Hockenheim. Normalerweise beginnt in Baden-Württemberg die Prüfungszeit für Abschlussschüler nach den Osterferien Mitte Ende April bis Mai. Für das Abitur mag das stimmen – die Prüflinge der Realschulen müssen seit der Neukonzeption der Prüfungen vor zwei Jahren bereits im Winter ran. Aktuell herrscht „Prüfungsmodus“ an der Theodor-Heuss-Realschule (THRS) wie an allen anderen baden-württembergischen Real-, Haupt- und Gemeinschaftsschulen, denn der Haupt- und Realschulabschluss wurde terminlich wie vom Ablauf her ziemlich gleichgeschaltet, teilt die THRS in einer Pressemeldung mit.
So war bereits vor den Faschingstagen der Kick-off für die praktischen Prüfungen der Wahlpflichtfächer, die von den Realschulabschlusschülerinnen und -schülern absolviert werden müssen. Im Fach Alltagskultur, Ernährung und Soziales (AES) stand das Vorkochen eines Produkts sowie dessen ernährungstechnische Analyse und das nachträgliche Vergleichen mit Fertigprodukten im Fokus.
Hockenheimer Realschüler müssen Können in Physik und Technik beweisen
Im Fach Technik müssen vor allem anwendungsorientierte Schaltungen und Stromkreisläufe gebaut, erstellt und im Anschluss deren physikalische und technische Grundlagen verknüpft werden – das alles geschieht in der Regel im Fachunterricht, aber eben als Prüfung und unter strengen Bedingungen.
Das Prüfungskolloquium, bei dem die Schüler über ihre erstellten Prüfungsprodukte tiefergehend befragt werden, findet Ende März statt. Im Wahlpflichtfach Französisch folgt dann auch die fachpraktische Kommunikationsprüfung: Zehn Minuten auf Französisch sprechen. Doch damit nicht genug: Neben den praktischen Prüfungen wartet im Wahlpflichtfach auch noch die schriftliche Prüfung Mitte Mai als letzte schriftliche Prüfung auf die Abschlussschüler.
Und auch aktuell wird geprüft: Kommunikation in Englisch, der Pflichtfremdsprache, ist angesagt. In Einzel- oder Gruppenprüfungen stehen jeweils 15 Minuten Kommunikation auf Englisch an: eine kurze Präsentation, Gespräche auf Englisch und ein Problem, das in der Fremdsprache gelöst werden muss. Und das alles parallel zum normalen Unterricht, in dem Klassenarbeiten und Tests geschrieben werden (müssen). Nur am Prüfungstag ist schulfrei.
Für die Prüflinge des Hauptschulabschlusses – für sie ist die Kommunikationsprüfung ebenfalls Pflicht – geht es Ende März weiter. Ihnen steht die Projektprüfung im Fach Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung (WBS) bevor. Dabei müssen sie fächerübergreifend in einer Präsentation Aspekte der Berufswelt analysieren und anschaulich darstellen. „Wie kann es rentabel sein, wenn ein Bäcker nur nach ökologischen Kriterien wirtschaftet?“, könnte ein Thema sein, das Beruf, Wirtschaft sowie Biologie und Ökologie mit einschließt. Und da wird schnell klar – so ganz einfach ist das nicht.
Im Mai beginnen die klassischen schriftlichen Prüfungen, die am meisten Gewicht haben: In den Hauptfächern zählen sie die Hälfte der am Ende erteilten Fachnote. Dagegen wirken die mindestens vier Klassenarbeiten eher bescheiden. Vom 15. bis 26. Mai dauert der Prüfungszeitraum mit Deutsch, Englisch, Mathematik und für die Realschulprüflinge auch das Wahlpflichtfach.
Für die meisten Schülerinnen und Schüler lässt sich dieses frühe Prüfungsgeschehen mit Kommunikationsprüfung, WBS-Projektprüfung oder der fachpraktischen und mündlichen Wahlpflichtfachprüfung parallel zum normalen Unterricht in einem Wort zusammenfassen: Stress. Und die Klasse 10 d sieht noch ein anderes Problem an den frühen Abschlussprüfungen für sich und ihre Klassenstufe. „Für Abschlussfahrten besteht im Mai oder Juni, so wie das früher war, gar keine Zeit mehr. Wir waren bereits im September auf Abschlussfahrt in München, das war zwar auch sehr schön, aber eine richtige Abschlussfahrt zum Abschluss des Schullebens ist es halt nicht . . .“, sagt Aleyna Akyüz aus der 10 d.
Neues Prüfungssystem wird von Hockenheimer Schülerin infrage gestellt
Durch das neue Prüfungssystem seit zwei Jahren werde den Abschlussschülern schon sehr viel genommen – erst jetzt nach Corona merke man das nun. Für sich und nachfolgende Prüflinge wünscht sie sich eine Rückkehr ins alte System, wo sich die Prüfung kein halbes Jahr hinzieht, denn eines sei auch klar: „Ein halbes Jahr Prüfung bedeutet auch ein halbes Jahr Belastung – auch psychisch.“
„Für die Organisation stellt die vorgezogene Abschlussprüfung eine Herausforderung dar“, berichtet Realschulkonrektor Manuel Altenkirch, der für den Prüfungsplan verantwortlich ist. Die staatlich verordnete Prüfungssituation erfordere eine Prüfungsabnahme mit zwei Lehrkräften zu festen Zeiten, in denen die Lehrkräfte dann für den Regelunterricht in den anderen Klassen nicht zur Verfügung stehen.
Zudem müssten die Räume optimalerweise durchgängig ruhig sein, gerade bei den mündlichen Prüfungen. „Wir müssen also mit Lehrkräften und den wenigen Räumen jonglieren“, sagt er. Schwierig sei es besonders in diesem Jahr mit sechs Prüfungsklassen – fünf in Klassenstufe 10, eine in Klasse 9 (Hauptschulabschluss). Vertretungsstunden und Stundenausfälle seien da programmiert. Die Prüfungszeit sei für ein Kollegium, das auch mit Krankheitsausfällen kämpft – Corona ist als Krankheit eben noch nicht vorbei, die aktuelle Welle zieht gerade durch die Schulen – eine herausfordernde Zeit. Dass die Prüfungen mit all ihren Teilen und Teilbereichen bereits im Winter beginnen, mache das nicht einfacher – zumal ja alles andere trotzdem laufen müsse.
„Trotzdem bekommen wir das mit dem Engagement des Kollegiums aktuell gut gewuppt“, freut sich Altenkirch. Unterstützung bekommt er von seiner Chefin, Marion Marker-Schrotz, die noch einen anderen Aspekt einer Prüfung beleuchtet haben will. Neben Organisation und Durchführung sieht sie das Gelingen der Prüfung in einer effektiven Schulverwaltung. „Eins ist klar: Die komplette Prüfungsdokumentation und -bürokratie läuft im Sekretariat und bei der Schulleitung zusammen. Da muss ein Rad ins andere greifen“, sagt sie. Mit der aktuellen Sekretärin Sarah Bibicai und dem Schulleitungsteam sowie unterstützend ist die THRS gut aufgestellt.“
Das müsse aber auch so sein, denn neben der Prüfung stehen ja auch die Anmeldungen für das neue Schuljahr an. In einer Zeit der steigenden Schülerzahlen an der THRS (2022 startete sie mit fünf 5. Klassen) sei ein funktionierendes Team das A und O für eine Schule. Und dies werde angesichts der bereits bei Marker-Schrotz ankommenden Fachkräfteproblematik immer wichtiger.
„Für unsere Absolventen aber wünsche ich viel Erfolg für die Prüfungen – vielleicht entschließt sich später nach einem Abitur an einem beruflichen Gymnasium die eine oder der andere für einen zukunftsweisenden Beruf als Lehrer – wir werden sie brauchen“, sagt Marker-Schrotz.