Brühl/Ketsch. Seit Jahrhunderten praktizieren Menschen in aller Welt das Fasten – früher vor allem aus religiösen Motiven, heute auch, weil sie den freiwilligen und bewussten Verzicht als Bereicherung ihres Lebens empfinden. Im Christentum beginnt die Fastenzeit am Aschermittwoch und endet am Ostersonnabend, also nach 46 Tagen.
In diesem Jahr dauert sie von diesem Mittwoch, 14. Februar, bis zum 30. März. Traditionell sind die sechs Sonntage vom Fasten ausgenommen, sodass 40 Fastentage bleiben
Der katholische Pfarrer für Ketsch und Brühl, Erwin Bertsch, meint dazu: „Ja, selbstverständlich werde ich fasten. Für mich ist das immer eine gute Zeit, um mal wieder Selbstbeherrschung zu üben, indem ich eingefahrene Gewohnheiten in den Blick nehme und versuche, sie zu ändern und mich zu beherrschen – etwa Ess- oder Trinkgewohnheiten, im Umgang mit Fernseher oder Computer. Ziel ist es, dass die Dinge nicht mehr mich beherrschen, sondern ich sie. Das schafft auch gleichzeitig einen größere Freiheit. Man merkt dann manchmal bei einigen Dingen: Es geht auch ohne. Der liebe Gott braucht mein Fasten nicht. Er hat ja gesagt ,Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!‘ Fasten ist also kein Opfer, um Gott einen Gefallen zu tun. Opfer sind nur sinnvoll, wenn sie einen Nutzen haben für andere oder mich selbst. Fasten hat deshalb für mich den Sinn, dass es mich von schlechten Gewohnheiten befreit und mich Gott näherbringt, weil ich die gewonnene Freiheit dafür verwenden möchten. So gesehen ist für mich der körperliche Nutzen des Fastens auch ein positiver Nebeneffekt.“
Sein evangelischer Amtskollege aus Ketsch, Christian Noeske, erklärt: „Ich persönlich versuche mein gesamtes Leben nicht zu sehr über die Stränge zu schlagen und mich ökologisch vernünftig zu verhalten. Deshalb werde ich mich auch nicht zusätzlich in diesem Zeitrahmen vor den Ostertagen besonders beschränken. Ich stelle die Wochen vor Ostern eher unter das Thema der Passionszeit. Aber ich weiß, dass das Fasten vielen anderen Menschen wichtig ist – deshalb finde ich es gut, wenn sie für sich diese Zeit zum Fasten nutzen. Es gibt ja auch das ökumenische Projekt ,Sieben Wochen ohne‘, das ich wirklich gut finde. Dabei geht es weniger um die Ernährung, als vielmehr um eine Bewusstwerdung alltäglicher Dinge, etwa mit dem Autofasten, bei dem mehr Strecken zu Fuß oder mit dem Rad zurückgelegt werden.“
Dr. Uta Verena Gröschel ist Fachärztin für Allgemeinmedizin, Naturheilverfahren und Akupunktur bei den Brühler Internisten. Sie meint: „Ich gehöre zu den Menschen, die vor Ostern eher selten fasten. Das Fasten an sich ist eigentlich gut, aber man sollte das nicht auf diese sieben Wochen im Jahr beschränken. Bei den meisten von uns besteht ja nicht das Problem der Unter- oder Mangelernährung – im Gegenteil: Wir haben beim Essen von verschiedenen Sachen viel zu viel. Da sind die Kohlenhydrate, Fette, Zucker. Beispielhaft möchte ich Süßigkeiten oder Chips nennen, die zu den liebgewordenen Gewohnheiten gehören, von denen man nur schwer lassen kann. Deshalb sollte eine Einschränkung da prinzipiell nicht auf die Wochen vor Ostern beschränkt bleiben. Aber wenn sich jemand ansonsten überhaupt nicht ein Stück weit zurücknehmen würde, ist es besser, das zumindest in der österlichen Fastenzeit zu machen. Das wäre schon einmal ein Anfang. Abraten würde ich das Fasten aber bei Menschen über 80 Jahren, die sich vielleicht nicht mehr so viel bewegen, und bei dem Teil, der Bevölkerung, der stark untergewichtig ist. Da kann das Fasten zu gesundheitlichen Problemen führen.“
Nathalie Wunderling, Gemeindereferentin der katholische Kirchengemeinde Brühl/Ketsch sagt: „Für mich ist die Fastenzeit eine ganz besondere und wertvolle Zeit im Kirchenjahr. Sie dient mir als Vorbereitungsweg auf das Osterfest hin. Jesus hatte sich nach seiner Taufe 40 Tage lang in die Wüste zurückgezogen, um zu fasten und um Gott nahe zu. So möchte auch ich die Fastenzeit nutzen, um meine Beziehung zu Gott zu festigen. Sie dient mir zugleich als Zeit der inneren Besinnung und Neuausrichtung. Für die Fastenzeit habe ich immer zwei Vorsätze: Einen für den Körper – in diesem Jahr möchte ich in der Fastenzeit keine Wurst essen. Da ich schon gerne zum Frühstück ein Wurstbrötchen esse, wird mir das nicht leicht fallen. Und einen zweiten Vorsatz für die Seele – so möchte ich in dieser Fastenzeit immer zehn Minuten früher aufstehen, um ganz bewusst in den Tag zu starten. Für mich hat das Fasten eine ganzheitliche Dimension, bei der sowohl der Körper als auch die Seele angesprochen werden. Sich eine gewisse Zeit zurückzunehmen, auf eine bestimmte Sache zu verzichten, das fällt uns nicht immer leicht. Und gleichzeitig ermöglicht das oftmals eine neue Sicht auf viele Dinge. Und das Schöne und Mutmachende ist, dass ich auf diesem Fastenweg nicht alleine bin, sondern dass sich auch viele andere Christen mit auf den Weg machen. Diesmal überschneidet sich zudem der Ramadan zeitweise mit unserer christlichen Fastenzeit und ich finde es immer bereichernd, mich mit unseren muslimischen Mitbürgern auszutauschen.“
Jürgen Gieße ist Metzger mit Geschäft in Brühl und meint zum Thema: „Nein, ich persönlich bin nicht der Typ, der an der vorösterlichen Fastenzeit teilnimmt. Aber ich merke schon bei den Kunden, dass viele von ihnen die Fastenzeit entsprechend einhalten, denn der Umsatz von Fleisch und Wurst geht in dieser Zeit schon ein wenig zurück.“
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