BRÜHL. So viel Applaus gab es selten in einer Probe der Bläserakademie. Es war ein besonderer Abend, denn Studenten der staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Mannheim waren zu Gast. „Es ist eine ganz prima Sache mit der Zusammenarbeit“, lobte Professor Hermann Pallhuber, „die Studenten können hier mit einem größeren Orchester die Realsituation beim Dirigieren erfahren.“
Für die Studenten Daniel Schneider, Björn Zimmermann, David Waldeyer, Evelyn Majewski, Tobias Elsäßer und Wolfgang Dietrich stand das Stück „La Quintessenza“ von Johan de Meij auf dem Stundenplan. Intensiv hatten sie sich mit der Literatur beschäftigt, sich ihre „Handschrift“ für das Dirigat überlegt. Vor ihnen saßen 41 Musiker des Orchesters, das üblicherweise von Tobias Nessel dirigiert wird. Nessel selbst rückte auf einen Sitzplatz zurück und machte das Dirigentenpult frei.
Per Los wurde über die Abfolge entschieden, wer wann aufs Holztreppchen steigen durfte. „Es ist ein klasseninterner Wettbewerb um das Gastdirigat beim Konzert der Bläserakademie am Sonntag, 17. März“, erklärte Pallhuber. Alle Aspiranten hätten die fachlichen Grundlagen dafür. Für den Professor bot das Beobachten seiner Studenten viele Impulse für die weitere Ausbildung. Eine genaue Studie dessen, was er bereits kennt, aber auch ganz neue Erkenntnisse über die Studenten in der realen Situation eröffneten sich.
„Immer noch eine Männerdomäne“
Dieses Dirigieren könnte das „tägliche Brot“ für den einen oder anderen werden, weiß Pallhuber: „Nicht jeder strebt an, Vollzeit-Dirigent oder Lehrender zu werden.“ Somit sind die Blasmusikgruppen diejenigen, die die Dirigenten verpflichten. Es fiel auf, dass nur eine Frau unter den Studenten ist – Evelyn Majewski. Sie unterstrich: „Es werden immer mehr Frauen, aber das Dirigieren ist immer noch eine Männerdomäne.“ Sie selbst liebt die Musik, sich als Dirigent vor ein Orchester zu stellen und mit gezielten Veränderungen jedem Werk die eigene Marke zu geben, das Beste rauszuholen. Das stellte sie in ihrer Zeit mit den Brühler Bläsern auch unter Beweis.
Insgesamt hatte jeder Jungdirigent nur zwölf Minuten mit den Instrumentalisten. Für die Musiker war das eine anstrengende Situation, weil sie sich in kürzester Zeit auf jemanden Neuen einstellen mussten. Jeder ging eine andere Passage des Stücks an, feilte an anderen Positionen. Nicht jeder Musiker war dabei mit seiner eigenen Leistung zufrieden, ließ vielleicht auch mal die Mundwinkel hängen. „Das kann der Dirigent, der noch nicht so versiert ist, leicht auf sich beziehen“, erläuterte Pallhuber, dass das zu Unsicherheiten führen könne: „Das erkennt man aber nur durch die Praxisarbeit und die Beziehung zu den Musikern.“
Nacheinander kitzelten die angehenden Dirigenten aus den Musikern heraus, was sie hören wollten, bevor jeder Bläser seine Stimme für einen Dirigenten abgeben durfte. Nach 30 Minuten war Pallhuber mit Nessel fertig mit der Auswertung der Stimmen und freute sich auf weitere Gastdirigate in Brühl. Jeder der sechs künftigen Dirigenten hatte Stimmen auf sich vereinen können – jedoch konnte es nur einen geben, der am Ende den Taktstock beim Konzert schwingen darf. „An der breiten Stimmverteilung kann man ablesen, wie individuell es ist, ob ein Dirigent passt oder nicht, es gibt das hundertprozentige Match einfach nicht“, sprach Pallhuber von der „Chemie“, die eine deutliche Rolle für die Entscheidung spiele.
Jeder der 41 Musiker hat da seine eigenen Präferenzen. Allein die Körperhaltung, der so wichtige Blickkontakt und die Erläuterungen für gewünschte Änderungen können da ausschlaggebend sein. Fest stand am Ende der Stimmzettel-Auszählung, dass David Waldeyer das Rennen gemacht hatte, die meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Strahlend nahm der den Applaus entgegen, wie auch die Gratulation seiner Mitstreiter. Er kommt nun zu den Proben Anfang März und natürlich als Gast-Jungdirigent für „La Quintessenza“ zum Konzert am Sonntag, 17. März, um 17 Uhr in St. Michael. zesa
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