Eppelheim. Glücklich darf sich schätzen, wer die Welt mit Humor betrachtet und über ihre Unzulänglichkeiten lachen kann – wie die Briten, deren Humor längst Kultstatus hat. Ob „Dinner for One“ oder die legendären „Monty Pythons“: Ihre Komödien leben von absurden Pointen und schrägen Überraschungen. In dieser Tradition steht auch die Slapstick-Komödie „Mord auf Schloss Haversham“, mit der die Badische Landesbühne in der Rudolf-Wild-Halle für Begeisterung sorgte.
Das Stück, geschrieben von einem jungen Autorentrio – Henry Lewis, Jonathan Sayer und Henry Shields – wurde 2012 in England unter dem Titel „The Play that Goes Wrong“ uraufgeführt und läuft seit 2014 ununterbrochen in London. In Deutschland erlebte es 2016 am Theater Hof seine Premiere, weitere Inszenierungen folgten in Berlin, Frankfurt, Wiesbaden und Wien, wo es unter dem Titel „Wird schon schiefgehen“ großen Erfolg feierte. Dass sie nun in Eppelheim zur Aufführung kommt, darüber freuten sich Bürgermeister Matthias Kutsch und Anna Hench vom städtischen Kulturteam. Sie kamen ihrem Auftrag, Kulturgenuss für alle zu bieten, unabhängig vom Geldbeutel, mustergültig nach und durften ein zahlreich erschienenes Publikum begrüßen.
Die Zuschauer ahnten schon beim Eintritt, noch ehe das Stück begann, dass hier einiges schiefgeht. In letzter Sekunde hämmerte eine Bühnenarbeiterin am Dekor herum und versuchte vergeblich, ein Regalbrett zu befestigen. Viel nützte das nicht. Denn alles, was da so an den Wänden hing – Leisten, Bilder, Lampen – fiel im Verlauf der Handlung nach und nach herab, Türen brachen aus den Angeln und die Fenster aus dem Rahmen.
Akrobatische Meisterleistungen bei Slapstick-Komödie in Eppelheim
Sogar die Standuhr stürzt um und das Sofa macht sich mit dem daran angeketteten Butler auf die Beine. Als sich schließlich das „Arbeitszimmer“ im ersten Stock gefährlich neigt und die Darsteller in halsbrecherischen Verrenkungen agieren, wird die Slapstick-Nummer zur akrobatischen Meisterleistung. Doch damit nicht genug. Der Auftritt der ambitionierten Laienschauspielgruppe läuft auch sonst aus dem Ruder. Nachdem der Leiter die Premiere des Stücks „Mord auf Schloss Haversham“ angekündigt und um Nachsicht für die Debütinszenierung gebeten hat, nahm die Handlung immer groteskere Züge an.
Worum ging es? Eine fiktive Laientheatergruppe feiert Premiere mit dem Stück „Mord auf Schloss Haversham“. Darin wird der Schlossherr Cecil Haversham (Tobias Gondolf), der kurz vor der Verlobung mit Florence Colleymoore (Madeline Hartig) steht, ermordet aufgefunden. Für Florence eine glückliche Fügung, da sie eigentlich in dessen Bruder Charles Haversham (Thilo Langer) verliebt ist und mit ihm ein Verhältnis hat. Als dieses auffliegt, fordert ihr Bruder Thomas (Tobias Strobel) Charles zum Duell auf.
Zur Aufklärung des Mordes eilt trotz mitternächtlicher Stunde Inspektor Carter herbei (Martin Behlert). Wer hat Charles ermordet? Verdächtig sind alle: Der Bruder, der sich schon immer vom Älteren unterdrückt fühlte, die hysterische Verlobte mit ihren Anfällen. Genauso der Bruder der Verlobten, der nächtliche Anrufe von seiner Bank bekommt, aus irgendeiner Eifersucht, und sogar der Butler (Frederik Kienle), der in dem vom Inspektor entdeckten Testament zum Alleinerben eingesetzt ist und der fortwährend Terpentin statt Scotch einschenkt. Oder war es der Gärtner, der schon seines Rufs wegen („Der Mörder ist immer der Gärtner“) verdächtig ist? Das Chaos ist perfekt, als ein zweiter Mord geschieht.
Schauspieler der Badischen Landesbühne zeigen ihr Können in Eppelheim
Als echte Theaterprofis in die Rollen von Laien zu schlüpfen, ist eine große Herausforderung. Das Schauspielteam von der Badischen Landesbühne meistert dies glänzend. Die Dialoge sind herrlich gestelzt gesetzt und urkomisch, wie auch die verpassten Einsätze. Das Publikum bricht immer wieder in schallendes Gelächter aus. Dem Team gelingt es, die Pannen und Pleiten so zu spielen, als wären sie authentisch: Stets machen die hervorragenden Schauspieler die falschen Gesten, rezitieren die falschen Textstellen und strengen sich offensichtlich stark an, damit die Zuschauer das alles nicht bemerken sollen.
Der Darsteller der Leiche auf der Chaiselongue erhebt sich, da er sich in den Kulissen wähnt. Als die Hauptdarstellerin bewusstlos ausfällt, springt die Inspizientin Annie (Cornelia Heilmann) ein und liest deren Rolle aus dem Drehbuch in der Hand ab. Nachdem die Tür auch gegen ihren Schädel knallt, übernimmt der Butler die weibliche Hauptrolle. Beim Duell zerbrechen die Degen und der ziellos ermittelnde Inspektor im durchgestylten Karo-Look treibt das Durcheinander an die Spitze.
Der lang anhaltende Applaus am Ende galt nicht nur dem spielfreudigen Ensemble, sondern auch der Regie (Wolf E. Rahlfs), dem raffinierten Bühnenbild und den Kostümen (Franziska Smolarek) sowie der Choreografie (Jürgen Lingmann) und dem gesamten Technikteam.
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