Gemeinderat - Etat 2021 einstimmig verabschiedet / Stellungnahmen wegen Corona nur schriftlich abgegeben / Keine Alternative zu hohen Investitionen /Sechs Millionen Euro Defizit im Ergebnishaushalt

An Verschuldungsanstieg führt kein Weg vorbei

Von 
Matthias Mühleisen
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Eines der mehrfach verschobenen und nun kostspieligeren Projekte der Stadt: Die Sanierung der Oberen Hauptstraße (r.: Rathaus) kostet sechs Millionen Euro. © Lenhardt

Wenn sich finanzielle Defizite durch sparsamen Umgang mit Worten reduzieren ließen, wäre Hockenheim nach der Haushaltsberatung am Mittwochabend auf einem guten Weg. Obwohl Stadt und Gemeinderat vor gewaltigen Herausforderungen stehen, dauerte die Sitzung mit Beschluss der Haushaltssatzung 2021 weniger als zehn Minuten. Das lag nicht daran, dass den Fraktionen angesichts der prekären Lage nichts mehr einfiele, sondern an der Corona-Pandemie.

Im Interesse einer möglichst kurzen Zusammenkunft verzichteten sie auf das Verlesen ihrer Stellungnahmen, die sie vorab im Rathaus eingereicht hatten, damit die Bürger sie auf der städtischen Homepage einsehen können. Alle Fraktionen stimmten dem Haushaltsentwurf der Verwaltung zu. Eingebracht hatte Oberbürgermeister Marcus Zeitler das Zahlenwerk, das mit einem Defizit von gut sechs Millionen Euro im Ergebnishaushalt schließt, in der Gemeinderatssitzung vom 11. November. Zeitler dankte den Fraktionen für ihre Bereitschaft, den Haushalt auf diese Weise auf den Weg zu bringen.

CDU: Verschiebung bringt Teuerung

CDU-Fraktionsvorsitzender Markus Fuchs bezeichnete die „äußerst prekäre“ Haushaltslage der Stadt als das größte kommunalpolitische Problem Hockenheims. Das sei seit Jahren bekannt gewesen, doch die Union habe nie wirklich einen Willen erkennen können, das Problem anzugehen, sagte Fuchs. Das wiederholte Verschieben der Umsetzung habe Investitionen verteuert. Zu den Ausgaben gebe es keine Alternativen. Die CDU habe zwölf Prüfvorschläge eingereicht, um die Haushaltslage zu verbessern.

Positive Zeichen sah Fuchs im Abbau des Staus bei den Baugenehmigungen, der Sanierung des Schulzentrums, der Schaffung von Kitaplätzen und der Digitalisierung. Dass die Stadt trotz des schwierigen Jahrs am Hockenheimring nicht finanziell eingreifen musste, zeige gute Arbeit der neuen Geschäftsführung. Das Aquadrom habe mit über drei Millionen Euro eine Defizithöhe erreicht, die „für die Stadtwerke lebensbedrohlich werden kann“. Die Christdemokraten halten eine Reduzierung der Beckenflächen für überlegenswert.

FW: Kopf nicht hängen lassen

Den Kopf nicht hängen lassen, war die Devise von Gabi Horn, die für die Freien Wähler die Aufgabe der Kommunalpolitik darin sah, positive Zeichen zu setzen trotz Schuldenbergs und Mindereinnahmen im zweistelligen Millionenbereich. Schulsanierung und Kindergarten-Neubauten seien wichtig, da sie beste Ausbildung, Betreuung und Bildung schaffen. Gute und nachhaltige Konzepte für Einrichtungen wie Aquadrom und Stadthalle seien erforderlich.

Bei den freiwilligen Leistungen sind für die Freien Wähler Kürzungen der Vereinszuschüsse tabu: Diese lebten soziales Miteinander und den Geist des Zusammenhaltens vor. Digitalisierung habe sich durch Corona als essenzielle Notwendigkeit erwiesen. Dass der Haushalt erstmals nicht ausgeglichen sei, liege nicht nur an der Pandemie: „Wir haben einfach zu viele Baustellen.“ Gabi Horn bedankte sich bei „allen Heldinnen und Helden des Alltags“ für die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens.

Grüne: Zukunftswerkstatt schaffen

„Kür ist nicht angesagt, sondern die Erfüllung notwendiger Pflichten. Wir sind bescheiden geworden“, schickt Adolf Härdle (Grüne) seiner Stellungnahme voraus. Der Haushalt stelle sich praktisch von selbst auf durch den Investitionsstau bei Schulen (13,6 Millionen Euro), Kitas (9,9 Millionen Euro) und in der Abwasserbeseitigung (10,6 Millionen Euro). Die Schere zwischen Liquidität und Schulden öffne sich in den kommenden Jahren immer mehr. Vieles sei aber erreicht worden für Schulen, Betreuung und Klimaschutz.

Die Grünen fordern unter anderem eine Haushaltsstrukturkommission und nachhaltiges Gebäudemanagement von der Verwaltung. Für die Zukunftsfähigkeit Hockenheims seien strategische Ziele als Grundlage zu erarbeiten und eine Zukunftswerkstatt unter Einbeziehung der Bürger vorzusehen.

Der Erhalt der Eigenständigkeit der Stadtwerke müsse Ziel sein. Über den Fortbestand und den zukünftigen Betrieb des Aquadroms müsse gesprochen werden, die Stadtwerke könnten das Defizit auf Dauer nicht leisten, ohne sich selbst zu gefährden, unterstreicht Härdle.

SPD: Zu lange gewartet

„Unserer Meinung nach hätte es nicht so weit kommen müssen“, stellte Marina Nottbohm für die SPD fest. Sie erinnerte an frühere Forderungen der Sozialdemokraten, die Nachhaltigkeitssatzung auszusetzen, an der die große Mehrheit im Gemeinderat auch zu Zeiten eines historischen Zins-Tiefstands festgehalten habe – mit dem Ergebnis des nun vom OB beklagten gewaltigen Investitionsstaus.

Nottbohm forderte die Schaffung bezahlbaren Wohnraums für die Bevölkerung. In den vergangenen Jahren seien ausschließlich hochpreisige Miet- und Eigentumswohnungen gebaut worden. Die SPD hält die Festlegung einer verbindlichen Quote von mindestens 30 Prozent für preisgünstigen Wohnungsbau für unerlässlich, teilte Nottbohm mit. Sie sprach sich auch für ein neues Baugebiet aus. Eine weitere innerstädtische Verdichtung wirke sich negativ aufs Stadtklima aus.

Die SPD mahnt ein Gesamtkonzept für die Schullandschaft an. Die wohl unvermeidliche Erhöhung der Gebühren für Kitas und Schulbetreuung müsse schrittweise, sozial verträglich und „bestenfalls auch einkommensabhängig“ umgesetzt werden.

FDP: Stadt droht sonst Stillstand

„Was bleibt uns anderes übrig?“, fragte FDP-Sprecher Frank Köcher-Hohn zum „Haushalt im Zeichen der Corona-Pandemie“. „Unsere Straßen, unsere Kanalisation, unser Klärwerk – alles Aufgaben, die angegangen werden müssen, alles Pflichtaufgaben“, machte er deutlich. Bei den freiwilligen Aufgaben müsse geprüft und abgewogen werden, was zwingend notwendig ist und auf was gegebenenfalls verzichtet oder was nur eingeschränkt gefördert werden kann, sagte Köcher-Hohn, ohne Beispiele zu nennen.

„Wir können die Stadt nicht zum Stillstand kommen lassen“, begründete er die Zustimmung der Liberalen zum nicht ausgeglichenen Haushalt. Bund und Länder seien in der Verantwortung für die Kommunen, denen Millionen-Einnahmen fehlten wegen der Pandemie. Den Anstieg der Personalausgaben segnete die FDP ab: Er sei nötig, um die Verwaltung am Laufen zu halten. Positiv sei, dass die Digitalisierung der Schulen vorankomme. Die Verluste im Aquadrom dürften nicht auf den städtischen Haushalt durchschlagen, eine Erhöhung der Eintrittspreise könne sich die FDP vorstellen. Außerdem regte Köcher-Hohn eine ständige quartalsmäßige Überprüfung der Kosten an.

Redaktion Redakteur im Bereich Hockenheim und Umland sowie Speyer

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