Verein für Heimatgeschichte - Ortsfamilienbuch soll zum 1250. Stadtjubiläum vorliegen / Verfassertrio arbeitet seit zwei Jahren daran / Gute Vernetzung unverzichtbar

Die Handschrift mancher Pfarrer gibt Rätsel auf

Von 
Matthias Mühleisen
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Haben schon 10 000 Seiten aus Kirchenbüchern und Beurkundungen des Standesamts - hier im Hockenheimer Rathaus - erfasst: Horst Auer (M.) und Gerhard Heinrich (l.) sitzen wie der nicht abgebildete Franz Bitz täglich am Ortsfamilienbuch. Dafür ist ihnen der Dank nicht nur des Ehrenvorsitzenden des Vereins für Heimatgeschichte, Alfred Rupp (r.) gewiss.

© Lenhardt

Ein Geschenk, das die Stadt Hockenheim zu ihrer 1250-Jahr-Feier 2019 erhalten wird, steht schon fest - aber fertig ist es noch lange nicht. Ein kleiner Kreis von Aktiven des Vereins für Heimatgeschichte arbeitet seit fast zwei Jahren am Ortsfamilienbuch - und hat einen ebenso langen Zeitraum noch vor sich, bis das voraussichtlich zweibändige Werk, in dem dann 8000 bis 10 000 Familien erfasst sind, vorliegt.

"Was Horst Auer, Franz Bitz und Gerhard Heinrich leisten, kann man nicht hoch genug schätzen", sagt Ehrenvorsitzender Alfred Rupp über seine Vereinskameraden, die seit Anfang 2015 alle Geburten, Hochzeiten und Todesfälle in Hockenheim zwischen 1700 und 1900 - das genaue Ende des Erfassungszeitraums steht noch nicht fest - nach Familien geordnet auflisten.

Täglich zwei bis drei Stunden Arbeit

"Die sitzen jeden Tag daran", unterstreicht Rupp den Aufwand, der getrieben werden muss, damit bis zum Stadtjubiläum alle Quellen, in erster Linie die noch vorhandenen Kirchenbücher, durchgearbeitet sind. Täglich zwei bis drei Stunden Arbeit müssen die Verfasser investieren, damit der Termin einzuhalten ist, haben sie errechnet.

Auf dieses Pensum führt es der Ehrenvorsitzende auch zurück, dass sich sonst niemand auf den Aufruf gemeldet hat. Wobei auch nicht jeder die alten, handschriftlich geführten Kirchenbücher lesen kann.

Die drei ehrenamtlichen Verfasser haben sich die Arbeit aufgeteilt. Horst Auer ist für die evangelischen Kirchenbücher zuständig. "Bei den Heiraten bin ich bis 1860 vorgedrungen, bei den Geburten und Sterbefällen bis 1854", berichtet er beim Ortstermin im Standesamt. Hier trifft er sich jeden Dienstag mit seinen Mitstreitern, um Einblick in die Beurkundungen des Standesamts zu nehmen.

Ab 1870 Standesämter zuständig

Die Standesämter seien in Baden seit 1870 für die "Personenverwaltung" zuständig, berichtet Auer. Zuvor hatten die die Pfarrämter eine Art Einwohnermeldeamt-Funktion gehabt. Das sei dem Staat mit zu vielen Unzulänglichkeiten verbunden gewesen: "Oft war die Schreiblust des Herrn Pfarrers maßgebend für den Informationsgehalt seiner Eintragungen, ganz abgesehen von deren Lesbarkeit", erklärt Horst Auer.

Für die evangelische Gemeinde Hockenheim seien Kirchenbücher ab 1699 vorhanden, wobei man aber einige Besonderheiten berücksichtigen müsse. In Baden gab es bis Oktober 1821 eine lutherische und eine reformierte evangelische Kirche. Die Lutheraner waren in Hockenheim gegenüber den Reformierten in der Minderheit, weshalb sie bis zur Vereinigung 1821 vom lutherischen Pfarrer in Schwetzingen betreut wurden.

Die hiesige reformierte Gemeinde hatte ebenfalls keinen eigenen Pfarrer, sondern wurde vom Reilinger Pfarrer mitbetreut. "Erst Ende 1866 leistete man sich einen eigenen Pfarrer. Diese Konstellation hatte zur Folge, dass die lutherischen Kirchenbücher bis 1803 vom Schwetzinger Pfarrer zusammen mit seinen anderen Gemeinden und erst ab 1804 separat für Hockenheim geführt wurden", umreißt Auer die Folgen der konfessionellen Spaltung.

Die reformierten Kirchenbücher seien bis 1803 für Hockenheim und Reilingen vereinigt geführt worden, erst ab 1804 hatten beide Gemeinden getrennte Bücher. Deshalb falle es manchmal schwer, die korrekte Zuordnung der Orte bei den verschiedenen relevanten Ereignissen zu schaffen.

Viele Bürger mit gleichen Namen

Die Zuordnung sei aber nur eine Herausforderung unter vielen, beschreibt Gerhard Heinrich. Offensichtlich war der Einfallsreichtum, was die Vornamen angeht, zeitweilig eingeschränkt, so dass viele Hockenheimer Altvordere gleiche Vor- und Familiennamen trugen - und manche Gleichnamige heirateten wiederum Frauen, die ebenfalls ähnlich hießen. Kein Wunder, dass die korrekte Zuordnung so zeitaufwendig ist.

Heinrichs Part ist die Kontrolle aller Einträge, da die Hobbyhistoriker die Erfahrung gemacht haben, dass viele Angaben nicht korrekt sind, wenn sie ausschließlich aus lokalen Quellen stammen. Die Standesbücher aus dem Internet werden ebenfalls ausgewertet.

Mit der katholischen Seite beschäftigt sich Franz Bitz. Er ist nach Auskunft von Horst Auer bis 1840 vorgedrungen. Die Erstellung des Ortsfamilienbuchs erfolgt mit Hilfe der EDV unter Verwendung von Microsoft Access. Das Trio arbeitet individuell jeweils am heimischen PC.

Eine große Hilfe ist den dreien die Unterstützung durch Werner Helmus aus Heidelberg, der schon viele Ortsfamilienbücher herausgegeben hat. In Helmus' Datenbank stehen 1,6 Millionen Namen von fast 500 000 Familien, vorwiegend aus der Kurpfalz. Das erlaubt einen umfassenden Datenabgleich und Recherche über die Ortsgrenzen hinaus.

Der Verein für Heimatgeschichte betont, dass sich die Verfasser strikt an die Datenschutzgesetze halten. Geburten seien 110 Jahre geschützt, Heiraten 80 Jahre und Todesfälle 30 Jahre. Sie tauchen dementsprechend im Buch nicht auf.

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