Hockenheim. „24 Johr und sechs Moonet – die Zeit hätt ma wirklisch besser nutze kenne“: Mit der Abschiedsgala „Klappe, die erste“ haben die „Begabten Hausfrauen“ und ihre „Verstärkung“ im Hockenheimer Kulturzentrum „Pumpwerk“ mit einem Best-of-Programm Fazit gezogen. Und sich an zwei wie immer ausverkauften Abenden beim gleichermaßen begeisterten wie ungläubigen Publikum und den vielen Weggefährten bedankt mit einem Streifzug durch die Highlights fast eines Vierteljahrhunderts Musik-Comedy, für das die „BHs mit Verstärkung“ stehen wie ein liebgewonnenes Markenzeichen.
Seit 1998 belebten die Sängerin Sabine Weyers und die Pianistin Marina Nottbohm die Bühnen der Stadt und der Region – aus der Taufe gehoben bei der Hockenheimer Frauennacht, vom ersten Programm „ABC der Liebe“ bis zum letzten Abendfüller „Blick zurück nach vorn“ mit immer unschlagbarem Erfolg. 2013 waren die „Hausfrauen“ sozusagen als Hockenheimer Archetypen der Opener für die SWR-Sendung über die Rennstadt. Die Kombination aus großartiger Musik und systematischem gegenseitigem Gestichel war ein köstlicher Ankommer, der auch die Abschiedsgala prägte und langjährige Fans (unter ihnen am Freitag auch Ex-Oberbürgermeister Dieter Gummer) immer wieder in nostalgische Gefühle versetzte – wenn zwischen Lauschen und Lachen Zeit dafür war.
Seit 2009 traten die „Begabten Hausfrauen“ mit Verstärkung auf: Die beiden Doktores Klaus Nottbohm (Gitarre) und Oliver Brinkmann (Bass) und der „Melodiöse Hardcore-Metal“-Drumer Carsten Wagner ergänzten die beiden „Lokalmatadiven“ musikalisch perfekt und sorgten bei allzu feindseligen Schlagabtauschen für Frieden. Oder zumindest für verbale Waffenstillstände.
Nun wird tatsächlich Schluss sein – die Hausfrauen machen ernst mit Abschied. Marina Nottbohm wird im kommenden Jahr noch weiter in den Süden ziehen, wo ihr als „sproochbehinerdes Nordlicht“ die (harte) weyer’sche Dialekt-Schule sicher zugutekommen wird. Brinkmann und Wagner sind beruflich stark eingebunden – und letztlich wollte keine der BHs mit 70 noch über die Bühne hüpfen. So steigen die „Begabten Hausfrauen“ am Höhepunkt ihres Erfolges aus und werden ein Monument hinterlassen, an das ihre unzähligen frenetischen Fans immer zurückdenken können – und werden.
„Begabte Hausfrauen“ in Hockenheim: Pelzmantel und Schwimmring
Das Schwelgen in Memorabilia war wie zur Übung roter Faden bereits der Abschiedsgala mit musikalischen Rückblicken auf die großen Erfolge. Als man bei „La Paloma Oh weh“ von Pelzmantel und Schwimmring beengt im Auto unterwegs war und Marina Nottbohm „auf dem Rastplatz Bönebüttel aussetzen wollte – „mein Leben hätte sich positiv entwickeln können“.
Als man die CD aufnahm und Drummer Carsten Wagner sich als Mitglied im Lyrikzirkel outete. Beim „Klassentreffen“, das dereinst so zusammengeschweißt habe. Oder auch zurück zu den allerersten Auftritten, wo man „mit echten Profis arbeiten“ und ein „Glitzer-Glamour-Programm“ aufziehen wollte – „und beides hat nicht geklappt“.
So war auch der Abschied ein Taumel zwischen grandioser Musik irgendwo im Streit, ob Leander oder Beatles, mitreißenden Liedern von Knef bis Kaas und herzerfrischenden Anfeindungen, die man sogar musikalisch austragen konnte, beim Wettstreit, ob nun Schlager oder Pop gegeben wird: Um dann den Emerald-Evergreen „A night like this“ direkt mit „Schuld war nur der Bossa Nova“ zu verschränken.
Garant war wie immer die charakterstarke Stimme Sabine Weyers, die sich beim „Mädchen aus Piräus“ ebenso wohlfühlte wie beim eingedeutschten Doors-Hit „Riders on the storm“, das die Sängerin kurzerhand zu „Isch dir a so woom?“ umdichtete und so das Markenzeichen der „BHs“ zelebrierte, nur um dann wie eine Selbstironie Hildegard Knefs „Ich glaub ne Dame werd ich nie“ zu feiern.
„Begabte Hausfrauen“: Westchen und Spitztüten-BH
Dazu gab es die grundsolide, hochverlässliche und einfallsreiche Musiktruppe: Die Akzente von Marina Nottbohms Klavier, die Einheizer von deren Akkordeon. Geniale Gitarren-Riffs von Klaus Nottbohm, der Patricia Kaas „Hôtel Normandie“ zum klanglichen Fest machte. Der routinierte Bass Oliver Brinkmanns, der sich bei „Black velvet“ „mal in einer Art Mittelpunkt“ fühlen durfte – „obwohl ers gar net is“. Die antreibenden, vielschichtigen, packenden Drum-Einlagen von Carsten Wagner, der dazwischen Gedichte zitierte. Und dann das stutenbissige Gerangel der beiden Damen um den Platz in der ersten Reihe – gespickt mit Requisiten aus alten Tagen, mal im Glitzer-Westchen, mal mit Spitztüten-BH.
Als die „Begabten Hausfrauen“ nach rund zweieinhalb Stunden Programm mit einem Kanon für den ebenfalls in Kürze in Rente ausscheidenden Michael „Volli“ Vollendorff und ihrem „Pumpwerk“-Lied, einer Neufassung des Knef-Schlagers „Wenn die Sonne hinter den Dächern versinkt“, eine letzte offizielle Verbeugung vor ihrem Publikum und ihren Wegbegleiten hinlegten, gab es minutenlange stehende Ovationen, Zugabe-Rufe und den unbedingten Willen unter den Fans, die Damen einfach nicht gehen zu lassen.
Doch die „Begabten Hausfrauen“ gibt es nur noch in unserer Erinnerung, wo sie allerdings für immer bleiben werden: „Aus ist’s mit der Glitzerwelt“ haben die fünf Ausnahmemusiker als letzte Zugabe in einer „Fürstenfeld“-Intro-a-capella-Version festgestellt: „Na dankschä!“
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