Eppelheim. Wenn an deutschen Stammtischen über Führerscheine debattiert wird, ist das Urteil klar. Die Jugend wird schlechter. Ein Narrativ, das seit mindestens 5000 Jahren - belegt erstmals auf einer Tontafel der Sumerer aus dem Jahr 3000 vor Christus, Anm. der Red. - als sichere Konstante gilt. Dabei scheinen die Zahlen den Kritikern recht zu geben. Laut dem TÜV fallen 45 Prozent alles Pkw-Fahrschüler bei der Theorieprüfung durch und 37 Prozent beim praktischen Teil. Doch dieses vermeintlich klare Urteil stimmt so nicht, so sagt es Mark Föhr von der Fahrschule Föhr in Eppelheim.
Zum einen sei die Führerscheinprüfung komplexer geworden. „Alle Älteren hätten heute bei der Theorieprüfung keine Chance.“ Und auch bei einer Fahrprüfung würde er für nicht viele die Hand dafür ins Feuer legen, dass sie problemlos bestünden. Und dann habe es noch Veränderungen beim Bezug zum Auto gegeben, die jedoch wiederum die Älteren initiiert hätten. Dass es heute Smartphones gibt, die das Bewusstsein für das Verkehrsgeschehen weitgehend absorbierten, sei ja nicht die Schuld der Jugend. Der Fahrlehrer malt für die Schwetzinger Zeitung ein sehr differenziertes Bild der Fahrschul-Welt und ihren Herausforderungen.
Fahrlehrer aus Eppelheim: Jugendliche haben weniger Bezug zum Auto
Einer der Gründe für die Schwierigkeiten beim Fahren lernen ist der Bezug. „Die jungen Menschen hätten heute einen geringeren Bezug zum Auto.“ Den Erstkontakt zum Verkehrsleben würden nicht wenige Jugendliche erst in der Fahrschule erleben. So würden Kinder heutzutage im Auto ihre Eltern beim Fahren kaum noch beobachten. Und auch das Verkehrsgeschehen bleibe abstrakt. Smartphones oder auch kleine Fernsehgeräte würden alle Aufmerksamkeit absorbieren. Man könnte fast sagen, Kinder erleben das Fahren gar nicht mehr. „Im Grund besteht Autofahren oft nur noch aus Ein- und Aussteigen.“
Die Fahrschule
- Die Fahrschule Föhr mit Niederlassungen in Eppelheim, Wieblingen und Dossenheim wurde 1990 von Mark Föhrs Vater Dieter Föhr gegründet. Gemeinsam mit Christoph Föhr übernahm Mark Föhr im vergangenen Jahr die Geschäftsleitung.
- Die Fahrschule mit sechs Fahrlehrern verfügt über einen Fuhrpark von sechs Autos, drei Motorrädern und zwei Rollern. Bei den Pkws sind es Wagen mit Schalt- und Automatikgetriebe sowie Verbrenner und Elektro.
- Weitere Informationen unter www.foehr-fahrschule.de.
Und dann sei das Verkehrsaufkommen auf deutschen Straßen heute ein ganz anders. Im Jahr 2000 seien rund 42 Millionen Pkws auf den deutschen Straßen unterwegs gewesen. Heute sind es fast 50 Millionen. Dazu seien auch noch viel mehr Lkws und Fahrrädern unterwegs. Heutzutage auf deutschen Straßen unterwegs zu sein, sei im Vergleich zu früher schon eine andere Herausforderung. Und dann käme noch das Plus in Sachen technischer Ausrüstung. Die Bedienung der Assistenzsysteme mache das Autofahren zu anfangs nicht leichter.
Und dann erwähnte Föhr noch die mangelnde Akzeptanz gegenüber Fahrschülern. Früher hätten andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht genommen und ihr Fahrverhalten angepasst. „Das gilt heute leider nicht mehr.“ Fahrlehrer hätten schon erlebt, dass sie mit ihren Fahranfängern abgedrängt wurden. Dem Gefühl, sich im Verkehr sicher bewegen zu können, sei das nicht dienlich. Und das erhöhe die Nervosität, was wiederum die Fehleranfälligkeit steigere. Darüber hinaus setze das Regelwerk einen engen Rahmen. Prüfer haben anders als früher weniger Spielraum, sodass der kleinste Fehler reiche, um durchzufallen.
Mehr Fragen und Lernstoff bei der Theorieprüfung
Auch das Lamento zu den fast 50 Prozent, die durch die Theorieprüfung fallen, greife zu kurz. Der Fragenkatalog sei in den vergangenen Jahren ziemlich gewachsen. Allein, weil die Autos technisch immer komplizierter wurden, müssten Fahrschüler heute viel mehr Fragen lernen als früher. Derzeit beinhaltet der Fragenkatalog übrigens rund 1500 Fragen.
Vor dem Hintergrund, dass viele Fahrschüler auch nachmittags Unterricht hätten und manche auch noch ein Hobby, gerate die Lernzeit für das Auto verständlicherweise unter Druck. Er böte übrigens nicht nur Online-Theorieunterricht an, sondern wie früher analog. Das führe dazu, dass die Schüler weniger abgelenkt seien und sich wirklich nur dem Stoff widmeten. Die Folge: „Bei mir bestehen 95 Prozent aller Fahrschüler die Theorieprüfung.“
Wer kann sich überhaupt einen Führerschein leisten?
Und dann ist natürlich noch das Thema Kosten. Mit bis zu 4.000 Euro, so Föhr müsse man rechnen. Laut ADAC sind es in Deutschland je nach Region im Schnitt 2.000 bis knapp 5.000 Euro. Das ist viel Geld, aber es spiegle die gestiegenen Kosten auf der Anbieterseite wider. Laut dem Statistischen Bundesamt erhöhten sich die Preise für Fahrschulleistungen im Jahr 2024 im Vergleich zu 2023 im Schnitt um fast sechs Prozent. Die allgemeinen Verbraucherpreise stiegen im selben Zeitraum lediglich um 2,2 Prozent. Gründe dafür, so Föhr, fänden sich in den gestiegenen Sprit-, Fahrzeug- und Personalkosten.
Früher seien viele Fahrlehrer aus der Bundeswehr gekommen. Dieser Strom sei eigentlich komplett versiegt.
Und auch Räume für die Fahrschulen seien in den vergangenen Jahren nicht billiger geworden. Aber wirklich unter Druck geraten Fahrschulen in Sachen Personal. Der Personalmangel sei eklatant. Früher seien viele Fahrlehrer aus der Bundeswehr gekommen. Dieser Strom sei eigentlich komplett versiegt. Auch deswegen sei das Durchschnittsalter von Fahrlehren, laut dem Kraftfahrtbundesamt gibt es derer knapp über 47.000, mittlerweile bei 55 Jahren angekommen. Die Ausbildung zum Fahrlehrer jenseits der Bundeswehr kostet rund 15.000 Euro. „Und die müssen von den Auszubildenden allein getragen werden.“
Ein weiterer Engpass seien die praktischen Prüfungstermine. Schüler, die durchgefallen sind, müssten vier Wochen und teils noch länger auf einen zweiten Prüfungstermin warten. Da brauche es zusätzliche Fahrstunden allein wegen der Dauer und das koste. Es gibt also viele Gründe für die Durchfallquote. Dabei nur auf die Jugend zu schauen, so Föhr, greife viel zu kurz.
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