Hockenheim/Kreis. Wenn Kinder mit Körper-, geistiger oder Mehrfachbehinderung eine Regel- oder Förderschule besuchen, sind sie zuweilen auf individuelle Unterstützung angewiesen. Schulbegleiter sorgen dafür, dass sie den Unterricht trotz Einschränkungen besuchen können. Vom neuen Schuljahr an gibt es dafür mit der gemeinnützigen GmbH Naviduo einen weiteren Anbieter im Rhein-Neckar-Kreis, dessen Geschäftsführer Karl-Heinz M. Sohn aus Hockenheim kommt.
Mit Mitgeschäftsführerin Manuela Strutz und Geschäftsfeldleiterin Katharina Barczynska stellt Sohn das Angebot vor, mit dem das Unternehmen andernorts schon viel Erfahrung gesammelt hat. Denn neu ist für Naviduo nicht die Aufgabe, sondern nur das Einsatzgebiet dank einer in diesem Frühjahr geschlossenen Leistungsvereinbarung zur Unterstützung und Begleitung für junge Menschen in der Schule nach dem Sozialgesetzbuch mit dem Landratsamt. Mit Hauptsitz in Frankfurt am Main und weiteren Standorten in Offenbach, Gießen und im Main-Taunus-Kreis hat der 2013 gegründete Dienstleister mit über 150 Mitarbeitern viel Erfahrung gesammelt, berichten Sohn und Strutz.
Naviduo möchte den Kindern die Teilnahme am Schulleben erleichtern
„Unser Ziel ist es, die Teilnahme der Kinder am Schulleben und ihre Integration in die Lerngemeinschaft sicherzustellen“, erläutern sie. Die Begleitung durch die Naviduo-Kräfte soll die Entwicklung der Selbstständigkeit der Kinder in der Schule fördern.
Naviduo kommt aus der klassischen Jugendhilfe und habe sich zu einem Unternehmen der Sozialwirtschaft mit weiteren Schwerpunkten im Bereich der Sozialen Dienste sowie Bildung und Arbeit entwickelt, berichten die beiden Geschäftsführer. Der Leitspruch „Gemeinsam ist unsere Stärke“ werde täglich durch eine flache Hierarchiestruktur sowie durch ein kreatives und produktives Miteinander gelebt. Die Auftraggeber der Gesellschaft sind Jugendämter, Sozialämter sowie Ämter aus der Gesundheitshilfe.
Für die Tätigkeit als Schulbegleiter gibt es unterschiedliche Zugangswege. Quereinsteiger aus anderen Berufen – vom Taxifahrer bis zur Lehrerin – die gerne mit Kindern mit Behinderung arbeiten, aber auch Sozialassistenten und Erzieherinnen sind in dem Bereich tätig. Ausschlaggebend für die Zuordnung sei der Hilfebedarf des Kindes.
Grundlage für das neue Angebot in Hockenheim ist die UN-Behindertenrechtskonvention
Rechtliche Grundlage des Angebots ist die UN-Behindertenrechtskonvention, die Menschen mit Behinderung die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht und für Bildungsgerechtigkeit sorgen soll. Schulassistenz beziehe sich auf die gesamte Bildungslaufbahn und könne sich nach der Schule auch aufs Studium erstrecken.
Viele Schulen seien baulich nicht auf Besucher mit Einschränkungen ausgerichtet, sodass Kinder mit Sehschwächen oder im Rollstuhl nicht ohne Hilfe am Unterricht teilnehmen können. Bei solchen oder anderen körperlichen Handicaps bestehe die Hilfe im Führen von Raum zu Raum oder beim Überwinden von Stockwerken. Bei Kindern mit Diabetes, die laut Katharina Barczynska zahlreich von Naviduo unterstützt werden, gehe es um die Überwachung der Blutzuckerwerte und deren Ausgleich.
Angesichts dieser unterschiedlichen Herausforderungen ist klar, dass alle Integrationshelfer umfassend geschult und begleitet werden. Nach der Einstiegsqualifizierung mit Themen wie Kindeswohl, Gewaltschutz und Erste Hilfe am Kind geht es um die Aufgaben der Begleiter an der Schnittstelle zweier Systeme – Jugendhilfe und Schule, die sehr unterschiedlich strukturiert seien.
Der Naviduo-Geschäftsführer aus Hockenheim beschreibt die Struktur des Angebots
Im Vertrag werde ein nicht unkompliziertes Dreiecksverhältnis geregelt: Naviduo erbringe die Leistung, die Eltern seien der Vertragspartner für das Kind, die Kosten tragen Jugend- oder Sozialamt. „Strukturelle Klarheit ist sehr wichtig in der Sozialwirtschaft“, unterstreicht Karl-Heinz Sohn. Hinzu kommen die Lehrer und die Schulleitung als weitere Parteien. Hier sei die Klärung von Rolle und Auftrag essenziell.
„Wir wollen als Partner natürlich auf Augenhöhe ernst genommen werden“, macht Sohn klar. Dass sowohl Schulen als auch Eltern ihre Ansprüche einbringen, mache die Aufgabe der Schulbegleiter hoch komplex, fügt Manuela Strutz hinzu. Da sei schon eine gefestigte Persönlichkeit erforderlich. Ein runder Tisch in der Schule zu Beginn der Begleitung, der Klarheit schafft, stehe deshalb stets am Anfang, sagt Katharina Barczynska.
Inzwischen sei das Modell Schulbegleitung in Hessen gut etabliert. Von der Aufgeschlossenheit und der Unterstützung des Rhein-Neckar-Kreises sei Naviduo positiv überrascht worden. „Man hat das Interesse gespürt, dass wir zueinanderfinden“, beschreibt es Sohn und gesteht, dass er hofft, dass die Tätigkeit hier als Türöffner für Baden-Württemberg fungieren könne. Nach der Integrationshilfe möchte er weitere Leistungsbereiche seines Unternehmens etablieren, das er als „Gegenentwurf zu Großorganisationen“ bezeichnet.
Schulbegleitung in Hockenheim: Arbeitsverträge sind per Zeitkonto konzipiert
Die Schulbegleiter vermitteln kein Wissen, das bleibt die Aufgabe der Schule. Sie helfen auch nicht bei den Hausaufgaben. Möglich sei dagegen die Schulwegbegleitung. Die meisten Beschäftigten seien in Teilzeit tätig, Vollzeit ist möglich. Viele seien Frauen, die selbst noch Kinder im schulpflichtigen Alter haben. Bei 14 unterrichtsfreien Wochen pro Jahr seien die Arbeitsverträge per Zeitkonto so konzipiert, dass das Gehalt kontinuierlich bezahlt wird – nach Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst.
Interessenten sowohl an einer Tätigkeit in der Schulbegleitung als auch Eltern können sich bei Katharina Barczynska melden unter Telefon 069/9 68 65 79 00 oder per E-Mail an katharina.barczynska@naviduo.de. Schulungen sind für Ende der Sommer- und Herbstferien geplant.
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