Evangelische Stadtkirche - Tony Tchakarov und Plamen Patov spalten als "Tenöre4You" Publikum mit unausgegorenem Programm

Dem großen Titel nicht gerecht geworden

Von 
Matthias H. Werner
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Viel Licht (rechts), aber auch viel Schatten: "Toni Di Napoli" alias Tony Tchakarov, links, und "Pietro Pato", der Plamen Patov heißt, überzeugten nicht komplett.

© Lenhardt

So uneinheitlich wie die Kritik, so polarisiert war das Publikum am Donnerstagabend nach rund zwei Stunden "Tenöre4You" in der evangelischen Stadtkirche. Der aufs Unbedingte modern gemachte Name des Duos, das eigentlich aus zwei Solisten besteht, hat wie einige Youtube-Videos ahnen lassen, was man am Ende auch serviert bekam: ein unausgegorenes Programm aus wild zusammengewürfelten Evergreens, das auf der Mainstream-Welle mitzuschwimmen versucht, ohne den Ansprüchen der großen Titel gerecht werden zu können. Gefällig, aber ohne Höhe oder Tiefgang.

Was auf den ersten Blick hätte charmant wirken können, erwies sich in der Gesamtschau aus etwas laienhaften, aber durchaus bemühten Lichteffekten und völlig fehlender Tontechnik eher als Notlösung: Die beiden Künstler des Abends waren auch Kassenhäuschen und Platzanweiser. Gewöhnungsbedürftig und höchst symptomatisch.

Besser zurück zu echter Identität

"Toni Di Napoli" und "Pietro Pato" traten noch vor kurzem unter ihren bürgerlichen Namen Tony Tchakarov und Plamen Patov auf - und es wäre fraglos besser, sie würden wieder zu ihren echten Identitäten zurückfinden, vor allem was die Musik betrifft. Das Konzert war in der immer angedeuteten gespreizten Theatralik allenfalls belustigend, was die sängerische Qualität angeht, eine Enttäuschung.

Und das bei durchaus guten Voraussetzungen des bulgarischen Doppels in Italiener-Verkleidung: Tchakarov verfügt über einen gut gegründeten, klassisch ausgebildeten Tenor mit einer etwas blechernen Grundstimmung, der aber in seinem Gesamtklang tatsächlich unwillkürlich an den großen Luciano Pavarotti erinnert. Den ausladenden Gestus hat der Sänger, der immerhin auf italienische Wurzeln blicken kann, vielleicht ein wenig überzogen, doch sowohl sein "O sole mio", als auch sein Part in "Time to say Goodbye" waren in Inbrunst und vokaler Gestaltung durchaus beachtlich.

Die Größe fehlt etwas - besonders markant bei Pucchinis "Turandot"-Highlight "Nessun dorma": Der Titel, der den begnadeten Paul Potts zu Recht berühmt machte, kann Gänsehaut und Tränen provozieren -oder eben als "schönes Lied" durchgehen, wenn man mit zu viel Druck arbeiten muss und in den Höhen des Fortissimo das Ebenmaß fehlt.

Patov bringt eine holzig-warme, sehr weiche Stimme mit, die aber bei aller Schönheit so gar nicht die Reife für die Bezeichnung "Tenor" verdient: zu wenig Durchzugskraft, zu wenig Esprit, zu viel Effekthascherei und vor allem das Fehlen jeder klassischen Grundnote. Der mehrfache Teilnehmer der bulgarischen "DSDS"-Variante gehört eben in eine Band, am besten in eine Boygroup, und nicht in ein Konzert für Tenöre.

Zwei Künstler, die alleine und jeder in seinem Genre durchaus punkten könnten, zusammen aber ein Duo, das klanglich, stilistisch und charakterlich kaum zusammenkommen mochte und nicht umsonst das Duett vermied und lieber in einer Art Kontrastprogramm die Titel aufgeteilt interpretierte - was auch hätte reizvoll sein können, wenn "Tenöre4You" sich auf die Eigenständigkeit berufen wollte, statt als Weichspül-Automaten zu bedienen, was man als en vogue auszumachen glaubt.

Künstlerisch nicht überzeugend

Die Musik vom Band, ein Programm irgendwo zwischen Andrew Lloyd Webber, Heintje, Schuman und den Beatles, hingenuschelte Texte und zu flache Interpretationen: Künstlerisch war es ein Abend, den man sich hätte sparen sollen.

Und dann kam sie doch, die "Polarisierung": Während einige Besucher bereits in der Pause das Konzert verlassen hatten, gab es von anderen am Ende Standing Ovations. Ob man das nun der Qualität der "Tenöre4You" zuzuschreiben hat, oder der großen Kohäsionskraft der bekannten Melodien mag der Risikofreudige am eigenen Leib ausprobieren. Allen anderen bleibt unser Urteil: nett, aber keinesfalls hörenswert.

Freier Autor Seit Mitte der 1990er Jahre als freier Journalist vorrangig für die Region Hockenheim/Schwetzingen tätig - Fachbereich: Kultur.

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