Eppelheim. In der Konzertreihe „Musik in der Josephskirche“ war das Heidelberger Vokalensemble „Voccata“ in der gut gefüllten Josephskirche zu Gast und zeigte eindrucksvoll, welch wunderbares Instrument die menschliche Stimme ist. Unter dem Titel „Lamentationes“, lateinisch für „Klagelieder“, spannte das Ensemble einen Bogen über mehrere Jahrhunderte geistlicher Musik: von der Renaissance über den Barock und die Romantik bis hin in die Moderne.
Dieses Programm verlangte den Sängerinnen und Sängern ein breites interpretatorisches Spektrum ab – und bot zugleich eine musikalische Reflexion über Trauer, Vergänglichkeit und Trost.
Das Motto war aus mehreren Gründen klug gewählt: Der Monat November ist traditionell eine Zeit des Gedenkens an die Verstorbenen, geprägt durch Tage wie Allerheiligen, Allerseelen und den Totensonntag. Er ist ein Monat der Einkehr und Melancholie, die mit dem grauen Wetter und dem Ende des Herbstes assoziiert wird. Hinzu kommt, dass das Konzert einem bedeutsamen Datum in der deutschen Geschichte stattfand, insbesondere in Verbindung mit den dunklen Ereignissen in der Reichspogromnacht im Jahr 1938 und dem gescheiterten Hitlerputsch von 1923.
Klage, Hoffnung und Trost in der Josephskirche
Ausschlaggebend aber war das ergreifende Werk „Lamentations of Jeremiah“ des englischen Renaissance-Komponisten Thomas Tallis, das im Mittelpunkt des A-cappella-Konzerts stand. Daneben haben die drei Sängerinnen – Katja Resch, Jenny Farian, Petra Müller – und drei Sänger – Christof Sommer, Johannes Wittekind und Rainer Graf – Stücke von Bach, Schütz, Rheinberger, Burkhard und weiteren Komponisten dargeboten. Diese Stücke brachten auf unterschiedliche Weise die Klage, aber auch die Hoffnung und den Trost musikalisch zum Ausdruck.
Gegründet wurde das Vokalensemble „Voccata“ 1996. Seine musikalische Ausrichtung ist breit gefächert. Sein Repertoire enthält neben Musik aus dem 16. und 17. Jahrhundert auch zeitgenössische Lyrikvertonungen sowie Uraufführungen von Werken regionaler Komponisten.
„Voccata“ zeigt stimmliche Geschlossenheit
Was es kennzeichnet, ist der verblüffend homogene mehrstimmige Gesang, die Mischung aus Professionalität und Innigkeit sowie die Textverständlichkeit.
Das Konzert begann mit dem Choralsatz „Wenn ich einmal soll scheiden“ und endete mit „Befiehl du deine Wege“, beide aus Johann Sebastian Bachs (1685-1750) Matthäus-Passion, eines der größten geistlichen Werke der Musikgeschichte. Schon dabei bestachen die Sängerinnen und Sänger mit einem weichen, homogenen Klang und abgestimmter Dynamik.
Schlank und durchsichtig erklang die Vertonung des Psalms 51 „Cast me not away“ („Verwirf mich nicht“) vom englischen Komponisten Samuel Wesley (1766-1837) als Ausdruck von Reue und dem Wunsch nach göttlicher Nähe. Die deutsche Übersetzung auf dem Programmblatt aller englischen und lateinischen Texte erleichterte den Zugang zum musikalischen Ausdruck.
Mit „Selig sind die Toten“, einer Motette aus den Geistlichen Chormusiken von Heinrich Schütz (1585-1672), ging das Konzert weiter. Diese ruhige, tröstliche Musik über den seligen Tod der Gläubigen wurde auf ruhige, innige Weise gestaltet. Es folgte die sechsstimmige Messe „Missa Prima Sex Vocum“ von Leonhard Lechner (ca. 1553-1606) im Stil der Spätrenaissance. Dabei zeigte das Ensemble seine ganze stimmliche Geschlossenheit und sichere Intonation.
Moderne, ausdrucksstarke Stücke über Klage und Vertrauen brachte das Ensemble mit „Herr, wie lange willst du mein so gar vergessen?“ und „Abendlied“ vom Schweizer Komponisten Willy Burkhard (1900-1955) mit expressiver Harmonik zu Gehör. Klar und erhaben erklang anschließend „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren“ von Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847). Darin vertonte der Komponist „Nunc dimittis“ (Lukas 2,29) als Ausdruck des Innehaltens im Frieden.
Tallis als Höhepunkt des Abends in Eppelheim
Den Höhepunkt des Konzertes bildete zweifellos die Interpretation von „Lamentations of Jeremiah I“ von Thomas Tallis (1505-1585), eine ergreifende Klage über Jerusalems Zerstörung, gekleidet in den akkordischen Satz der neuen anglikanischen Musik. Besondere Aufmerksamkeit verdienten die reiche Polyphonie, die meditative Tiefe, der abgedunkelte Klang der Stimmen, deren stilistische und ausdrucksmäßige Breite das Ensemble auf eindrückliche Weise zeigte: „Da ist keiner, der sie tröstet, von allen ihren Lieben. Alle ihre Freunde haben sie verschmäht und sind zu ihren Feinden geworden. Jerusalem, bekehre dich zum Herrn, deinem Gott.“
Diese kunstvolle Vokalpolyphonie auf Lateinisch realisierten die Künstler mit bewunderungswerter Intonation und Leuchtkraft der Tongebung in jeder Stimmlage. Ebenso transparent wie farbenreich ausmodelliert erklang das englische Madrigal „Draw on, sweet Night“ von John Wilbye (1574-1638), Es bestach durch die feinsinnige Bitte um den Trost der Nacht, transparent und farbenreich gesungen.
Mit langem Applaus und einer Spende am Ausgang dankte das Publikum dem Ensemble für einen Abend voll Innigkeit, Klangschönheit und stiller Andacht.
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