrüßen, die sich zur Teilnahme entschlossen und sich auf die Suche nach Sponsoren für ihre Wegstrecke gemacht hatten. Zur Auswahl standen drei Strecken: fünf oder zehn Kilometer zu Fuß gehen oder 25 Kilometer mit dem Fahrrad fahren.
„Die Motivation der Teilnehmer ist es, den Hunger in der Welt zu bekämpfen“, weiß der engagierte Brühler, dessen Kirchengemeinde diesmal mit der Organisation beauftragt war. Er wird für einen Moment sehr ernst: „Wir machen das jetzt seit so langer Zeit und noch immer gibt es diesen Hunger. Dabei wünschen wir uns, dass die Erde allen Menschen zur Heimat werde. Vor allem in Afrika sollen sich die Lebens- und Arbeitsumstände verbessern.“
Ökumenisches Engagement
Im Jahr 1983, erinnert er sich, hatte man viel Geld gesammelt und war mächtig stolz auf das Ergebnis. „Wir wollten aufhören“, so Mehrer, der noch schnell neue Ankömmlinge begrüßt, „doch dann blieb bei unserem Nachtreffen Rosemarie Kramer aus Bad Schönborn einfach sitzen und alle schauten sie an. Sie fragte: ,Darf man aufhören, gut zu sein?’“
Die Antwort könne man selbst finden, glaubt Mehrer nach wie vor. „Natürlich darf man nicht aufhören“, sagt er aus dem Brustton der Überzeugung. Sein Blick geht wieder Richtung Uhr.
Noch fünf Minuten, bis der gemeinsame Marsch aller Teilnehmer zur Schutzengelkirche beginnt. Kurt Gredel kommt lächelnd auf ihn zu. Er hat das große Transparent dabei, auf dem „Hungermarsch“ steht.
Der Ketscher gehört dort zur Eine-Welt-Gruppe. Die Zehn-Kilometer-Strecke hat er hinter sich. Bei der Hitze? „Naja, es ging auch am Waldrand entlang, das war wohltuend“, verrät er. Waltraud Scherer nickt. Mit Ehemann Paul war sie Initiatorin des ersten Hungermarsches. Noch heute verwaltet sie die Gelder, die gesammelt werden, und verteilt sie an die einzelnen Projekte.
Ihr hat am Morgen die Aussendung durch den evangelischen Pfarrer Oliver Seel gefallen. „Ökumenisch“, sagt sie. Heute wirken alle Christen gemeinsam an der Sache. Der Psalm, den sie gemeinsam gelesen haben, das Gebet und das Lied hätten gut getan, bevor sie sich auf den Weg machten. Und natürlich der Segen des Gottesmannes. Fünf Kilometer ist sie mit ihrem Ehemann gegangen, um „in Gemeinschaft etwas Gutes zu tun.“ Die Rückmeldung aus den Projekten der fünf Gemeinden gibt ihr Recht, sagt sie.
Die Brühler Gemeinden helfen den Partnern im afrikanischen Dourtenga. Die Ketscher sammeln für eine Schule und ein Kinderheim in Tansania. Das Team Oftersheim setzt sich für die Aids-Hilfe in Südafrika ein. Aus Plankstadt kommt Unterstützung für eine Schule in Mvimwa/ Tansania sowie das Caritas-Projekt von Pfarrer Reinholdt Lovasz zur Bekämpfung der Armut. Die Teilnehmer aus Schwetzingen fördern eine Aktion der Kinderrechtsorganisation KIRA in Benin zum Schutz vor sexueller Gewalt und Ausbeutung.
Weltgeschehen reflektieren
Auch der grüne Landtagsabgeordneter Manfred Kern hat sich unter die muntere Truppe mit Menschen aller Generationen gemischt. „Es tut gut, gemeinsam mit den Menschen zu reflektieren, was in der Welt so vor sich geht“, fasst er seine eigene Motivation zusammen. Und schon geht es weiter, die kleine Pause im schattigen Schulhof ist vorüber. Der Weg führt entlang der Felder zur Kriegerkapelle, dann zur Schutzengelkirche. Der Gottesdienst wird gut tun, das anschließende Solidaritätsmahl und anschließendem Kaffee mit Kuchen im Pfarrzentrum – zubereitet von vielen fleißigen Händen der Frauengemeinschaften – ohnehin.
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