Brühl/Ketsch. Der Übergang von der Schule in den Beruf ist fast immer eine Herausforderung. Bis dahin verläuft das Leben meist nicht so selbstbestimmt. Kindergarten und Schule sind alternativlos. Doch das ändert sich mit dem Schulabschluss schlagartig und umfassend. Denn es stehen Alternativen beinahe ohne Ende offen.
Und genau deswegen sind Orientierungsveranstaltung wie die Ausbildungsbörse an der Marion-Dönhoff-Realschule so wichtig. Gibt es dort doch viele Informationen über verschiedenste Wege aus erster Hand. Und diese Quelle aus erster Hand ist den digitalen Portalen immer noch überlegen. Thomas Wagner, Einstellungsbeauftragter der Bundespolizei, erklärte, dass die Begegnung von Angesicht zu Angesicht für die Joborientierung weitaus zielführender sei. Beide Seiten würden schnell erkennen, ob das passe.
Das ist eine Einschätzung, die auch auf Schülerseite anzutreffen ist. Das Gespür für den Job sei intensiver, meint Nikoluos aus der zehnten Klasse. Er habe den Job als Brauer schon vorher interessant gefunden. Aber nach dem Gespräch mit dem Braumeister und Biersommelier der Welde, Stefan Dück, war er Feuer und Flamme für den Job.
Es sind die Geschichten, die den stellvertretenden Schulleiter und Mitverantwortliche für die Berufsorientierung, Daniel Gérard, für diese Messe einnehmen. Dieser Schritt in die Berufswelt sei eine der Weggabelungen und bedürfte doch einiger Umsicht. Dabei sei das analoge Gespräch mit potenziellen Arbeitgebern von unschätzbarem Wert.
34 Unternehmen vor Ort
Bevor die Ausbildungsbörse in der Aula der Realschule mit 34 potenziellen Arbeitgebern oder weiterführenden Schulen begann, traf sich CDU-Landtagsabgeordnete und Mitglied im Landtagsausschuss für Bildung, Andreas Sturm, und CDU-Gemeinderat Wolfgang Reffert mit Schülern, Eltern und der Schulleitung. Dabei tat sich eine auf den ersten Blick überraschende Paradoxon auf. Es sei noch nicht so lange her, dass sich viele Bewerber um nicht ganz so viele Ausbildungsplätze bewarben. Heute habe sich die Situation in ihr Gegenteil verdreht.
Die Unternehmen suchten händeringend Auszubildende. Sturm meinte, dass laut Industrie- und Handelskammer (IHK) derzeit 4000 Lehrstellen in der Region Rein-Neckar nicht besetzt seien. „Besorgniserregend.“
Eine andere Schaltstelle für die Berufsorientierung, das Praktikum, entwickele sich dagegen alles andere als spiegelbildlich. Auf Nachfrage Sturms, erzählten Schüler und Eltern von großen Problemen bei der Praktikumssuche. Ein Grund finde sich in Corona. Zahlreiche Unternehmen seien extrem zurückhaltend gewesen. Einer der Schüler berichtete davon, dass er gerade bei größeren Unternehmen nur Absagen bekommen habe.
Ein Sachstand, den der Schulleiter Martin Jendritzki bestätigte. „Es war für die Schüler in den vergangenen Jahren schwer, an Praktika zu kommen.“ Ein weiteres Problem, viele Unternehmen haben Personal ins Homeoffice geschickt und würden mit extrem knapper Personaldecke arbeiten. Folge: Die Unternehmen können Praktikanten nicht mehr angemessen betreuen und lehnen dann lieber ab.
Ein weiterer schwieriger Punkt kam in dieser Runde beim Handwerk zur Sprache. Die Probleme, Nachwuchs zu finden, seien massiv. Und ein Grund dafür fand ein Schüler in den Ansichten von Eltern und Großeltern. Das Image des Handwerks sei nicht das beste. Immer noch würde geglaubt, dass man sich im Handwerk kaputt schaffe. Arbeit in einem Büro biete demnach mehr Perspektive – auch ökonomisch.
Veraltetes Gedankengut
Beides, so Sturm, sei Gedankengut von gestern. Schützenhilfe bekam Sturm dabei später durch Ben-Jona Derlin von der Handwerkskammer. Auch er begegne diesen Klischees auf Jobbörsen immer wieder. Und sie seien alle nicht mehr zeitgemäß. Schreiner verlören zum Beispiel an der Kreissäge schon lange keine Finger mehr. „Die Technik ist so weit, dass da nichts mehr passieren kann.“ Und auch in vielen anderen Handwerksberufen sei der technische Support so weit, dass von verschlissenen Körpern nicht mehr gesprochen werden könne.
Kurz berührten die Gesprächsrunde dann auch noch die Digitalisierung. An der Marion-Dönhoff-Realschule kein wirklicher Brennpunkt. „Wir sind ausgezeichnet ausgestattet“, so Gérard. Und die Integrierung der Geräte in den Unterricht wurde allseits als Erfolgsstory erzählt. Insgesamt erschienen die Schüler im Rahmen des Gesprächs, aber auch anschließend auf der Ausbildungsbörse sehr selbstbewusst.
Andjela, neunte Klasse, fühlt sich gut ausgebildet und glaubt damit auch ihre Ziele erreichen zu können. Für sie soll es Richtung Medizin gehen. Arbeit in einer Apotheke oder einem Labor wären gut. Joshua, auch neunte Klasse, zielt dagegen mehr Richtung Kfz-Mechatroniker oder Informatik. Auch die Neuntklässlerin Tamika geht Richtung Informatik. Eigentlich alle, mit denen unsere Zeitung sprach, zeigten sich in Sachen Zukunftsaussichten entspannt. „Das klappt schon“, so der Tenor bei diesem Treffen.
Und das war nicht von der Hand zu weisen. Denn auch alle Unternehmensvertreter ließen keinen Zweifel daran, dass sie Mitarbeiter suchten. Und dabei seien Jobbörsen ideale Instrumente. Dück von der Welde-Brauerei sieht darin sogar das beste Instrument bei der Akquise. „Das Vieraugengespräch ist jedem Sozialen-Netzwerk-Getue überlegen.“ Und auch das war eine Sicht, auf die man durchweg gestoßen ist. Gerade nach den Erfahrungen mit Corona wurde deutlich, welch überragende Bedeutung solche Jobbörsen immer noch haben.
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