Umfrage

Gastronom aus Eppelheim: „Nur zwei von zehn werden überleben“

Wie sieht es in der Gastronomie nach der Rücknahme des reduzierten Mehrwertsteuersatzes zum Jahresanfang aus? Diese Redaktion fragt nach und erhält bezeichnende Antworten.

Von 
Marco Montalbano
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Sieht so die Zukunft der Gastrobetriebe in Eppelheim aus? Ein Restaurant hat geschlossen, bietet seither aber Speisen und Getränke in Form von Catering an. © Montalbano

Eppelheim. In der Pandemiezeit war es für den Gastrosektor schwierig, danach wurde es nach Aussage einiger hiesiger Gastronomen nicht besser, denn dann seien – vor allem mit dem Ukraine-Krieg – zunehmend Preissteigerungen gekommen, heißt es vonseiten der Befragten einer Umfrage dieser Zeitung. Mehl, Fleisch, Getränke und Öl. Einfach alles sei schlagartig teurer geworden und werde es zum Teil immer noch.

Nun machten zusätzlich steigende Kosten und Personalmangel den Restaurantbetreibern zu schaffen. Schuld daran sei auch die Politik. Trotz des Versprechens von Bundeskanzler Olaf Scholz, dass dies so beibehalten werde – wörtlich meinte er damals in einer Talkshow „Das schaffen wir nie wieder ab“ – sei der ab Juni 2020 von 19 auf sieben Prozent gesenkte Mehrwertsteuersatz auf in Gastrobetrieben verzehrten Gerichte wieder auf die ursprüngliche Höhe gebracht worden. Und das bei „explodierenden Kosten“ bei Einkauf und Energie. Das Bild einer Umfrage unter Eppelheimer Gastronomen ist entsprechend durchwachsen und reicht von Hoffnung auf Besserung über Anpassung mit allen Mitteln bis hin zu apokalyptischen Aussichten.

Gäste von Eppelheimer Gastronom bestellen weniger

Über 20 Jahre ist Nicoló Bica Gastronom im Maurerdorf im „Da Nico“. „Es ist hart“, meint er diplomatisch. Die Kosten für den Einkauf seien gleich hoch geblieben, aber die Mehrwertsteuer schlagartig wieder um zwölf Prozent hoch gegangen. Den Personalmangel könne er durch Stellenannoncen in Italien zumindest etwas ausgleichen, sodass er Mitarbeiter von dort bekäme.

Die Gäste bestellten aber einfach weniger. „Die Menschen haben nicht mehr. Ich hoffe, die Löhne steigen.“ Sobald sich die soziale Lage der Gäste bessere, wäre es auch einfacher für die Gastronomen. Auf Bundeskanzler Olaf Scholz angesprochen meinte Bica: „Da schweige ich lieber.“

Akis Kiriakos-Topalidis vom griechischen Grill-Restaurant „Zum Schützenhaus“ in der Rudolf-Wild-Straße zeigt eine Rechnung für den Einkauf: „Sehen Sie? Hier stehen jetzt fast 2400 Euro. Vor nur eineinhalb Jahren wären dort nur 800 gestanden“, verdeutlicht er die Situation und meint weiter: „Ich habe Angst, mein Freund. Wenn es so weiter geht, werden in den nächsten zehn Jahren in Eppelheim von zehn Gaststätten nur noch zwei übrig sein.“ Er ergänzt: „Und wir werden zu den acht gehören.“ Er müsse in Kürze seine Speisekarte anpassen und hoffe, dass die Gäste die Änderung mitmachten und ihnen bewusst sei, dass er nur einen Teil der Mehrkosten umlege – gezwungenermaßen. Als Gastronom aus Leidenschaft spare er einfach bei seinen privaten Ausgaben.

Sein Kollege Tim Schorb, der seit sieben Jahren die Gaststätte „Zum Lausbub“ in der Friedrich-Ebert-Straße betreibt, zog die Notbremse und setzt seitdem auf Flexibilität: „Zuerst Corona, dann die Preissteigerungen. Es gab zwar Corona-Hilfen, aber die will der Staat nun zurück.“ Aber der Markt würde sich wieder einpendeln, ist er sich sicher, und erläutert: „Seit März diesen Jahres haben wir als reguläres Restaurant geschlossen, sind aber als Eventlocation für Feiern jeder Art weiter geöffnet und machen Catering.“

Unvergleichliche Krise in der Gastronomie in Eppelheim?

Sein Vater, der 50 Jahre Gastroerfahrung habe, sei schockiert. Eine derartige Krise in seinem Gewerbe habe er im vergangenen halben Jahrhundert noch nie erlebt. Schorb betont dazu: „Wichtig ist, als Gastronom flexibel zu bleiben. Seit jeher setzen wir auf Regionalität und hiesige Küche mit moderner Ausrichtung.“ Aber die große Speisekarte werde sich nicht halten lassen. Es gehe hin zu einer „schlanken“ Karte mit Tagesessen. Dann könnten sich die Gastronomen auch besser an Angeboten orientieren. Man müsse mit spitzem Bleistift rechnen. Schorb betreibt auch ein Restaurant in Wieblingen. Das laufe noch. Er ist sich sicher: „Es wird weniger Restaurants geben und dafür mehr Eventlocations und Catering.“

Die Stimmung unter den Restaurantgängern verdeutlichte die Eppelheimerin Ursula Wiedmann: „Ich und mein Mann sind Rentner. Wir gehen eher weniger essen, auch, da es sehr teuer geworden ist, so wie allgemein alles. Man kommt sich wirklich verhohnepiepelt vor. Denn dabei spielt auch Spekulation eine Rolle, sodass die Preissteigerung zum Teil sicher künstlich ist.“ Lösungsvorschläge habe sie dafür nicht. Aber eine klare Forderung: „Die Preise müssen runter!“ Nicht nur in der Gastronomie.

Hat kein Vertrauen mehr in die Politik und sieht Gastronomen scheitern: Akis Kiriakos-Topalidis. © Marco Montalbano
Nicoló Bica hofft auf Besserung der finanziellen Verhältnisse seiner Kunden. © Marco Montalbano

Freier Autor Freier Journalist. Davor Pressereferent. Studium der Politikwissenschaft.

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