Als das obligatorische Heavy-Metal-Intro in der Stadthalle ertönte und eine Diashow die besten Momente anlässlich des 50. Bühnenjubiläums von "Mundstuhl" zeigte, dürften bei einigen Zuschauern Fragen aufgekommen sein. Und auch die beiden Protagonisten Lars Niedereichholz und Ande Werner bemerken auf der Bühne schnell die Fragezeichen in den Gesichtern des Publikums: "Das mit den '50 Jahren Mundstuhl' ist doch ganz einfach: Wir haben uns 1991 erstmals kennengelernt, sind seither 25 Jahre zusammen, das Ganze mal zwei nehmen ergibt - 50 Jahre", klärt Niedereichholz auf.
Damit ist die Marschroute für Mundstuhls Jubiläumsshow "Mütze - Glatze! Simply the Pest" mit dem Best-of ihres bisherigen Schaffens in ganz neuem Gewand vorgegeben.
Wilde Wortgefechte
Im Mikrokosmos des herrlich sinnfreien und politisch inkorrekten Humors ist vor allem Platz für abstruse wie wahnwitzige Gedankengänge. Am Erfolgsrezept der Frankfurter hat sich in all den Jahren kaum etwas geändert: Wie gewohnt schlüpft das "gehessische" Duo vor fast ausverkauftem Haus in verschiedene Rollen, begeistert mit wilden Wortgefechten und schreit sich gegenseitig die Zoten um die Ohren. So gleich zu Beginn, als über den Namen von Brad Pitt philosophisiert wird, wenn dieser keine Konsonanten hätte oder über den favorisierten Lieblingssuperhelden diskutiert wird. "Superman" müsse ja wohl der Beste sein, schließlich heiße er nicht "Einigermaßengutman" - wobei er dank des Kryptonits ganz schnell zum "Mangelhaftman" mutiert. "Tja, wir sind hier eben nicht bei Eckart von Hirschausen", resümiert Niedereichholz selbstironisch. Mundstuhls Wandlungsfähigkeit was derbe Themen angeht, überträgt sich auch auf ihre langjährigen Alter Egos. In Fummel und mit Perücke schlüpft das Duo kurzerhand in die Rollen der ostdeutschen Plattenbaujungmütter "Peggy und Sandy". Die Probleme der sächselnden "Assi-Ossi-Tussies" drehen sich um das neue "KISS-Tatoo ohne die ersten beiden Buchstaben" des an der rechten Front beheimateten Zöglings Justin, antialkoholische "Softdrinks" oder "totgesoffene" Lebensabschnittsgefährten.
Nicht fehlen dürfen natürlich die beiden "Kultkanacken" Dragan und Alder, die zwar älter, aber kein bisschen weiser geworden sind. So geht es wieder mal um aufgemotzte Autos, Handys, das Berufsschulleben von Alder mit den "scheterengen" Lehrern und seinem "Fleißdefizitsyndrom" - kurz "FDP". Doch es ist Rettung in Sicht: Alder strebt nun eine Ausbildung zur "Einzel- und Großhandelskauffrau" an. Beim Onkel übt er hierfür schon mal, Tic Tac nach Farben zu sortieren. Zwischendurch zeigt "Nachrapper" Niedereichholz sein Können. Nur den "Dom-Rap" will er nicht zum Besten geben: "Kirchenmusik mag ich nicht."
Statt der "Wanderwarze aus Siebenbürgen" Peter Maffay sorgen die Frutarier Malte und Torben von "No Pressure" für Stimmung und reagieren mit ihrem Integrationssong "Nett zu dunkelhäutigen Menschen" unter gesangskräftiger Beteiligung des Publikums auf die aktuelle gesellschaftliche Debatte. Schließlich hieße es ja erst "Welcome Refugees, aber dann will man mit den kulturellen Bräuchen der Leute an Silvester doch nichts zu tun haben.
Herb-derber Humor
Außerdem darf der aggressive Andi nicht fehlen, der mit bösem Humor über seine "fette Alte" herzieht. Absolut schonungslos machen sich die Comedians auf ihre ganz eigene, bisweilen gemeine und unter die Gürtellinie gehende Gangart über Themen lustig. So auch über die "nervige Zugabe" nach den stehenden Ovationen am Schluss. "Wenn du ins Kino gehst und der Film nach neunzig Minuten fertig ist, bleibt doch auch keiner sitzen und schreit: 'Noch ein Film, noch ein Film!" Dennoch erfüllt das bestens aufgelegte Duo den Wunsch nach mehr albernen Witzen und herb-derbem Humor, um mit der "Ode an die Fans" einen gelungenen Abschluss eines kurzweiligen, unterhaltsamen Abends zu liefern.
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